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588 »sch i« einem marmornen Kiosk oder Sommerhause nieder, das noch von Fruchlbäumen beschattet wird und eine Aussicht nach einer Gegeud gewährt, die selbst in ihren Ruinen noch prachtvoll ist. Mein Brzteiter war ein Recht-gelehrter, ganz ernst und trocken, obgleich ein -Franzose. „Was für eine Lehre", sagte ich zu ihm, „für den ungezü- zAkn Stolz! Die Türken waren «S, die sich noch in den letzten Zeilen i« Algier nicht nur durch die Pracht und den Farbenglanz ihres An. 4»gr«, sondern ganz besonders durch ihr unverschämtes herrschsuchtigeS Beiwagen vor allen klebrigen auSzeichneten, indem jeder Andere, der rchnrn etwa auf der Straße begegnete, genöthigt war, so lauge zu war ben, dis sie vorüber waren. Die Türken drangen selbst in die Garten -Ler Eimzebornen nach Willkür ein und zehrten daselbst ungestraft alle ihre Fruchte auf; gegenwärtig sind sie selbst im Exil und hängen von Ser Gnade Anderer ab." „„Ja"", erwiederle hierauf mein ernster Begleiter, „„es gab viele unverschämte Gesellen unter den Janitscharen, -und manche unter ihnen waren sogar arge Trunkenbolde, die sich die -skandalösesten Exzesse erlaubten."" Jndeß waren sie denn doch nicht alle von einem Schlage, und ibre Verbannung war nur die Folge einer Verschwörung, die von den Franzose» nicht einmal genau ermittelt worden ist. Di« Coluglis, eher die zu Algier geborenen Nachkommen der Tür- Ten, sind jetzt fast ganz mit der Maurische» Bevölkerung verschmolzen. Aber woran sind die Mauren vor den übrigen Bewohnern von Algier nud der Regentschaft zu erkenne»? Cs hält nicht schwer, sie von de» Negern, Juden, Arabern und Kabvle» zu unterscheiden, sowohl durch ähr« Turbane und ihren schönere» Anzug, als durch ihre Gestalt und Physiognomie. Sie haben, besonders in Vergleichung mit den Juden und Arabern, eine schönere Gesichtsbildung und rundere Formen, und sind auch im Allgemeinen mehr korpulent. Ihre Augen habe», anstatt S<eS gemischten Feuers und der Düsterkeit des Arabischen Geschlecht«, -einen ruhigen und fast indolenten Ausdruck, und ihre Sitten sind freundlich und würdevoll, während die Araber fast noch mehr als die Franzosen zu gestiknlircn pflegen. Im Kostüme unterscheiden sie sich «ichl von den Türke»; dasselbe besteht aus einem Turban, einem Hemde, rn^eheuer weiten Pluderhose», ei»er Jacke vo» farbigem Tuche, da« mehr oder weniger brodirt ist, endlich aus einem weile» weißen Ueber- wurf-Mantel und Pantoffeln. Einige vo» ihnen tragen, wie man mir erzählte, während dcS WiitterS Strumpfe. Was aber die Maurischen Dame» betrifft: wie sollte ich wohl ähren Anzug zu beschreiben wage», da ich dieselbe», mit Aus»ahme zweier oder dreier öffentliche» Tänzerinnen, nie ander« al« in Gemälden gesehen ? Die gemeineren Maurischen Frauen sind freilich in den dunklen Straßen zu Fuße anzutreffen, wo sie so verschleiert und gespensterhasl erscheinen, wie ich bereit« in einem frühere» Briefe erwähnt. Zuweilen begegnet man ihnen auch wohl auf den Landstraße», aber hier findet rnan sie immer nur zu Pferde, uud zwar auf eiuem so verdeckte» Sitze, daß ma» nur den Sitz et ziraotorea niliil zu sehen bekömmt. Da ich begierig war, eine Mauri» in ihrer Behausung zu beobachte», so bat ich einen Fraiizösischcii Arzt, mich bei einer vornehmen Mau rische» Dame al« einen Englischen Doktor einzuführcn, mit dem er sich wegen de« Zustandes seiner Patientin beralben wollte. Unter die sem Vorwande gelangte ich auch wirklich über die Schwelle des Hause«, durch die Bedienten-Stube, und stieg mit aller der Doktorwürde, die ich im Acußere» zu affektiren wußte, bereit« die Treppen hinauf, al« . eine schwarze Dienerin mich mit den Morte» znrücklnclt: „fflassieu, «n ne von« altenri z,as." So ward ich denn genöthigt, wieder um- znkehren und mich durch einen laugen Saal zu verfügen, der mit laut auflachenben Negern besitzt war. Am nächsten Tage erhielt ich von einer Englischen Dame zu Algier ei» artige« Geschenk, da« ich ihr durch -meinen neugierigen Wunsch, den Anzug einer