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Krankheit ergrifft», geknickt ward, »och cl> ibr Frühling vorüber war. Endlich, den herrlichen Kreis schließend, stellte sich Mlle. Drvicnnc dem frohüberraschten Ange dar, als die reizendste, eleganteste Soubrette, der jeder sich gedrungen fühlte, den Hof zu machen, auch in Gegenwart ihrer Herrin und Gebieterin. Nie habe ich den Grad von Änmulh, geflügelter Beweglichkeit und freiester Lebendigkeit wicdergcschen, der über die entzückende Gestalt dieses schonen Mädchens ergossen war. Wenn ihr versengender Fenerblick uns zu warnen schien: Seht euch vor! so setzte auch die holde Freundlichkeit ihrer Stimme schon gleich hinzu: „Sehd unbesorgt!. . Ich bedarf der Liebe." Auf dem Sopha gegenüber ordnete sich Melpomenciis Kreis. In der Mitte saß Mlle. Raucourt, mit der Schönheit Hcrmioncn's, der imposanten Majestät der Dido und der Donnerstimme dec zürnen den Medea. Man nahte sich ihr mit einer gewissen Scheu, nnd so anziehend auch ihre Unterhaltung war, so wagte man doch immer nicht recht, sich srei ergehen zu lassen in Gedanken und Worten; es war Einem doch immer, wenn man mit ihr sprach, als irre man sich, indem man sie für eine Frau halte. Neben ihr pflegte Mlle. Ban Hove zu sitzen, die Talma später geheiralhel; eine Sirene im wahren Sinne des Wortes, denn sie übte mit ihrer Stimme einen Zauber ans, gegen den es rein unmöglich war, sich zu verwahren. Sic war die rührendste A n- dromache und die vollkommenste Iphigenie, die das Thöätrc fran- hais je besessen. Unnachahmlich in Beaumarchais' Eugeuic, und na mentlich in Richclieu's Iikgcn djahreu, verband sie mit dem aus drucksvollsten Gesicht Haltung und Gcbcrde der vornehmen Dame; so oft sie den Mund auslhat, kam auch ein herzliches oder geistreiches Wort hervor, und Alles an ihr stand mit dem Blick ihres Auges in Harlnonie, dessen sanfte Lieblichkeit unwiderstehlich für sie einnabm. Der Leser wird mir diese Digrcssion zu Gute halten, denn Madame Talma ist es, der ich meinen schönste» Lorbeer verdanke; sie hatte die großmüthige Freundschaft für mich besessen, sich ihrer eigentlichen Forz-e, der Gewalt ihrer Rede, zu entäußern, und in meinem Abb« de l'Epöe die Nolle des Taubstummen übernommen, dem ihr pantomimisches Spiel und ihre hinreißende Anmuih einen Nnf gaben, welchen ich nie für ihn erwarten durfte, und wofür ich mich glücklich und stolz zugleich fühle, ihr in diesen Worten meine» Dank aussprechen zu dürfen. Neben ihr ans demselben Sopha saß eine zweite junge Zauberin, deren Stimme gerades Weges vom Himmel herab zu erschall?» schien, dem Sterblichen einen Begriff von dem Gesang der Eugel zu geben: Mlle. Des Garcins, die DuciS seine Hedclmöne nannie, die Rolle, die sic in der Tragödie Othello in Wahrheit erst geschaffen batte, die Kenner auS alter Zeil an jene zarte Le Couvreur erinnernd, deren Schön heit sie übrigens auch nicht im entferntesten Grade besaß. ES schielt, als ob die Aalur bei Erschaffung der Des Garcins mir einzig zum Zweck gehabt, die seltene Gabe, lebhaft zu empfinden und die Empfin dung vortrefflich anszudrücken, in der Person derselben gleichsam zu ver körpern; sic schic» darüber völlig vergessen zu haben, sie mit irgend einem Reiz fürs Ange zu schmücken; dies machte den Erfolg ihres Spiels noch crstaunenswürdiger und gerade durch das, was dem ober flächlichen Ucthcil als herber Mangel erscheinen mochte, wahrhafter und raucrndcr. Eine vierte Priesterin MclpommcnS, auch i» dieser Gruppe, Mei sterin im Ausdruck der Gefühle des Hasses und der Eifersucht, von ha gerer, etwas mänulichcr Gestalt, festem enlschiedrucm Schritte, mit einer brohrndc» Stimme anSgestattel, war Mlle. Fleur», deren Energie und Studium der Antike für die wahre» Kenner Gegenstand nncrschopslichcn Beifalls war. Sie war unnachahmlich und unerreichbar in den Nollen der Eryphilc und der Rokognne. Endlich, zur Vervollständigung, gleichsam