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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PrämmicrationS- Preis 22; Sgr. (; Thlr.) vierteljährlich, Z Thlr. für ha« ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen her Preußischen Monarchie. a g a für die Man pränumerirt aus diese» Beiblatt der Allg. Pr. Staats- Zeitung in Berlin in der- Expedition (Mohren - Nr- 34); in der Provinz so wie ini Auslande bei den Wohllöbl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. 16. Berlin, Freitag den 5. Februar 1836. Holland. Admiral de Ruyter und Jean Bart. Aus Eugö»e Sue's Geschichte der Französischen Marine.') Derjenige Theil der östlichen Küste Englands, welcher von der Eeescite an die Grafschaft Essex gränzt, erstreckt sich, in der Richtung von Süden nach Norden, von der Mündung der Themse, bis zu dem Orte, wo sich die Flüsse Strour und Orvel ins Meer ergießen, nahe bei jenen Untiefen, welche man die Bänke von Harwich nennt. Bei Ost-Nordost- und Südostwinden gewähren die Banke von Harwich einen sicheren Ankerplatz. Die Flotte der vereinigten Nieder ländischen Provinzen ankerte daselbst bei einer leichten Breele aus Südvst am 30. Juli. Die Escadre stand unter den Befehlen Michael Adrian de Ruytcr's, Groß-Admirals im Dienste der General-Staaten, und war aus 7!> Kriegsschiffen und 11 Brandern zusammengesetzt. Die feindlichen Flotten lagen ungefähr zwanzig Meilen aus einan der und erwarteten nur einen günstigen Augenblick, um sich eine neue Schlacht zu liefern. Eine leichte Kühle wehte von Südosten her, und die Flotte der vereinigten Provinzen lag, in drei Linien getheilt, in der schönsten Ord nung vor Anker. Im Centrum erhob sich, alle andere Schiffe beherr schend, das Linienschiff von achtzig Kanonen, „die sieben Provinzen", an Bord desselben hatte de Ruyter seine Admiralflagge ausgesteckt. Dieses Fahrzeug galt allgemein für da« prächtigste in der Holländischen Marine und verdiente diesen Ruf nicht nur durch seine Ucberlegcnheit im Segeln, sonder» auch wegen des großen Reichthums von Bildhauer- Arbeiten, womit man die füns Stockwerke seines Hinterkastells geschmückt halte. Obgleich dies Kastell selbst sich schon zu einer ungewöhnlichen Höhe erhob, wurde es doch noch von dreien, aus vergoldeter Bronze bestehenden Scelcuchtcn überragt, so daß das Hackbord des Schiffes sich zu einer Höhe erhob, die mit zwei Dritthcil der Höhe des großen Mastes parallel stand. Aber dessenungeachtet/ oder vielmehr gerade die ses ungeheuren Kastells wegen, gewährte dieses Schiff einen majestätischen Anblick; man konnte nicht ohne Bewunderung diese Masse von Holz und Eisen anschauen, die sich wie ein Ricsenlhurm aus der Fluch erhob. Es war ungefähr um acht Uhr Morgens, als der Soldat, welcher auf der vorderen Schanze die Wache halte, einen Logger anrief, der mit ausgestägten Segeln gerade auf das Admiral-Schiff lossteuerle. „Franzosen, mit einer Botschaft des Gouverneurs von Calais!" ant wortete maii in ziemlich gutem Holländisch, während sich das leichte Fahrzeug dem Admiral-Schiffe immer mehr näherte. — „Legt an am Steuerbord!" rief der Soldat. Kaum war dieser Befehl gegeben, als der Logger seine Segel einzog und längs dem Fallreep des große» Schiffes schoß; die emporgestrecklen Maste» des kleine» Fahrzeuges reichten nicht an die Verschanzungen des Admiral-Schiffes. Ei» Holländischer Offizier näherte sich dem Fallreep, ließ die Strick leiter hinab, und bald darauf betraten die Herren Cavvve, d'Harconrl und Coisli» das Verdeck der „Sieben Provinzen", überholt von dem jungen Jean Bart, der, erfahren in der seemännischen Gymnastik, ihnen in drei Sprünge» zuvorkam. Der Anzug sowohl als die Gestalt unserer Edcllculc hatten eine eben so nachthcilige als auf natürlichem Wege berbeiqeführte Verände rung erlitten, den» die harten und unerbittliche» Wellen hatten sie, während sie in einem kleinen Fahrzeuge den Kanal passirten, auf eine furchtbare Weise durchgeschütlelt. Die Gesichter dieser freiwilligen See leute waren bleich und niedergeschlagen; ihre Perrücke», ihre Federn und Bänder triefte» von Wasser, und obgleich die Sonne schon ziem lich warm schien, zitterten sie doch vor Killte. Der Holländische Offizier, welcher der Französischen Sprache mäch tig war, empfing die drei Herren, und sobald er erfuhr, daß sie eine Botschaft von Seite» des Grafen Cbarost zu überbringen hatte», schickte er sich a», sie zu de Ruyter zu führen und sie in das oberste Stock, werk, wo der Admiral wohnte, zu geleiten. Jean Bart, beide Hände in den Taschen seiner weilen Flamä»- dischen Beinkleider, prüfte mit Bewunderung die Takelung des Schiffes; als er aber hörte, wie der Holländische Offizier die Edelleute ersuchte, ihm zu folge», drängte er sich diesen ohne Umstände vor, stellte sich nahe vor de» Offizier, „„d, die Hand an seine wollene Mütze