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184 Nicht« reizt die Geisteskraft mehr, als die Eindrücke auf die Sinne nnd die Leidenschaften. Die andere Wirkung ans die Nerven «heil« sich dem Herze» und durch dieses dein Gehirne mir. Lebhaftes Licht, Wohl- klang der Töne, seine Genüsse für den Geschmack, Wohlgerüche und sanfte Reizungen der Haut wecken, beieben und erheitern den Geist. Welchen Einfluß manche Nahrungsmittel, besonders geistige Ge tränke, in Mäßigkeit genossen, auf die Aufheiterung des Geistes habe», lehrt die Erfahrung eines jeden Menschen. Lor Allem ist's der Kaffee, der unsere Organe wie durch ein göttliches Feuer zu durchdringen scheint. Der mäßige Gebrauch des Tabackrauchens übt auch seine heitere 'Wirkung aus die Bewegungen des Denkvermögens aus; doch ist es nachthcilig, wenn es kurz nach der Mahlzeit geschieht, weil es der Ver dauung ungünstig ist. Auch kann es des Abends Schlaflosigkeit zur Folge haben. Unseren schönen Leserinnen aber, die nicht Spanierinnen oder in Betreff der Cigarren Spanisch gesinnt sind, sagen wir zum Trost, daß es von Semiramis bis auf die Jungfrau von Orleans herab, von Sappho und Corinna bis auf Anna Comnena sehr viele Frauen gab, die auch ohne den noch gar nicht da gewesenen Taback Erhabenes und Schönes mit heilerem Geiste geschaffen haben. Es gicbt Geister, die zur Befruchtung ihres Denkvermögens nichts von der Außenwelt bedürfen, das Geräusch derselben vielmehr fliehen, um in schweigsamer Zurückgezogenheit ihre göttlichen Sinaebungen zu empfangen und zu sammeln. Aber das sind nur auSerwäblte Golt- begabte; der Mensch im Allgemeinen bedarf der äußeren Anregung. Zu den Erregungsmitteln des Geistes müsse» wir auch körperliche Bewcgnngen zählen. Nie vielleicht ist der Gedanke gesunder und sicherer, al« auf einsamen Spaziergängen. Daher haben auch die meisten Len ker eine große Vorliebe für diese Art von Bewegung gezeigt. Siner unserer ersten Prosaisten kann ohne Ungeduld nicht länge sitzen; man sicht ihn seine- ernsten Werke gehend aus einzelne Blätter schreibe». Und so war cS ja mit Aristoteles u»d seine» Schüler», die sich wiffen- fchastlich nur im Gehen unlerhiellen, woher sic den Namen Peripale- tikcr erhielten ") Das größte aller Reizmittel sür die Thalkraft de« Gedanken« ist aber ohne Zweifel die Eifersucht, oder edler, der Wetteifer. Wenn mehrcrc Personen dieselbe Lausbahn nehmen, um die am Ziele schim mernden Preise de« Ruhmes und der Auszeichnung zu erringe», so wird dieser rivaltsireiide Geistesschwung stet« vo» de» schönste» Fortschritten in der Kunst, Wissenschaft und Einsicht begleitet sehn. Hat man auf seinem Wege keinen zu erreichen oder zu überflügeln, so wird man ge wiß nur langsam vorwärts schreiten. Niemals strahlt auch der Ruhm ans eincm einzigen Haupte durch ein Jahrhundert; wir sehen vielmehr große Männer initiier zwei nnd zwei entweder verbunden oder getrennt auf der Leiter der Größe. Neben Plato finden wir Aristoteles'; neben Tbcmistoklcs eine» Aristide«; neben Mariu« einen Svlla; neben Pom- peju« einen Eaesar; neben Virgil einen Horatius und Andere; und in »euerer Zeit neben Condc einen Turenne; neben Baco cineii Descartes; neben Corneille eine» Racine; neben Goethe einen Schiller und viele andere selche Paarungen. Aehnliche Beispiele wcist die Geschichte aller Völker zu allen Zeiten nach, und wir sehen immer große Name», wenn sie auch Jahre lang durch Interesse oder Ehrgeiz getrennt waren, sich in der Unsterblichkeit des Ruhmes vereinigen. Der Wetteifer übt seine glückliche Macht überall au«. Im kleinste» Flecke» rivatisirt der zweite Einwohner mit dem ersten; vo» der nie drigsten Bank dec Schule bi« zu den höchsten Smscn de« praktischen Leben« reicht sein Scepier; der ciusache Handwerker, wie der große Künstler, Lichter und Könige lauschen scincr Stimme. Ihm hat man e« zu verdanken, wenn seit der Erfindung der Buchdruckerkunst ei» Rück- sall in die Finsterniß der Barbarei