als Schlußgestalt dieser ganzen Gruppe, war dort die ehr würdig- Mad. Sui» zu schauen, die die Mutter ter Ucbrigcn zu sehn schien und gleichsam das Regiment über sic führte; eine an wissen schaftlicher Gründlichkeit höchst seltene Geistesbildung, große Kenntnis; dcr Welt und der gesellschaftlichen Forme», die in ihr bis zur skrupu lösesten Genanigkeit ausgebildet wären, befähigte» sie dazu, nnd an ihrer Seite hielt außerdem noch Mad. Thc'nard da» schwere Sccplcr dcr Charakter-Nolle» in sicherer Hand. (Fortsetzung folgt.) Bibliographie. Loautöü lio hllistuio« lies Vovü;k8 Iv8 zfl,I8 iamanx aulnur flu monilo et flans Iv8 fleox hönnszcheret.. — Bon I. B. I. Cbantal 2 Bdchc». 6 Fr. sch Coole fle I'ißnlanao et fle la ffennes80, au Gboix, ete., ox- traits fle, trois >In eei«!>ra Navigateur. — Bon I B- I. Champagnac. 2 Bdchen. 3 Fr. Dictiannaire fle I^caflömie lranhaiuo. Ävieme eflitian. 2 Bde. i» ä 3ß Fr. Aanucfl flau ^8z>iea»8 an i'amwstmreot - »8 - I.rtlres. reukerinsnt taute, I«8 czuestinus fle rlcetariczue, fl'hiMoire, ete. eantenne, flau? le i>raAramme. — Bou Bouchelle, Ebarma und Laisne. 8 Fr. !»oln»8on Crusoe, traflnit nur Um«. 'Htn. — 2 Bände mit L2 Stahlstichen. 12 Fr. Afrika. Werden die Franzosen Algier behalten und civilisirm? Aus Thomas Campbell'» Briesen. So wie das Dampsboot ankommt, eile ich immer nach der Post, wo ich. Dank meinen Sternen und mcinm Freunden, mich niemals täusche, liebevolle Briese ans England zu finden; und dann umwebt dcr Cherub Zusrikdcnhcit mit seinen chimmlische» Fittigen mein Herz. Gefällt Ihnen Algier noch? ist Ihre erste Frage. O, vortrefflich, »ach Erwägung aller seiner Uebclfläude. Dao Arrzste ist der üble Nus der Speisewirthe. Verdienen sie ihn aber? Nci»! Auf Ehre und Ge wissen, ich glaube kein Wort von allen de» Verlcumdimgc»; abcr Algier ist ei» Lästcrplatz; die Leute sagen, daß, wenn man in den Spnse- häusern das rinzunehmen glaubt, was gewöhnlich Lamm- oder Schöpsen braten heißt, man unbewußt die Keule eines Schakals oder den Schen kel einer Hväne verschlingt. Ich wiederhole Ihne» ga»z aufrichtig, daß Alles bloße Lüge und Verleumdung ist; allein, so wie Othello, dcr von Natur kein eifersüchtiger Mann war, durch Einflüsterungen unglücklich gemacht wurde, so gehl es mir; und habe ich mich voller Appetit hin ter eine» Teller mit Schöpsenkculc gepflanzt, da spuken gleich träumc- rische Besorgnisse in meinem Kopse, ich könnte da cm Stück vom Gold- wols verschlucken müssen. Golt erbarme sich dessen, dcr von bösen Zweifel» über sein Ehebett, oder über seine» Hammelbraten gepeinigt wird. Sie wollen auch wissen, welcher Art das Klima von Algier ist? So viel ich bemerkt und gehört habe, ist cS, ausgenommen einige Stel len m der Ebene von Mclidicb imd i» der Gegend von Bona, gesund. Bei meiner Ankunft war die Hitze sehr groß, doch ganz uueriräglich sand ich sie nur bei einer einzigen Gelegenheit, und auch dann nur eine sehr kurze Zeit. Es war in'der Mille einer Seplrmbcrnacht, als lch, obgleich ich nichts Erhitzendes genossen batte, von einer brennen de», lüslraubtuden Hitze aus dem Schlafe geweckt wurde. Ich staud auf, öffnete das Fenster, um freier cubmen zu können, aber da drang eine Lust herein, die dcr Hitzc cincs brennciitcn BäckcrofcuS glich und die mich halb besinnungslos zu Boden warf. Doch war ich in diesem Zustande nur einige Minuten, und am darauffolgenden Tage befand ich mich wohl genug, mcincu Freunden den Vorfall zu erzählt». „O", sagten diese, ,,das war kein anderer, als dcr Wind Samum, dcr von Ihrer Ankunft gehört hat und cs für sciue Schuldigkeit hielt, Zhiieu seine Aufwartung zu machen." — „Golt sev Dank", cnigrgnele ich, ,,daß sein Besuch nicht gar zu langweilend war."') Ja, mit allcn seinen Fehler» liebe ich Algier doch. Ich kann schnell zur trüben Stadt hinaus gelangen, und jcincüs der Mauer,i ist Alle» herrlich. Wenn ich zum Uöd s-Tborc (Hab <fl