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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration« Preis 22 r Sgr. (j Thlr.) vierteljährlich, 3 Thlr. für da« ganze Jahr, ohne Er Höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. für die Man pränumerirt auf diese« Beiblatt der Mg. Pr. Staats- Zeitung in Berlin in her Expedition (Mehren - Straße Nr. 34); in der Provinz so wie im Attslande bei den Wohllöbl. Post - Aemtern. Literatur des Auslandes. 25. Berlin, Freitag den 26. Februar 1836. L England. Die Englische Literatur nn Jahre 1835. (Nach dem 4N-».) Die Geschichte der literarischen Erzeugnisse eines einzigen Jahres giebt nur einen sehr kleinen Maakstab für die Fortschritte des Geistes ab; die Erzeugnisse solcher kurzen Zeit sind kaum ein einziger Stein in Lem Gebäude der Wissenschaft, kaum ein einziges Blättchen aui Baume Ler Erkenntnis;. Diese nun zusammenstellcn und allgemcinc Folgerungen daraus ziehen zu wollen, könnte ein Unternehmen'scyn, welches niehr Scharfsinn bei der Entwerfung des Planes darlegen, als Nutzen in der Ausführung bringen kann. Die Wirkungen und Einflüsse der geistigen Bewegungen schreiten still und langsam vorwärts; aus ihrem Lichte ent strömt nicht gleich bei der Entstehung, wie beim physischen Lichte, der sichtbare wvhllhälige Strahl, und sie bedürfe» der Keil, um sich Ein gang in die Gesellschaft zu verschaffen. Vieles, oder vielmehr das Meiste, erhält sich ja auch nur wenig Augenblicke und sinkt schnell in das Grab des Nichts zurück, aus welchem eS eben hervorgegangen ist. Die »reue Zeichnung de« Charakters der Literatur eines Jahres muß demnach darin bestehen, daß man mehr die Wirkung als die Ursache vor Augen hält, daß man jede Seite als eine neue Schöpfung betrach tet, die mehr dazu bestimmt ist, aus die Zukunst, als ans uns selbst rinzuwirkcn. Der Genius, welcher bleibend ist, macht Eindruck, nicht der Genius einer Stunde. Wenn wir also von der Literatur der Zeit genossen sprechen, müssen wir gewissermaßen die Pflicht des Propheten üben und in dasjenige Gebiet hinüberschaue», welches kommende Er klärer erst einnehmen werden. Nach diesem Grundsätze begnügen wir uns, eine Ucbcrsicht dessen zu geben, was das vergangene Jahr Wich tiges und von bleibendem Verdienste geliefert Hal. Das Publikum hat weiter keinen Schlüssel zu den literarischen Schätzen Englands, als Beni'« .Katalog, welcher die Namen der meisten der Beachtung werthcn Bücher enthält, die bei den vornehmsten Verlegern Großbritanicns erschienen sind; da aber in diesem Verzeich nisse bloße Namen angegeben sind, so muß es dem Leser überlassen dleibe», die Massen wissenschaftlich zu ordnen und sich erst mit jedem einzelnen Werke bekannt zu machen, ehe er sich ein klares Urtheil über die gemachten Fvrschritte in Wissenschaft und Kunst bilden kann. Und wie wäre das auch leicht möglich? Nur ein mit außerordentlichem Scharfsinne begabter Mann würde solchem Unternehmen gewachsen sehn, und erst dann, wenn er mit dem bisher Geleisteten immer in llnnutcr- brochener Verbindung gestanden bat. Der Nutzen einer wissenschaftlichen Uebersicht, in welcher die vorzüglichsten Erscheinungen vorgesührt wer den, ist also klar, und wir dürfen hoffen, daß sie unseren Lesern nicht ganz unwillkommen ist. Die erste Rubrik, die unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt, ist die Reihe der Geschichts werke. Wir sind sehr reich an histori schen Werken, und zwar an solchen, mit denen sich kein Werk des Aus landes, wenn