legend, sagte er: „Ich bin es, mein Herr, den Sie zum Admiral zu fuhren haben." Vg! Nr. 11 de- Magazin« „m I 1M. „Was will der junge Mann?" fragte der Offizier, nicht wenig erstaunt, daß der kleine Seemann sich den drei Ldelleuten vordrängte. — „Ich will de» Admiral sehen und ihm meine drei Passagiere über liefern, denn ich bin der Capitain jenes Loggers!" entgegnete Jean Bart mit jenem ruhigen und entschlossenen To», der ihm eigen war. — Der erstaunte Offizier sah ihn an, ohne ein Wort zu sagen. „Sic dürfen ihm unbedingt Glauben schenken, mein Herr!" sagte bavoye; „er ist in Wahrheit unser Capitain, und überdies ein braver Seeman» ... Aber, bei Gott! man soll mich nicht wieder dahin bringen, auf eine solche Weise zu segeln; — cs ist eine wahre Hölle iu cmcm so kleinen Fahrzeuge, — seit der Abfahrt von St. Pani sind wir nicht aus dem fortwährenden Seebade herausgekommen; — aber dec Wahrheit die Ehre, der Kleine hat uns mit geschlossene» Augen hierher gebracht, ganz wie er cs vorhcrgesagl Halle, und auf mein Wort, obgleich er »och sehr jung ist, ist er doch ei» gcwandler Steuermann. Thun Sic immer, was er verlangt, mein Herr, cs ist Alles i» Ordnung." Der Holländer maß Jean Bart mit einem Blick des Erstaunens und sagte dann mit spöttischem Tone: „So folge» Sie mir denn, Herr Capitain!" Und Jean Bart, beide Hände wieder i» die Tasche steckend, folgte dem Offizier, seine Auge» mit einer seltsame» Neugier rings umher wer fend-und auch die geringfügigste» Gegenstände dieses schönen Schiffes, wo sie sich ihm darbolen, sorgfältig prüfend. Als sie nahe an die Thure gekommen waren, die in die Wohnung des Admirals führte, näherte sich Coisli» dem Holländischen Offizier und sagte zu ihm mit gedämpf- ler Stimme: „Aber, mein Herr, wäre es nicht schicklicher, bei dem Herr» Admiral de Ruyter anfragen zu lassen, ob es ihm gefällig wäre, uns zu empfangen? Wir könnlen uns während der Zeii umkleiden und mit Anstand vor Sr. Ercellenz erscheinen." „Meine Herren", sagte der Offizier lächelnd, „unser Admiral macht sich aus solchen Förmlichkeiten nichts. Das ist ein leutseliger Herr, zu dem der geringste seiner Matrosen «»gescheut treten kann, wenn er ihm etwas zu sagen hat. Was Ihre Garderobe betrifft, so wird der Admi ral nicht die geringste Notiz davon nehmen, ich versichere Sie." Mit diesen Wörle» stieß der Holländer die Thüre auf, und die Franzosen traten i» ein geräumiges Zimmer, das auf die einfachste Weise möblirt war. Das Getäfel war mit einer röthliche» Farbe bedeckt, in der Mille des Zimmers stand ein großer Tisch, mil einer Decke von braunem Schaf- ledcr, ohne Vergoldung, um denselben mehrere Stuhle von Nußbaum holz. „Aha!" sagte der Osfizier, „der Admiral belustigt sich ohne Zwei fel, indem er seinen Lieblinge» zu esse» giebt, — seinen Hühnern", fügte er hinzu, als er das Erstaunen der Franzose» bemerkte, „da ist er.. . in dem Kabinet... zur Rechten." In der That war ein ziemlich großer Hühnerkäficht innerhalb eines der Fenster angebracht, und der Admiral warf da« Korn, nachdem er es vorher sorgfältig gereinigt batte, vier prächtige» Flamändischen Hüb- »er» vor, deren gelb und schwarzes Gefieder wie Gold und Ebenholz glänzte. Der Holländische Osfizier hatte dem Admiral seine Meldung im ehrfurchtsvollsten Tone gemacht; dieser wandte sich um und näherte sich den Edelleute». De Ruyter war damals ungefähr sechzig Jahre alt, seine Haare waren ganz weiß, uiid sei» ebenfalls weißer Knebelbart war nach Art und Weise der alten Seeleute i» die Höhe gestutzt. Sein Wuchs war schwächlich, sein Gesteht breit, seine Stirn hoch, ftinc grauen Auge» durchdringend, sein Teint gebräunt. Seit der Zeil, daß man in seiner Jugend ihm Gist bcigebracht hatte, blieb in seinen Nerve» rin leise« Zittern zurück, das u»ausgesctzt seinen Körper in Bewegung er hielt. Seine Kleidung bestand aus einem langen Rocke von grobem schwarze» Tuche, der oberhalb der Hüften von einem ledernen Gürtel zusammeugehalten wurde. Er begrüßte die Französischen Edelleute mit Wohlwollen, dann weilte sein Auge einen Moment auf Jean Bart, der ihn mil höchst naiver Bewunderung betrachtete. „Herr Admiral", sagte der Offizier, „diese Französische» Herre» sind die llcberbringer ci»er Botschaft von Seiten des Herrn Gouver neur« zu Calais, und dieser junge Seemann Hal sie hierher geführt." Hierauf verbeugte sich Cavoye achtungsvoll vor dem Admiral und über reichte ihm die Depeschen des Herrn von Charost; de Ruyter begann sie zu lesen. Seit einigen Minuten war in der ganze» Haltung Jean Bart'« eine völlige Veränderung vorgegangrn; er, noch vor kurzem so ruhig, so sorglos, so sicher, ward plötzlich verlegen, er erröthete, der Schweiß trat ihm vor die Stirn, und wenn der stechende Blick des Admirals ibn zufällig traf, senkte er seine Augen mit einer auffallenden Verlegenheit zu Bode». «