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habe,» scheint. Angesehene, wohlhabende und einflußreiche Inländer müssen bald ihre Stellung und ihre Kraft erkennen;jund wenn sie nicht die Achtung und den Einfluß, der ihnen mit Recht gebührt, erhalten soll ten, so ist kaum zu erwarten, daß sie eine Regierung, deren Diener ihren Interessen entschieden entgegen sind, noch ferner unterstützen werden." „Bisher ist man mit ihnen noch sehr wenig in nähere Verbindung getreten. Die Englisch-Indischen Einwohtzer wären, mit wenigen Aus nahmen, nicht geneigt, den Eingeborenen Belehrung zu ertheilen oder sie von ihnen zu empfangen; sie haben sich wenig Mühe gegeben, sic über die Sitten und Gewohnheiten zu belehren, welche ihnen als un passend und zestwidrig hätten erscheinen müssen, oder ihnen durch über legene Geistesfähigkeit Achtung cinzuflößen." Dag die Indier mit ihrer scharfen BrurtheilungSkrast den Euro päern ihre Schwächen abgcmerkt haben, kann Niemand bezweifeln, der mit ihnen verkehrt hat; zwar lassen sie mit ihrer Selbstbeherrschung ihren Gefühlen selten freien Lauf; doch ihre Empfindlichkeit gegen Be leidigungen hat sich schon öfters auf eine traurige Weise geäußert, und Miß Roberts gicbt in einem Auszuge ans dem Delhi Ukbar ein interessantes Beispiel davon, in welchem Lichte solche Rohheit von ihnen angesehen wird: „Die Negierung", sagt der Indische Schriftsteller, „hat einen selt samen Mangel an Einsicht gezeigt, daß sie Herrn N. zu der Stelle in °° ernannt hat. Der Mann ist ein gewaltiger Dummkopf und sehr hitzigen Temperaments; er ist nicht fähig, selbst etwas zu Stande zu bringe»; doch Hal er die merkwürdige Tollheit, zornig zu werden, wenn geschicktere Personen etwas für ihn lbun wollen. Ale die ange sehensten Hindus ihm gestern aufwarteten, stand er eben auf, kam halb angekleidci hervor und sagte, als sie ihn grüßten: „W aS wollt Ihr?" — und als sic antworteten: „„Bloß unsere Aufwartung machen"", brüllte er sic an: „Packt Euch!"") Daß aber auch Einzelne sich die Achtung und sogar die Liebe der Indier erworben haben, ist eben so gewiß; und zu den Namen HastingS, Sir John Malcolm, Tod, Sir Thom. Monro und Elphin stone, welche Miß Roberts besonders erwähnt, kann noch eine lange Liste von Personen, welche selbst von vielen vornehmen Indiern hoch verehrt wurden, hinzugesügt werden; und unter diesen darf mau den Bischof Heber und den vortrefflichen Herrn Seton nicht vergessen. Diese sind, mit einer einzige» Ausnahme, alle gestorben; aber in In- dse» leben ihre Namen fort, von dem Andenken an ihre milden und menschlichen Handlungen einbalsamirt, und werden ihrem Baterlande, wenn es vielleicht in Indien die Herrschaft längst verloren haben wird, zur Zierde und Ehre gereichen. Wer kann ohne Rührung die Geschichte des Britischen Einflusses in Indien von der Stunde an betrachten, wo eine Handvoll Abenteurer dort an'S Land gestiegen ist, bis jetzt, wo so viele Millionen Menschen der Gewalt ihrer heimischen Herrscher entrissen und einigen Fremdlin gen unterworfen sind? Sollte es nicht Bestimmung der Vorsehung seyn, damit Bildung und Wohlstand für unsere Milnnterthanen daraus entspränge ? Indessen gestehen wir, daß wir nicht ohne Bedauern auf den zunehmenden Verfall jenes romantischen Glanzes blicken, der sonst über das weile Indien auSgebrcilel war. Bon dem prachtvollen Kranz zahlreicher Fürsten, die vor 80 Jahren noch das Land geschmückt ha ben, ist kaum noch ein einziger da, der seinen Platz oder seine frühere Herr lichkeit noch hatte. Sie waren Halbbarbaren und brachten durch Ty rannei Verderben über ihr Haupt. Aber es schmerzt doch zu sehr, daß in ganz Hindostan kein einziger Fürstensitz mehr übrig ist, der die Herr lichkeit früherer Tage noch darbietcn kann. Die Herrlichkeit Indiens beschränkte sich nicht auf Häse und Für sten; cS gab eine Zeit, wo jede Stadt das Andenken an Größe be wahrte. Benares, Lucnow, Delhi, Agra und Mutlra wurden als Städte betrachtet, die zum Feenreich gehören. Selbst die treuesten und nüch ternsten Erzählungen vom Großmogul, von