unmöglich ist; denn Hal man auch keine Zeitgenossen, die man erreichen oder übertreffen möchte, so machen un« Homer, Tacitu«, Pascal, Montesquieu, Göthe, Shakespeare, Baco und so viele andere Große über unsere Kleinheit nnd Trägheit schaamroch. Die Gewalt de« Wetteifers wird aber noch gesteigert, wenn man nächst den Nebenbuhlern »och Feind« und Hindernisse zu bekämpfe» hat. Ma» glaubt nicht, wie mächtig geheimer Einfluß oft auf die glänzeiiden Werke und Thate» großer Männer wirkt. Wir nehmen zum Beispiele - Baco von Vcrulam. Lieser berühmie Vorläufer Ncwloii«, der mehr durch seine Vorschläge, als alle seine Nachfolger durch Entdeckungen ge leistet Hai, hatte feine großen Erfolge vorzüglich drei Dingen zu ver danke». Als Minister und Mensch Hal er so große Fehler begangen, daß er die Welt durch seine Wissenschaft versöhnen mußte. Ein obsku rer Mönch, der zufällig seinen Name» trug u»d vor vielen Jahren in der Welt, aber nicht in dcr Weltgeschichte lebte, wurde sür de» Erfinder de« Schießpulver« gehalten. Und dieser homonvme Mönch war Baco'« erster und surchtbarster Rival; er mußte übertroffen werden. Columbus hatte damals eben eiue neue Welt entdeckt nnd hierdurch eine Umwäl zung in alle» Sittru und Glaubens-Meinungen dcr alten Welt bewirkt oder vorbercitct. Diese große Eindeckung ließ lausend andere Entdeckun gen sür kommende Geschlechter vorausschen, und Baco, der sich alle Männer von Genie, dcr Gegenwart sowohl al« der Zukunft, zu Freun den lind verpflichtet machen wollte, schrieb sein Buch über die Kunst der Entdeckungen. I» der Thai bat der Schriftsteller Baco dem sünd haften Kanzler Baco bei der Mil- und Nachwelt das Wort geredet. Die Schandflecke» dc« Premier-Minister« sind durch die Lorbeern des großen Denker« gedeckt, und jetzt spricht man von dem Namcn Baco nur al« vo» dem Namen eines dcr größte» Geister dcr Welt. Es gicbt aber sür da« Genie übrigens gar keine» Umstand, au« dem c« nicht Vorlheil zu ziehen wüßte, scy e« selbst au« den Anstren- ') Da» ist nock> nicht so qan, ausgemacht, und wabrscheinlicher leint man den Namcn von Perivatos ab, dem Srtc im Lvceum, wo Aristoteles gelehrt hat. gungen des Kampfes gegen schädliche Eindrücke. Sogar der Schmerz dc« Exils und die Schrecknisse der Gefangenschaft beflügeln oft die Schwungkraft einer starken Seele. Wir wollen nicht auf die Gallilei, Cervantes oder Luther zurückgehen, sondern nur von dcr neueren Zeil ansuhren, wie Voltaire den Grund zu seinem Ruhme in der Bastille gelegt Hal, daß die Verleumdungen gegen den Vater den junge» Lally« Tollendal zum erste» Schritte aus der Bah» der Berühmtheit geleitet habe», und daß die Wuth der Proscriptton den Stern Chateaubriand nur noch leuchtender machte, indem sie ihn zu verdunkeln drohte. Wir haben bisher von dem Eindrücke gesprochen, der au« fremder Kraft un« zu,geführt wird; aber auch unsere eigenen Gedanken können unser Denkvermögen stärken und seinen Kreis erweitern, sie können uns gehcimnißvollcr Weift durch sich selbst zum höheren Schönen und Großen führen. Niemals sind die Gedanken schon stark, wenn man die Feder ergreift und sich an die Arbeit setzt. Man eilt nicht so schnell von der Gedankenlosigkeit zur Inspiration; dcr Geist will vorbercitct sepn, um scine Gaben reisen und kräftige» zu können. Die Fcder wirkt ans da« Gehirn, wie dcr Stahl auf dc» Stein; sic bringt die Funken des Ge nie« hervor, die nach und nach zu Hellen Lichlkörpcrn anwachsem Die Augenblicke dcr göttlichen Offenbarung im Geiste können nicht plötzlich herbeigezanbcrl werde», und sind sie erschiene», so sind sic selten von langer Dauer; daher werden die Menschen, welche nur kurze Mußestun den der Wissenschaft weihen, seltcii ganz vollkommen und große Ideen zu Tage fördern. Wahrheit, Bildung und Fleiß sind die Grundbedin gungen für dc» Schriftsteller. Es reicht nicht bin, der schriftstellerischen Arbeit nur die Zeil zu bewilligen, wo man von Geschäften eine« ande ren Berns« erschöpft oder abgespannt ist, oder, wie manche vornehm sa gen, sich von ernstere» Arbeiten erholt. Nein! die schönsten Stunden des Tages muß man ihr opfer» können, oder man höre auf, da« Heilig» thum der Muse mit ungeweihlen Händen zu belasten. (Oictionn. üo la Onnv.) Bibliographie. Lacamon aeiticzuo üe l'vavra"« st'.