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valirr, ein Ehrenplatz auf der Bank der Kirchen-Vorsteher angewiesen. Ich erhielt meinen Theil von der feierlichen Räucherung, und in dieser ehemaligen, von ihrem Bischof verlassenen Kathedrale, ivo der Klavier spieler des Senator« Iacrateoui sein Talent geltend machte, Hörle ich, wie die Bauern sich einander zufiüsterlen: „Da ist ein Franzose! ' Man hatte mir gesagt, daß die Gegenwart eines Franzosen, und vor- zuasweise in der Kirche, für sie ein Phänomen seh. Mehr als ein Räuber befand sich verstohlen unter der Menge, um die Messe zu hören. Ihre Ehrfurcht für dieselbe ist so groß und unerschütterlich, daß ste, wie Herr Taccoui sagt, sich eher den Flinlenkuzeln „er Soldalen und der Gefahr aussetzen, von den Gendarmen gefangen zu werden, als daß ste diese religiöse Pflicht versäumen. Ich verließ Piperno, zum großen Leidwesen meiner Wirthe, auf einem kleinen Karren, der von zwei Maullhicren gezogen wurde, und von einem Postillon gefahren, der von sechs Päpstlichen Dragonern be- gleilet wurde, die sich zufällig nach derselben Richtung begaben. ES war ein Weg, ganz dazu gccignel, die Näder und Achsen eines gewöhnlichen Fuhrwerks zu zerbrechen und die Knochen eines schwachen Menschen zu zerschlagen. Ich weiß noch nicht, wie meine Brust diesen fürchterlichen Stößen zu widerstehen vermochte. Zcrlrümnierle Fels blöcke, welche überall auf der Straße umberlagen, Fabrgclcise, tief wie Gräben, und das Belt der darüber hinströmcndcn Negenbäche charak- teristrtcn den Weg, der uns in die morastige Büffelei des Fürsten Co- lonna führte. Dies ist eine ausgedehnte Besitzung mit unzähligen Büffeln auSgestaMl; sie ist mit Holzung bedeckt und wird nach der Landstraße zu von einer mannshohen Mauer beglänzt. Den Reisenden ist sie wohl bekannt. Mehr als Eine Bandnen-Flinte hat hier längs dem fürchterlichen Gemäuer die Equipagen der Reisenden zum Sichen ge bracht. Wir übernachleten in der Eister,,a, einen, mitten in der Einöde der Ponlinischcn Ebene liegende» Gasthof. Am folgenden Tage langte ich in Rom an und gelobte mir im Aerger über das Ihcilwcise Miß lingen meines Planes, bald wieder nach jenen Bergen zurückzukehren, dort aber in einem Kostüme zu erscheinen, das mich nicht der Habgier der Banditen aussetzte. Acht Tage später erhielt ich folgenden Brief von meinem Wirth in Piperno, Herrn -Tacconi. „Piperno, den 27. Februar. Mit Vetrübniß babe ich vernommen, daß Sie eine so außerordent. sich mühselige Reise halten, aber ich bin sehr erfreut, zu erfahren, daß Sie sich von Ihren Müseligkeiten wieder erholt haben, und sich wäh rend des Karnevals in unserer heiligen Stadt amüsiren werden. Ich bin Ihnen für die Neuigkeiten, welche Sie mir über die Römischen Theater mittheisien, sehr verbunden, und kann Ihnen. versichern, daß cS für mich das unangenehmste Hindcrniß war, das mich bestimmte, Sie nicht zu begleiten und Ihre Vergnügungen zu »heilen. Aber ein Geschäft von dec äußersten Wichtigkeit zwang mich, »ach Frosino z» eilen. Ste wisse», daß die Militair-Commisflo», welche damit beauf tragt ist, die enigefangencn Räuber zu richten und zu verurtheilen, ih re» Sitz in dieser Stadt hat, mid daß sie, Dank seh cs dem Geschmack unserer Bergbewohner, nicht müßig zu gehen braucht. Jüngst brachte man hier drei Kerle ein, von denen der eine früher zu meinen Bauer» gehört hatte. Sic balle» einen Engländer geplündcrl und ermordet, der sich, wie Sie, auf Abenteuer in unsere Gebirge be tzeben halte, um die schönen Ausstchlen und die Altcnhümcr in Augen schein zu nehmen. Er durcheilte zu Pferde die Ebene, welche sich ober halb imscrer Sladt ausbreilct, um dort die Ucbcrrcste eines Tempels zu besuchen, de» wir, ohne eigentlich