den reichen NabobS, den glänzenden Tigerhctzcn, deiiWitlwcn, die sich in den Flammcntvd stür zen, und den Menschenopfern, — selbst die Geschichten der Reisenden verminderten wenig das Interesse, welches sich an diese Wunderscencn knüpfte. Auch verschwand dlc Täuschung noch nicht gänzlich, als jene Städte sich den Augen der ersten glücklichen Abenleucrer, die sic er oberten, zeigte». Die kleine Zahl der Europäer, welche diese entfernten Gegenden erreichte, fügte sich anfangs, theils aus Nothwendigkcit, »Heils aus Liebe zum Romantischen, in den Ton der vornehmen Indischen Gesellschaft, und der Reiz dieses neuen Lebens war sür sie so blendend und zaube risch, daß sie bei dem schmeichelhaften Einflüsse, der ihnen zu Theil ward, alle Entbehrungen vergaßen. Doch als im Verlause der Feit die Zahl der Ankömmlinge sich vermehrte, schwand der Reiz der Neuheit, und mit ihr entfloh das Romantische. Agra und Delhi gesehen zu ha ben, Hörle auf, ein Wunder zu sehn, als die Straße dorthin Allen offen stand. Die Indischen Großen, von den neuen Einwohnern ver nachlässigt, zogen sich zurück oder starben aus; und ihre Nachfolger verarmten vielleicht durch den Wechsel der Umstände und scheuten den Umgang mit den Fremdlingen. Dadurch entstand endlich eine völlige .Trennung zwischen de» Indiern und Europäer». Die Skizzen der Miß Roberts beschäftigen sich hauhtsächlich da mit, den Grad des UcbergangS und der Veränderung zu bezeichnen, den wir zu erklären versucht haben. Fast in jedem Kapitel zeigen sich ') Doch muß man gegeben, baß gerade dieser AuSzug auS dem Hindu- Journale ein sprechendes Zeuaniß sür Len herrschenden Liberalismus der Vcrwattuna im Allgemeinen ist. Wäre Lie Verwaltung in Hindostan illi- dcral, so würden wohl schwerlich solche Stimmen, wie wir ste in dem Delhi ilkbar eben gehört haben, laut werden können Die Framoscn in Algier wür den schwerlich von einem Mauren solche Svraebe dulden, obgleich sie auch Beamte dort haben, „die selbst nichts zu Stande bringen, doch das außeror dentliche Talent haben, zornig zu werden " Symptome hiervon. DaS Wert, das in drei Bauden besteht, ist jedoch nicht rin» fortlaufende Erzählung oder ein Tagebuch; sonder» es ent hält eine gewisse Anzahl von Kapiteln, deren jedes einem besonderen Gegenstände gewidmet ist. Diese Kapitel erschienen bereits, wie wir aus der Einleitung ersehen, im Asiatischen Journal und wurden in Folge ihrer günstiger Aufnahme nachher fast in ihrer ursprünglichen Form abgedruckl. Diese Form Hal ohne Zweifel ihre Voltheile, aber auch manche Nachtheile. Man hüpft von einem iniercffan.' len Gegenstände zum anderen, ohne, wie in einer GeschichtSerzählung, die einzelnen Umstände innerlich verbinden zu müssen; aber aus der anderen Seite muß die Sammlung zerstreuter Blätter uolbwendig oft zu Tautologieen und Wiederholungen führen, welche man in einer fortlaufenden Erzählung ohne Zweifel vermieden haben würde. Ob wir gleich vieles Schöne gesunden haben, so muffen wir doch auch gestehen, daß Miß Robens im Allgemeinen zu sehr nach Effekt hascht; ihr Stil ist ost schwülstig und verfehlt deshalb den Eindruck, de» größere Ein fachheit sicher hcrvorgcbracht hätte. Im Allgemeinen jedoch haben diese Skizze» viel Leben, und manche Stellen sind von großem Interesse. Die Natnrscenen und die Uebcrreste der gefallenen Größe sind mit glän- zendeii Farbcii geschildert, während die Verfasserin über geringere Ge genstände mit einer gefälligen Flüchtigkeit hinstreisl, die-solche Kleinig keiten, welche andere Schriftsteller kaum ihrer Feder gewürdigt habe» würden, äußerst interessant macht. (Schluß folgt.) Mannigfaltiges. Europäische Gastfreundschaft. Die Franzosen und Eng länder sind jetzt in gewisser Beziehung gastfreundlicher gegen uns, als wir gegen sie zu seyn pflegen. Während wir in der Regel dasjenige, was Französische oder Englische Schriftsteller über literarische und so ciale Verhältnisse Deutschlands drucke» lassen, mit ironischen oder wohl gar bittere« Bemerkungen anfzunehmm pflegen, werden unsere eigenen Schriftsteller, die über