ärislote intitulö: Aletaniivsiuue. . — Von CH. L. Michele,. 8 Fr. ' Ltustos sie OöoArazihiv critirzne sur une zrartie -Io jftätriizu« sezrtentrioimle etc. — Von L'Avesac. 3 Fr. I-a 6rece constituce et les Astaires «i Orient. — Von C. Mi- noidc Mpna«. 4j Fr. I-a üuches»» sie I'eesles. — Roman von Jule« A. David. 2 Bde. I no tälalilö. — Von Alfr. Lcscadieu. 7j Fr. NIic. cle Nnntziensier. HÜ8tnirc üu tenms üo la Ironüc. — Bon Th. Murrt. 2 Bde. IS Fr. Mannigfaltiges. — Französische Journalistik. Am I. Januar 1813 gab es in Paris allein 347 Zeitschriften. Darunter befanden sich: politische Journale, mit Einschluß der täglich erscheinenden Zeitungen, 27; der Religion und Moral gewidmete 24 (worunter IO protestantische); sür Gesetzgebung und Jurispcudmz 38; sür National-Ockonomie und innere Verwaltung 3; sür Geschichte, Statistik und Reise» 12; sür Literatur überhaupt 44; für Malerei, Musik uud Kunst im Allgemeine» 0; für Theater insbesondere 2;'für mathematische und Natur-Wissenschaften IS; für Medizin 28; für Militair und Marine 12; sür Ackerbau und Land- wirthschast 22; sür Handel und Industrie 23; sür Schulwesen 7; sür Frauen, Mädchen und Kinder 20; Moden-Journale II; Bilder-Maga- zine 4; Ankündigung«- (Intelligenz-) Blätter 7; Zeitschriften ohne be stimmten Charakter 12. — Im ganzen übrigen Frankreich erschiene» gleichzeitig nur 2Ü8 Blätter, also 89 weniger äl« in Paris. Unter die len Provinzial-Fciischiificn gab es: für Politik und Administration IS3; sür Literatur ausschließlich 4; sür Lokal-Neuigkeiten, Handels- und ge richtliche Anzeigen 101. In drei Departement« gab e« gar keine ein heimische Blätter und zwar in dem der oberen Pyrenäen, der Ober- Alpen und der Nieder-Alpen. — Im Laufe de« Jahre« I83S wurden 109 neue Zeitschriften angekündigt, wovon 2S in den Departements. Haben sich diese Neulinge im Publikum zu verbreiten und zu erhalte» gewußt (was jedoch nicht wahrscheinlich ist und vielleicht kaum in Be zug aus die Hälfte anzunchmen ist), so würde c« zu Ende de« vorigen Jahres 732 Zeitschriften i» Frankreich gegeben haben. — Ausländische Literatur in'Frankreich. Im vorige» Jahre wurden in Frankreich 210 Werke in lebenden Sprachen des Alls- lande« gedruckt. Darunter befanden sich 98 Englische, 00 Spanische (die hauptsächlich zur Versendung nach Süd-Amerika bestimmt sind), 29 Jtaliämsche, 19 Polnische, 7 Deutsche, 4 Portugiesische und 2 Neu griechische Werke. Wenn die Französischen Buchhändler und Literaten feit einiger Zeit bemüht sind, idrc Regierung zu einem Einschreiten ge gen den allerdings immer unverschämter werdenden Belgischen Nachdruck zu bewegen, so sollte ihnen doch auch aiidcrerseil« nicht entgehen, daß die oben angeführten 216 Werke zum Theil ganz eben so unrechtmäßig — wir sagen nicht ungesetzlich — nachgedruckt sind, als die klassischen Werke der Belgiers Namentlich hätten die Englischen Schriftsteller und Verleger Ursache, sich über den Französischen Buchhandel zu beklagen. Von den in Frankreich gedruckten 93 Englischen Werke» gehören nicht weniger als 42 solchen Schriftstellern an, die noch am Leben und deren nachgedruckte Schriften zum größten Theil erst im vorigen Jahre in England erschienen sind. Ja, die LüinburKh-ftevicrv wird in Paris ganz eben so vollständig und augenblicklich nachgedruckt, wie in Brüssel die lievu« üo I'aris und die iicv»« sie« üenx ülonü«?. Es ist die« eine Art von Piraterie, die sich die civilisirtesten Nationen, wie es scheint, gegenseitig gestatten, üanc veniam ü-nuus z>«tnousczuv vi- cisziw. HerauSgegebc» von der Redaktion der Allg. Preuß. Staal«-Zeittmg. Redigirt von I. Lehmann. Gedruckt bei A. W. Hayn.