zu wisse», weshalb: „'l'oinjüo «Gll-, liezi»»" nennen, als plötzlich ein Flintenschuß seincn archäologi schen Nnlcrsuchnngcn für imm-r ei» Ende machle. Landlcnle brachlrn seinen nackte» und ganz verstümmelte» Leichnam nach Piperno, und wir haben, indem wir ihm ei» anständiges Begräbnis! besorgten, an Sie und Ihre Reise gedacht. Danken Sie Golk, daß Sie, während Ihres abenteuerlichen Ausfluges, einem ähnlichcn Schicksal entronnen'sind. Die drei Mörder wurden zum Tode vcrurlhciit und sollen nach hiesi gem Gebrauch an dem Orte, wo sic bas Verbrechen begangen, gcvicc- theilt und ausgestellt werde». Ungeachtet dieses iramugen Geschäfts, worin ich als Zeuge verwickelt war, habe ich doch Mittel und Wege gesunde», mich i» Frosino zu amüsircn. Mau gab dort mehrere der schönsten ländlichen Bälle, und ich darf Ihne» verstehet», daß ich da selbst den feinen To» der Hauptstadt, verbunden mit dem Neich- tbum und dem pilloreekc» Kostüm des Landes, vorgesundcn habe. Dem Karneval von Frostno und diesen Bällen verdanke ich zugleich die Bekanntschaft mehrerer schönen Fraileii. — Leben Eie wohl, werlhcr Herr. Erzähle» Cie mir bald Ncues von Rom, von den Theatern, der Uttlcrballung des Tages, von de» Römischen Damm und von den Spaziergängen auf dcm borso. Der Senator Zaccaleoni beauftragt mich, ihn bestens zu empfehlen, und der Kanonikus flucht wie ein Fran zösischer Dragoner, daß es ibn freue, Sie vor jedem Unfall nur durch seine Gcbclc bewahrt zu wissen. So lebhaft unser Aller Wunsch ist, Sie wieder hier z» sehen, so möchten wir Sie doch nicht veranlassen, Ihre gefahrvolle Wanderung durch unser Gebirge aus eine so leicht sinnige Weise zu wiederhole» Lassen Sic sich das traurige Loos jenes Englischen Alterthümlers zur Warnung dimm. Für immer Ihr Freund Luigi Tacconi." Dieser Brief unb daS darin erzählte Abcnlcucr haben meine Lei denschaft für die Römische» Gebirge und ihre Auliguilätc» auf eine wunderbare Weise abgcküblt. Ich war einer von denen, die die Große ter Gefahr immer erst ermessen, wenn sie bereits vorüber ist, und die ter Fiebersrost der Furcht dann erst schüttelt, wen» sie sich an einem sicheren Orte wissen. Ich entsagte dem Vergnügen, die Monumente und Ruine» des alte» Latiums und des Königreichs der Volsker zu entziffern. Ich fürchte, daß mein Unternehmen, so dürftig wie es ausfiel, wenig Nachahmer finden wirb. Der gewöhnliche Hausen der Rcifmken zieht es vor, auf de» großen Straßen zwischen Paris und Mailand, und zwischen Venedig und Neapel bahinzufliegen, um bei der Rückkehr im» bombastische» Tone die Städte, so wie deren Kirche» und Alter- lhämcr zu beschreiben, Alles Dinge, die wir bereits seit drei Jahrhun derten kennen. Dazu braucht man nun freilich weiter nicht», als sich eine» Monat lang in einen Wagen zu packen, oder acht Tage hindurch auf einem Dampsdoot zu schlafen. Aber cs bleiben noch große Entdeckun gen in diesem vergessenen und sich überlebt habmden Italien zu macken. Muth und Glück sc» mit den kühnen Reisenden, die diese der Wissen schaft nützliche Arbeit unternehmt» und keine Eskadron brauchen, die ihren Marsch sicher», oder kein Bataillon nölhig haben, da» sie bei ihren wissenschaftlichen Forschungen unterstütz». Leon Vidal. Ostindien. Dic König»! Begum Somr» und ihre Residenz. (Nach den neuesten Berichten.) Begum Scmm sSombrc), die nun schon fast 84jährige Indische Amazone, von der in diesen Blättern bereits mehrfach die Rede war, °) hm von ihrer geistigen Schärfe und Lebendigkeit »och wenig verloren. Sie ist im Besitze einer vortreffliche» Gcsn»dhcit, und belebt oft ganze Gesellschaften mit ihrem Frohsinn und ihren lannige» Anekdote». Un umschränkte Ettbsiregemm ihrer kleine» Monarchie, besorgt sie Tag für Tag (in der