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599 gestreckt zu nenne» — und nur ein Gedankt, sah man, ging in ihrem zerstückle» Hirne ans und ab, der Gedanke, sich ihrer Bande zu entle digen. — „Sehen Sie diese dort, sagte unsere Führerin zu uns — kaum drei Mann würden im Stande sey», sie zu zwingen, wenn sie los wäre?' — Ich trat ganz nab an das Bett heran. Eine junge Frau lag dar-"* auf, fürchterlich zngerichlet, mil bohlen entflammten Wangen, Wuth aibmend, aber mit einem ungemein edlen n»d interessanten Gesicht; offenbar waren es nicht die alltäglichen gemeinen Leiden, die sie in die sen Zustand des Jammers gestürzt halten, vielleicht war ihr Wahnsinn nur eine zu starke gewaltige Seele, der allzuschwache Organe zu ihrem Dienste mitgcgeben worden. Ich fragte nach ihrer Geschichte. Man konnte mir keine Antwort geben. Die Familien, die eines ihrer Mit glieder in die Anstatt bringen, halten die Ursach solcher traurigen Zer- störung in ter Regel geheim — denn ost genug wohl mag sie ihnen oder dem Opfer selbst zur Schande gereichen. Als wir an ihr vorüber- qingen, glaubte ich im Zucken ihrer Lippen eine Aeußernnz von Krän kung über unser Austaunen ihres Zustandes zu bemerken, jene bekannte Art von Schaam, die Verrückte empfinden, denen noch eine dunkle Er innerung an ihre verlorne Vernunft gedlieden ist. Vielleicht ist diese Unglückliche in dem Augenblicke, wo ich dies schreibe, schon erlöst. Offenbar war ibr Wahnsinn nicht bloß eine physische Desorganisation; ihr ganzes Wesen, Seele nud Leib, mutzten zugleich ergriffen worden sch» von einem und demselben Uebel, und sie verbrannten langsam aus ihrem Bett, und akke Linderungen, die die erfinderische Barmherzigkeit der guten Nonnen für sie ersann, blieben wirkungslos. „Sie hat nicht mehr weit", sagte die junge Schwester, und dttS Wort, dies kalte strenge Wort, sprach sie mit einem so himmlische» Tone, datz ich in ihrer Ge stalt den guten Engel, den die Religion einem von uns citheilt, vor mir sah, wie er seinen irdischen Gefährten sterben siebt, mit jener leisen fützen Wchmutb eines Wächters, der da wcitz, wohin das ihm anver- Irauie Wesen gebt, wenn es vom Leben scheidet. „Nun wolle» wir die Rasenden sehen, die trotz ihrer Wuth eigent lich nicht krank sind", sagte unsere Fübrcriu, und wir stiegen in das obere Stockwerk hinauf. „Diese hier würden uns mit ihren Nageln und Zähnen zerreißen, wenn wir sic löslichen", setzte sic hinzu. — Das von Wesen sagen zu müssen, die uns ähnlich sind, nud die wie uns die Milch einer Muller genährt Hal — ein unnennbares Grausen bc- fiel mich. Damals waren nur Zwei solcher Unglücklichen in der Anstalt. Man hält sie in täfigarligen Zellen, die wohlverwahrt, dick und mil einem star ken hölzernen Gitter als Thür versehen sind, eingcsperrt. Die Erste, zu der wir kamen, stand ganz aufrecht, das Gesicht gegen das Gitter ge drückt, die Hände krampfhaft daran festgeklammert. Die Phantasie pflcgt sich im Voraus ei» Bild zu entwerfen von dem, was man scbln soll! So war ich auf ein wülhendcs Gesicht, auf blutdürstige Augen gefaßt, aber die Wirklichkeit widerlegte diese Vorstellung sogleich. Ich sah eine alte runzUchle Frau, mil riiier lrübscligen, durchaus unbedeu tenden Physiognomie — allerdings mehr eine» Ausdruck der Härle als der Sanslmulh darin; auf ihr Gesicht, wie sic cincm so rrschicn, hätte man ihr die Freiheit gegeben. Sie sagte uns einige Schimpfwörter, ganz kalt, mit monotoner Slimmc, als ob nur ihr armes Gedächttutz das Böse an ibr wäre; vielleicht balle sic uns nur schmcichcl» wollen. Dennoch aber bin ich gewiß —, und meine Pbantasie spielt mir hier keinen Streich, sondern ich berichte nur ei» Faktum meiner Augen —, nnler ihren welken Lippen lange weitzc Zahne deutlich bemerkt zu haben, Las Einzige, wodurch sic mich a» ein wildes Thier erinnerte. Dies war denn freilich genug, das schwere Gitter begreiflich zu finden. In Freiheit gesetzt, Halle sic ihren Wobltbälerinnen dafür in die Häiidc ge bissen. So viel ich mich selber dagegen sträubte, war doch hier mein Mitleide» erkaltet. Diese