wir die vielen trefflichen philosophischen Abhandlungen Deutschlands ausnehmen, messen kann. Hume, Gibbon, Lingard, Ro- derlson, Turner und Andere sind Namen, die kein anderes Land aus- zuweise» hat"). Doch sind trotz diesem Reichthume noch manche Lücken «n der Geschichte der Nationen auszufüllen, manche Wolke von Zwei feln und Jrrtbümern muß noch zerstreut werden, die das reine Licht der Wahrheit verhüllt; und es gewährt daher eine freudige Geuuglhmmg, daß dieses Jahr sehr werthvolle Beiträge zur Aufhellung historischer Zweifel geliefert hat. Die Geschichte Englands ist von dem Geist lichen Herrn Hughes bis zu Georg III. fortgesetzt Sie ist in einem fließenden, lichtvollen Stil abgcfaßt, und wenn wir an einigen Stellen die Ansichten des Verfassers nicht unterschreiben möchten, so dürfen wir doch offen bekennen, daß er überall das Streben nach Unparteilichkeit verräth, nnd daß sein Sammlerflciß, der gar keine leichte Aufgabe hatte, da« größte Vertrauen einflößt. Thomas Moore'« Geschichte von Irland ist ein Werk von mehr al« gewöhnlichem Fleiße, in welchem viele Jrrthümcr in den Werken O'Brien'«, Leland «, O'Halloran'« und anderer fabelhafter Chronisten aufgcdeckt und berichtigt worden. Bei Ler Geschichte England« müssen wir auch die der von England abhän gigen Länder erwähnen. Die Geschichte der Britische» Kolo- ") Wohl darf dec- Brite stolz aus dies« Namen seyn, aber nicht ohne cvelbstgesichl dar; auch der Deutsche sagen, daß er seit tanze den EnqUschcn Mustern nacha-strebt und ste manchmal sogar übertroffen hat. Gätterer, ischlozer, Mascov, Svittler, Meiner» nennt die Literatur Geschichte mitHoch- Eung; Manso, Posselt, Heeren, Wachler, Niebuhr, Wilken, Naumer, Rot teck, Menzel, Luden können mit den Englischen Meistern wohl wetteifern; und welches Land hat einen Johanne« von Müller? niee», von R. M. Marlin, ist ein fleißiges Werk. Das Unternehmen war riesenhaft, diesem Chao« eine Gestalt zu geben, und Herr Martin hat viele Jahre daran gewendet. Doch darf mau nicht verschweigen, daß dem Verfasser eine klare Anordnung nud durchgeführler innerer Zusammenhang nicht gelungen ist. Die Schwierigkeit,' so viele Mate rialien herbeiznschaffcn, und der Mangel an Vorarbeiten waren schon Hinderniß genug; der Verfasser Hal viele Jahre mit der Herbeifchaffung nud Sammlung des Stoffes zugebracht, aber nicht hinreichende Zeit, diesen Stoff zu' ordnen nnd darüber reiflich nachzudenkcn, sich vergönnt. Viele Nachlässigkeiten im Stile bezeugen auch die Ungeduld, mit welcher der Verfasser sein Unternehmen ausführen wollte. Dennoch ist das Werk ein merkwürdiges Beispiel von Ausdauer, welches, trotz der Uebcrladung mit nichtssagenden Einzelheiten und abschweifenden Betrachtungen, eine Grundlage für kommende, denkendere Historiker sehn wird. Herr Marlin Hal mil unermüdlicher Thäligkeil das Holz auf dem unkullivirlen Baden gefällt und ihn von Steinen gereinigt, Andere aber werden darauf säen und ärndien. Von gleichem Charakter, doch besserer Anordnung ist Graham s Geschichte der Vereinigten Staate». DaS-Haupt- verdicnst des Buches ist eiue geschickte Compilation an« vielen zerstreuten Quellen. Es giebt eine Erzählung vo» der Entstehung der Slaatcn und dem Forlschreileu seit den srühcsten'Nicderlaffungen bis zur Vereinigung der Staaten durch die Union. Es stellt die Thalsachcn klar, ohne Vorurlbeil und Uebertreibung dar. Einem anderen Schotten verdanken wir ein umfangrei ches und höhere« Werk, dessen Gegenstand nn« noch zu nahe liegt, um