Mittagsstunde) die Regierung»,Geschäfte mit großer Pünktlichkeit. Cie mißbraucht ihre Autorität niemals z» despotische» Handlungen, und verwandelt die Todesstrafe gewöhnlich in lebensläng liche Einkerkerung. Vor einigen Monalen hat diese merkwürdige Frau Herrn David Dvce Sombrc öffentlich als ihren adoptirtcn Sohn und Erben prokla mier. Seitdem ist »er auch ihr Mil-Regent, d. h. cr muß ihr dic wichtigsten Papiere täglich verlesen und ist für die Ausübung der Ge setze verantwortlich. Die Stadt Scrdhana — bekanntlich Begum'S Residenz — enthalt eine Bevölkerung von 40,000 Seelen, etwa «00 eingeborene Cbristcw mit gerechnet, die größtcnihcil» von Europäern abstammcn und denen man, so lange sie stch gut aufsübren, nicht» in de» Weg legt. Dic Königin selbst ist katholische» Glauben»; ste bat i» Scrdhana eine sehr schöne Kirche bauen lassen, worin ein prächtiges Altarstück, das mit Edelsteinen musivisch vcrzirt ist und eine stattliche Orgel für die Kirchen- Musik. Der Fond der Kirche beträgt ein Lak Rupien. Der katholische Priester an dieser Kirche, Herr Julius Cäsar, ist neulich, aus Ansuchen seiner Königin, von dcm Papste als Bischof inveflirt worden. Man balle schwerlich eine bessere Wahl lrcffcn lön- nc». Dieser Geistliche besitzt treffliche Kenntnisse, große Talente und ei» mildes cilinehmciidc» Wese», da» ihn sehr beliebt "macht. Eine sehr hübsche Kapelle Hal die Beginn auf ihre Koste» in Mirclt bauen lassen, wo ei» Priester aus Scrdhana dl» Katholiken in der Britische» Armee als Seelsorger dient. Auch eine Schule ist in Serdhana errichtet mid mit einem Fond ansgcstaitct worden. Ihre Direktion hat der Bischof. Zu Kerwah Hal Beginn eine» neuen Palast in großartigem Sole gebaut. Die Königin ist "sehr gastfrei, und i» einem barmherzigen Stifte wird alle Tage Speise und Kleidung unter dic Armen verlhcilt. Iii der Umgebung von Serdhana erheben sich mehrere Festungs werke. Zu den bedeutendste» derselben Hal cin ausgezcichnctkr Franzö sischer Ingenieur den Plan enlworscn. Die regulaircn Truppc» der Begum bestebcn jctzl aus einem Regiment Artillerie sacht Compagnicen), sechs Negimenlern Infanleric (jedes in acht Compagnie,» cnigclbciil), einem Regimen! beriltmer Leibgarde (vier Trupp») Und einem Regi ment Garde zu Fuß (vier Compagniern). (ktvlüi Oarvtl,.) Mannigfaltiges. — Eis und Feiler. Ein mil Eis aus dem Himalapa befrach tete» Schiff, welche» im diesjährigen Juni »ach Kalkutta kam, wäre fast in Flamme» ausgcgangcn. Als man sich anschicilc, die Ladung auszu- schiffeii, sand man die Balken des Verdeck» beinahe glühend. Der Grund davon lag in dcr großen Menge Stroh, welche dem Eis als Emballage ticnte. Beiläufig bemerkt, auch das Ei» war flüssig geworden. (Oalonila Onurior.) — Gegenseitige Begrüßungen der Beduinen. Die Bc- dninc» begrüße» einander aus sehr verschiedene Weise: wenn zwei Freunde jusammknlrcssc», so küssen sie sich sechs oder acht Mal aus Wange oder Schuller; dann schüttelt imd küßt Jeder dic Hand des Andere» und sagt ihm wobl ein Dutzend HöslichkcilS-Phrasen. Blntsvcrwandlc grüßen einander so, daß sic Nase an Nase stoßen und ibrc» gegenseitigen Aihcm mit einem scimarchcndcn Laute einziebc» Zwei Individuen von ver schiedenem Geschlecht, die eben nur Bekannte sind, küsse» einander dic Hand oder die Schuller. Wenn ei» Weib dcm Häuplling de» Stamme» begegnet, so küßt sic seine Knie, und cr gicbt ihr dc» Gruß aus dic Stirn zurück. Ebe» so grüße» alle Männer die Kinder. (g. ä.) «) Pgt. unter Anderem Nr. 1!4 de» Magachis v I. IW. Bestellungen auf dcn ncucn Jahrgang dieses Blattes wer de» zeitig erbeketi, damit dir Auflage danach eingerichtet werden kann. Herattsgegeben von der Rcdaclion der Allg. Preuß. SlaalS-Zeiumg. Gedruckt bei A. W. Havn.