Unglückliche wurde mir zu cincm Gcgenstaiid des Abschcus — ich konnte sie nnr als ein Monstrum der Natur be trachten, die hier die Seele eines reißenden Thieres in einen Frauc»- lcib gebannt batte. Das Mitleid kam mir wieder beim Anblick des elenden Wesens, Las in dem daranstotzrudcn Käsig schmachtete, obgleich ihr Wahnwitz noch schrecklicher war, als der der Alten mit den langen Zähnen. Das Eitler ihres Käfigs war noch mit einer Klappe verwahrt^ so Latz nur Lurch eine geringc Oeffnung Licht und Lusl zu ihr drang: das Helle Tageslicht hällc sie zur wildesten Raserei entflammt. In "engerer Hast als ein wildes Thier, als die gefährlichsten Mörder, sind ihr Licht und Luft aufs empörendste zuwider und bringen ihr die empfindlichste» Schmerzen, wie spitze Pseile, zu Wege — und so liegt dies Wesen, dies Ding, für das kein Name mehr ist, halb nackt, in ewiger Finstrr- nitz, in einem Klump, ein fürchterliches Räthscl, auch für die spezielle Kunst", Lie sich die Krankheiten des Geistes zum Gegenstände ihrer Forschung gemacht bat; ich hörte sic stöhnen in ihrem Dunkel, in dem man kaum eine Spur ihres Gesichtes unterscheide» kon»tc, das sie mit verschränkten Armen bedeckte, als wollte sie es noch verwahren gegen den kargen Lichtstrahl und Lusibauch, die man ibr hatte lassen müssen. Man könnte selbst toll werden, wenn man solchen Dingen nahe tritt und ein Hcrz im Busen trägt. Was in diesem Wesen wohl Vorgehen mag? Wer sagt uns, datz eine solche Behandlung, die sich in Nichts von der furchtbarsten Strafe unterscheidet, die richtige ist, die geeig netste, einem solchen Uebel zu begegnen, oder auch nur die Qualen des Todes abzustnmpscnk Erscheint cs nicht als einc sörmlichc Parodie, als die bitterste Verhöhnung der Barmherzigkeit, datz dies sanfte, lieb reiche, fromme Mädchen einem menschlichen Wesen Speise und Trank reicht, Las in cincm Käfig schmachtet, in dein es kaum lang ausgestrcckt liegen kann? Mir war ganz wirr zu Sinne. Man sollte seine Ver nunft nicht ans solche Weise in Versuchung fuhren; ein wüstes Ent setzen ergrcisl sie," wenn sic an solchen Beispielen sicht, wie es mit ihr bestellt ist, und wie geringe Heilmittel ibr verliehen sind gegen ibrc eigene» Krankheiten. — Ich verlangte in den Hos hinunter; das Stöhnen ans dem Käsig 'drückte meine Seele wie ein Alp; ich mutzte in Lie Luft, a»'s Sonnenlicht, um nur Li« Pein wieder los zu werde» Im Hose sand ich wieder andere Irre — wohl an zwanzig Per, soncn, einige auf de» dürren Rasen hingcstreckt, andere an die Mancrn ge- lehnt und zum Himmel emporschauend, aber mit Blicken, in Lenen auch nichs die geringste verworrene Spur von einem Anrufen oder einer Hoffnung zu suchen war, aus deren Stupidität der Azur des Himmels keine andere Wirkung machte, als eine finstere Höhle darauf hervorgebracht habe» würde. Es waren dieselben Stellungen und Geberdcn aus dem inneren Saale, die ich hier auf dem Hose wiederfand. Mehrere kamen an uns heran und baten uns, wir möchten ihnen die Freiheit geben; sie waren sämmtlich gegen die junge Nonne aufgebracht. Eine, eine alle Fra» mit einer Brille, mit emphatischen Gcbcrden und dem Tone eines Markl'chrriers, drohte uns, sie werde an den König schreiben, wen» man sic nicht frei ließe. Eine Andere, welche die Zwangsjacke auhatte, eine dicke Frau von höchst grobem und plumpem Aeutzcren, mit einem Schnurrbart und einem Kinnbart, einer Männerstimme und wulbsprühcn- den Augen, Hub an, die junge Nonne auszuschmälcn, wie die Weider aus der untersten Volksklasse einander thnn, und überhäufte sic mit einer Flulh der gemeinsten Schimpfwörter. Die Nonne erröthcle nicht einmal dar über; ^ie meisten dieser Schimpfwörter halten gar keinen Sinn für sie; sie halte sic öfter als einmal hören können, ohne sie zu hören; ihr Ee- dächlnitz war nicht minder keusch und rein als ihre Seele. Ich werde es nie vergessen, mit welcher Aumulh sie die Unglückliche zn besänftige» suchte, wie sie ihr sanfte freundliche Worte sagte und ihr auf dir Schulter klopfte mit dem hübschen Händchen. Aber der Zorn der Ver rückten war nicht zn