ähnliche Dinge in Frankreich nnd England schrei ben, dort als Autoritäten dem Publikum vorgefübrt und angcpricscn. So ging cS vor einiger Zeit dem Fürsten von Pückler-MuSkau mit seinem neuesten Werke (Semilasso), vo» dem Auszüge in den gelcsen- sten Französischen Blättern paradirten, und so geht es jetzt dem Herrn Professor v. Raumer, dessen Briefe über England, unmittelbar nach dem sie in der Uebersetzung der MrS. Ausii» bci Murrav in London erschienen, in 1200 Ezemplaren verkauft worden sind..) Der Deutsche Verleger des Originals dürste wohl schwerlich schon so guie Geschäfte damit bemacht habe». Einige Aufsätze, die ein Anderer unserer gelehr ten Mitbürger, Herr Professor Gans, erst vor ganz kurzem über Pa riser literarische Zustände hat drucken lassen, mache» jetzt bereits die Runde durch die Französischen Journale. So enthält die Korne do Puris vom 29. Febr. eine Uebersetzung des „Salons der Madame R<-- camier" und zwar hin und wieder mit einigen unbedeutenden Zusätze» oder Auslassungen, aber augenscheinlich mit großer Gcnugtbnung über die allerdings schmeichelhafte Wahrheit, mit der der Deutsche Gelehrte die von ihm vorzeführlen Französischen Schrislstellkr portrailirt hat. — Literarische Notizen. Die Zahl der in England im vo rigen Jahre erschienene» Bücher belief sich auf 1400, wozu jedoch weder die neuen Auslagen älterer Werke, noch Broschüre», Landkarten, Musi kalien und Zeitschriften gezählt worden sind. Dieser letztere Umstand wird e« erklärlich machen, warum die Zahl der Englische» Novitäten von der der beiden Leipziger Meß-Kataloge selbst dann noch so auf- sallend abweicht, wenn ma» einerseits die größere Bevölkerung Deutsch land« und andererseits die weltbekannte Schreiblust der Deutsche» in Anschlag bringt. In Frankreich erscheinen zwar ungefähr, aber doch auch noch nicht ganz so viel Bücher jährlich als in Deutschland. Im vorige» Jahre belief sich die Zahl der aus den Französischen Bücher markt sowohl in Französischer, als in Deutscher, Engchcher, Spanischer, Ztaliänischer, Portugiesischer, Lateinischer nnd Griechischer Sprache ge- kommencn Novitäten auf 6700. Außerdem erschienen in Frankreich 2ä0 musikalische Werke und 1049 Kupferstiche und Steindrucke. Die von Herrn Stella in Mailand herauSgegebene IiihlioZrast:i Italiaiza gicbt dic Zahl der vorjährigen neuen Erschcinungcn in dcr Italiänische» Lileratur auf 3623 an. Dies ist jedoch eine ganz illusorische Zahl; denn außerdem, daß daruntcr alle Gebetbücher nnd Breviarien, alle GelegenheitS-Karmen und Opcrnlczt-Büchlein (lihretti), so wie alle gleichzeitig erschienene Nachdrücke' jedes nur einigermaßen gelesene» Buches mitgczählt sind, wird auch jedes Heft, ja ost jeder Boge» der meistens in moiiallichrn Heft- oder Bozen-Lieferungen erscheinenden größeren Werke als cine besondere Nummer ausgeführt. Alles dies in Anschlag gebracht, wird man die Zahl der im vorigen Jahre in Italic» herauSgekcmme»en neuen BcrlagSwerke, die diese» "Namen wirklich ver dienen, auf den zehnten Theil "der obiqcn Summe, also aus etwa 362 rcduziren können. Dcr Zustand des Italiänische» Buchhandels ist ein höchst kläglicher, und daran ist wohl vor allem Andere» das Unwesen des Nachdruckes schuld, das dort, wie in keinem anderen Europäischen Lande, begünstigt wird. Ein Buch, das Manzoni oder Silvio Pcllico heute in Mailand oder Turin erscheinen lasse», ist sicher, binnen zwei Monaten in sechs verschiedenen Italiänische» Staaten sechs Mal nach- gedruckt zu werden. Daß unter solchen Umständen eine Aufmunterung der Schriftsteller durch ein Honorar, das sie auch nur für ihre Opfer an Zeit entschädigt, ganz unmöglich ist, versteht sich wohl von selbst. Ein Italiänischcr Aulor muß eben entweder so vermögend wie Manzoni oder so philosophisch-anspruchslos wie Silvio Pellico scvn; Beide kön nen freilich da« Publikum zur Befriedigung ihrer irdischen Bedürfnisse leicht entbehren. ') So berichtet «enigflcns Las pom Step » M. HerauSgegeben von der Redaktion der «llg. Preuß. Staat«-Zeitung. Redigiri von Z. Lehmann, Gedruckt bei A. W. Hayn.