eine Prüfung mit nüchternem Urtheilc vornehmen zu können. Alison'S Geschichte der Französischen Revolution ist da« aussührlichfle Werk dieser Art. Mit bewundernswürdiger Geschicklichkeit stellt Ler Verfasser alle kleinsten, mit der gewaltigen Begebenheit in Verbindung stehenden Umstände zusammen nnd vor die Augen des Lesers, ohne die Darstellung zu überladen. Allein alle Vorzüge de« Fleißes und glück licher Analyse der Thalsachcn trelc» in den Hinlergrund, weil der Ver fasser sein Unheil seiner Parleisucht aufgevpfcrl har Dunham'S Gc- schichte des Deutschen Reiches hat alle Vorzüge des vorigen Werke«, aber keinen seiner Fehler. Wir kennen kein bessere« Werk über diese Feudalstaaten, die einst so großen Naum und Einfluß in Europa behaupteten. Die Darstellung ist ungezwungen und gefällig. Doch die wichtigsten historischen Erscheinungen sind: Thirlwall'S Geschichte Griechenland« und die zum Gebrauch für Schulen bestimmte, aber höhere Ansprüche habende Geschichte Roms von Keightley. Thirlwall'S Werk ist ein Meisterstück von Gelehrsamkeit, ist mit ausge zeichneter Klarheit geschrieben und bekundet auf jeder Seite die um fassenden Kenntnisse de« Verfassers.") Die Geschichte Nom« ist auch ein Werk von Bedeutung, in welchem der Verfasser mit Einsicht die Untersuchungen Niebuhr s benutzt hat, Niebuhr'«, dessen Untersuchungen in der Literatur des Alterthum« so viele« Licht über die alte Geschichte verbreitet haben, und vermöge deren man von zahlreichen Jrrthümern z urückgekvmmen, die früher für unleugbare Wahrheiten gehalten wurde»."") Diese flüchtige Skizze der historischen Productioncn mag nur zeigen, daß wir in diesem Zweige wenigsten« keine Rückschritte gemacht haben. Religions-Philosophie. Mit Ausnahme von Lord Broug ham, über natürliche Theologie, ist kein Werk von Interesse in diesem Fache erschienen. Lord Brougham'« Abhandlung, die so viele Gegner gefunden bat, ist nur eine Einleitung zu einem größeren Werk Paley « nnd Hal in der Thal die Ermattungen nichl gcrechlfertigl, welche dem Erscheinen de« Buche« vorhergegangen sind. Erwähnen wolle» wir jedoch auch die Bridgewater - Abhandlungen"""), al« nicht unwichtige Beiträge zur Wissenschaft nnd Philosophie. Naturgeschichte. Hier begegne» wir Arbeiten verschiedenen Werthe« von Audnbon, Swainson, Mudie und Jesse. Die "> ThirlwaN, Professor zu Cambridge, iss Kenner und dankbarer Verehrer der Deutschen Literatur, aus welcher er Vieles Ins Englische übersetzt bat; gelungen iss seine Uedersetzung der Römischen Geschichte Niebubr's. In der Geschichte Griechenlands fand er auch Vielen Beistand in Deutschen Werken, z. P. Manso, Boeckh, s. Muller. Das Werk ist für di« Lardnersche Emv- klopadie geschrieben, aber cs läßt die Forderung, die man an eine Encvklo- pädie macht, weit hinter sich zurück. "> Wohl ist Niebuhr ein glänzender Führer, aber die Arbeit des Herrn Keiqhtle» würde doch eine einseitige semc, wenn er nur Niebuhr zum Führer hätte Seit und neben Niebuhr haben wir andere großartige Leistungen in der Römischen Geschichte von Deutscher Hand erhalten, z. B- von Wachs muth, Buchholz, Schulze, Hüttmann, und in der neuesten Zelt Drumann's Geschichte Roms, 2 Bände. Auch die Franzosen haben stch in diesem Fache ausgezeichnet, und Michelcl's Namen ist auch über die Granzen seines Vater landes gedrungen. So heißen bekanntlich die naturgeschichtlich-teleologischen Werke, zu deren Honorirung der verstorbene Gras von Bridgewater ansehnliche Preise in seinem Testamente ausgesetzt hat,