beschwichtige», und sie Hörle nicht aus, hinter uns berzuschimpscn, bis eine Andere, die in einem Zustande völliger Blöd sinnigkeit war, von abschreckender Hässlichkeit, mil herabhanzcndcn Lippen„ stierem Auge und dabei taubstumm, aus sic zukam, sic nnler den Arm nahm mil liebkosender Miene und nach der anderen Seile mil hinzog. Dieser folgte sie, wie ein Kind der Mutter. Und dies grar von Allem, was ich in diesem Hause des Jammers gesehen, das Auffallendste und Rätbsclhaslcste für mich: eine Freundschaft zwischen zwei Verrückten; ein Strahl des Herzens bei vollkommener Nacht des Geistes. Es war Zeit, zn scheiden- Eine Stunde im Irrenhausc verbracht, ist beinah eine zn starke Probe, auf die man seine Nerven setzt. Wir gingen durch cinen der Gänge im Erdgeschoß, wo die Zimmer der Non nen sind. Eine von ihnen saß am Klavier und spielte ein geistliches Lied. Die wenige» Tone, die davon zu mir drangen, machten eiueir wohtthätigcn Eindruck aus mein erschüttertes Herz; cs kam so unerwar tet, war so ungemein süß, diese welligen harmonischen Töne in diesem Hause des Unglücks und des Entsetzens, wo auch dic menschliche Stimmr ihren natürliche» Klang verloren Hal und nnr noch ein langes artiku- lirtes Seufzen und Stöhne» ist. Ale wir unserer Führerin gedankt und uns empfohlen hatten, und nun wieder auf der Straße standen, da spürte ich's erst, was ich mir ziigcmuihcl batte; meine Beine trugen mich kaum aufwärts. Immer stand das unglückselige Wesen vor meinen Augen, Las ich in dein fin ster» Käfig liegen gesehen; dies an allen Gliedern gefesselte arme greuc- senerregende Geschöpf mit seinem schäumenden Munde und lichtlosen Auge, vor Lem auch seine eigene Muller entsetzt zurückgeflohen wäre. Im Alterthum hätte man es in einen Abgrund gestürzt — wir «näh ren, pslegc», kleide» cs, bis cs stirbt. Auf welcher Seite ist das größere: Erbarmen k Auch das Männer-Irrenhaus zu Gent wird sehr gerühmt; ich sprach den Wunsch aus, auch dies zu besuchen. — „Sie werden entschuldigen, wenn ich Sie dabin nicht begleite", crwicdcrle einer der Herren, die so gefällig gewesen, mich in das Fraucn- Irrcnhaus zu führen: und er sprach diese Worte mit so bewegter Stimme, datz cs mich gcreittc, jcncn Wunsch geäußert zn haben. Ach, cs war nichts Geringes, was in seiner Seele vorging; nichr aus lä'siger Bequemlichkeit versagte er mir jenen Dienst; alle Pflichte» der Gastfreundschaft hatte er mit liebenswürdigster Güte vollauf erfüllt gegen mich; fo all er wai, und so streng er sonst an seinen Gewobn- heilen hing und danach lebte, so wär' er doch sicher zu jeder Aufopfe rung derselben bereit gewesen, mir in seiner Vaterstadt die Honneurs zu machen; — aber in jenem Irrenhausc — hatte er einen Sohn! N i s a r d. Spanien. Da§ mmttSmatische Kabinet i» Madrid. lNbcb der tte-t-l- Die NnmiSmalik oder dic wisscnschasllichc Kenntnis; ter Münzen und Medaillen ist zuerst von den Spaniern bctricden worden, von welchen dis übrige» Nationen sie erlernt haben. Aber gerade in ihrem Mutterlands macht, diese Wissenschaft, wie noch so manche andere, nur geringe Fort schritte, weil das Joch der Inquisition, die sich nicht bloß auf geistliche Dinge beschränkte, zu schwer auf de» Geister» lastete. Weil» anch die Ilaliäner von ihrem Petrarca rühmen, datz er zuerst a»likc Münzen sam- mclle und ibr Studium als ei» nützliches empfahl, so beginne» die An nalen der Numismatik doch erst mit Alfons bei» Weisen von Spanien, welcher der eigentliche Begründer dieser Wissenschaft war. Diese Be hauptung des berühmlen Florcz bestätigt die gleichzeitige Geschichte jenes Königs. Der Ebronikenschreiber Don Alfonso s, Antonio Panovmitae, sagt, dieser Fürst sey ei» so großer Freund von Denkmünzen gewesen, daß er, so viele er nur in Italien anftreiben könne», gesammelt und m einem Kästchen aus Elscnbcin ausbewahrt habe, welches er beständig bei sich sührlc; „dem, es verschaffte ihm großen Genuß, die Bildnisse: der antiken Helden zu betrachten, deren Anblick ihn zu edler Nacheiferung cttlstamimc." Als die Ilaliäner bemerkten, wie sehr man nach diesen Schätzen br»