nucfl) hinaus bi», duftet' eine so liebliche Frische vom freien Secgcstade, rauscht cs so voll Wohl- kiang, daß ich mich nicht über Homer wundere, wenn er das Meer ,,das Göttliche" nennt. Die gesunde Herbstlusl stärkt meint Glieder, und die Atmosphäre ist so rein, daß cs mir vorkomml, als wäre ein Flor Po» meinen Augen wrggcuommcim seitdem ich andere Bilder, als die Europäischen, vor mir habe. Jeder Baum, jcdcr Rasen in der Ent fernung einer Englischen Melle ist mir so deutlich, als wäre er so nahe, ibn mit dcr Hand erreichen zu könne». Doch Ihr Schreibe» führt mich aus Betrachtungen ernsterer Art. Ich will zucrst die von Ihncn flüchtig hingcwcrfciien Frage» itt ei»c bestimmte Ordnung bringe»: Erste Frage. Wird Frankreich die Kolonie behalte»? Zweite Frage. Wird cs durch die Beibehaltung gcwimmi? Dritte Frage. Welche Gesinnung hege» die Einzcborcncii gegen die Franzosen? Vierte Frage. Werde» die Bortheile, welche Frankreich wahr scheinlich aus kitscr Kolonie zieht, für England nachtbcilig sehn? Fünfte Frage. Wird die Herrschaft Frankreichs über Algier ein Gewinn für die allgemeine Sache dcr Civilisation sch»? Ich gebe an diese Fragen, nicht wie Einer, dcr sie zu löse» hofft, sondern mehr wie cin mißtrauischer Forscher. Am Ende erwarten Sic gar, ich solle Ihnen Voraussagen, was Frankreich mit Algier mache» werde, während die Franzose» selbst es »och nicht wissen. Indem ich meine Meinung hierüber Ihnen als ganz unmaßgeblich vorlege, sage i.h, daß ich glaube, die Franzosen werde» Algier behalten, weil ihr Nationalflolz "dabei verpfändet ist. Ich schöpfe diese Ansicht aus den Gespräche», die ich mit Französischen Civtt- und Mililair-Beamten halte, und sicher war ihr Umgang mit mir viel freier (ich sage nicht vertraulich), als mit irgend einem Engländer, der stil der Eroberung hier war. Das Gefühl der Franzose,,' scheint empört bei drm bloßen Gedankcn an Ausgcbung Algier», und vor Allem bei dem leisesten Winke von einem Einsprüche Englands gegen den Besitz. Dcr sicherste Weg, sic zur Beibehaltung zu reizen, ist, sich mit ihnen darüber zu streite». Ein seltsamer Umstand hat das National - Mißtrauen zwischen den Franzose» und mir gcbrochen. Sie bekamen zufällig'ein Heft von Illuolccvnnfl'8 in die Hände, worin ich als eilt Mann be ¬ schrieben bin, der von seiner Gallomanie verzehrt wird, der, wenn cin Französisches und ein Englisches Regimen« im Begriffe sind, handge mein zu werde», zu Gunsten des Französischen einsetzen würde. Diese Verleumdung bat mich erbittert, nnd in der ersten Französische,, Ge sellschaft, die ich besuchte — eS war bei einem Diner beim General Voirol — erklärte ich mit Unwille», daß ich kein Gallomane, kein Rc- negal seh. Meine Achtung für Frankreich, sagte ich, thnt meinem Pa triotismus um kein Iota Abbruch. Aber, wen» ich meine Mutter liebe, muß ich deshalb jeder andere» Matrone in's Gesicht spucken? Die Franzosen glaubten mir, aber sic beharrten bei dcr Meinung, ich habe keine anti-Gallische Voruribeile, und hierdurch ließen sic sich auch von mir mehr Wahrheiten gefalle», und sprachen sich offener gegen mich aus, da sie mich als einen Mam, ebne Verstellung kenne» gelernt ha ben. Obgleich die Kolonie de» Franzosen jährlich anderthalb Millionen Pfund Sterling kostet, so müßte ich mich doch sehr irre», wenn ibr Nationalstolz so bald sich von drm Wunsche ircmne, sic zu behalten. Durch die Eingeborenen können sie nicht vertrieben werden; dich: wür den auch keinen großen Widerstand bei weiterem Vordringen leiste» könne,,, wenn die Franzosen mehr Kavallerie und leichtes Geschütz, auwendrten. Dcr Infaiitcrist, mit Waffe» u»d Gepäck belastet, in einem Klima, wo Regengüsse und brenncudr Hitze so schnell abwcchscln, wird unpraktischerweisc gegen dic Arabische Kavallerie geführt, die im *) Im Enattsche,, ist hier ein Wortßvtcl: j„ Betua au« ersteres bedeutet zugleich laugen Athcmchabcn und langweilig stym