vornehmen Mauri» zu sehe», entlockt halte. Meine schöne Landsmännin hat zwei Puppe» ganz i» de» gewöhnlichen Staat der achtbaren Maurinnen geworfen. Die beiden Figuren unterscheiden sich von einander nnr durch die Farbe der Seide. Der Anzug belicht an« einem feinen leinenen Hemde, da« >an der Brust mit Seide brodirt ist; das Kopfhaar ist vermittelst eine« dlauseidcnen Bande« an dem Nacken zusammcngcbunden; eine reich mit Seide besetzte Sammetjacke bedeckt die Arme und die Schulter» bi« zur Taille herab, uud hat aii de» Ellbogen eine lange seidene Krause, die di« zu de» Fingerspitze» hwabrcicht, die aber, wie ich glaube, meist aufgeschürzt wird, um den Arm und die Handgelenke hcrvorblicken zu lassen. Von der Taille gehen seidenbrodirte Pantalon«, aber bloß bi« -hi« dem Knie hinunter, und über denselben hängt von den Schultern oi« zu den Knöcheln ei» mit Seide besetzte« langes Kleid, ganz in der Art wie e« die Europäerinnen tragen, herab; die Beine aber blei ben vom Knie bi« zum Knöchel hinab ganz unbedeckt; nehme» wir end lich noch Merino-Pantoffeln, cinen Schleier, einen Shawl, Ohrringe und eine Halskrause hinzu, so habe» wir das Kostüm einer Mauri» "fertig, das sich wenig von dem einer Europäerin iinlerscheidet, nur daß Pie Strümpfe bei der Ersteren ganz fehlen. Ich kann hier nicht umhin, eines kleinen Spaße« zu erwähne», den mir meine eben erwähnten Puppen veranlaßt haben, und der mich zugleich an eine Anekdote erinnert, die mir der bekannte Schottische KechtSgelehrte John Clerk erzählt Hal. Derselbe war ein großer Lieb haber der Bildhauer-Arbeit und pflegte zu seiner Erbolung seine Muße- simrde» damit binzubringen, daß er in Stuckatur modellirle. Sei» Schreiber war ein ungebildeter Man», ohne Sinn für die Kunst, und da er demnächst die Erholungsweise seines Herrn für etwa« rein Kin dische« Hielt, so sagte er eine« Tage« mit Emphase zu ihm: „Eh, Mister Eterk, ich bin höchlich darüber erstaun«, daß ein Mann Ihre« Stande« Lie Zeit mit solche» Stuckatur-Männerchen vergeuden kann!" I» gleicher Weise äußerte sich mein Jtaliänischer Jokeh Jachimo, al« er die beiden anget-genen Puppen aus meinem Tische sah; er hob sie aus und brummte sich dabei die gegen mich gerichteten Worte in den Barl, daß ich, nachdem ich neulich Blumen gesammelt, wie ei» bawbinu (Kind), nunmehr gar mit Puppen spiele, wie ein kanciullo (Knabe). Da« Spaßhafte der ganzen Sache verhinderte mich, über die Unver schämtheit meines Bedienten aufgebracht zu werden. Wa« die Eigenschaften und Sitten der Maurischen Damen betrifft, so sind sie, nach dem, was ich von ihnen erfahre, gerade da«, was sich von ihrer beschränkte» Erziehung erwarten läßt, — so alber» wie Kin der in ihrer Unlerhallimg; — ihre Negerinnen schwatzen und kicher» mit ihnen, ganz wie mit ihre« Gleichen, und der erhabenste Gegenstand ihrer Unterhaltung betrifft etwa die verschiedenen Shruparte» und Ko» fekte; endlich aber,, wa« mich am meiste» in Erstaunen setzt, ist, dali sie gar nicht so schön sehn sollen, al« ich sie mir vorgesiellt. Was in- deß den letzteren Punkt betrifft, so glaube ich, daß mein Berichterstat ter zufällig mir einige häßliche Maurinnen zu sehen bekommen ha ben mag. Da wir mm gerade von oem schöne» Geschlecht rede», so können wir nicht umhin, die allgemein verbreitete Ansicht zu erwähnen, daß die Muselmänner demselben die Seelen ganz absprecht». Diese Behaup tung ist keiueStvtge« wahr. Ein Maurischer Marabut, oder Heiliger, de» ich wegen der Sache befragte, versicherte mir, daß der Koran nicht riiie Silbe von einer solchen Lehre enthielte. „Wenn da« der Fall ist", sagte ich zu ihm, „warum gebt Ihr denn nicht zu, daß bei Such die junge» Frauen ebenfalls die Moscheen besuchen?" „„Weil"", erwie- derte er hierauf, „„der Schutzengel der Moschee i» den Herze» ter Männer einmal eine unreine menschliche Begierde entdecken könnte, die de», heiligen Ort entweihen würde."" „Diese Gefahr", versetzte ich, „wäre leicht dadurch zu beseitigen, daß man die Männer und die Frauen je zu verschiedenen Zeilen zum Gebet riefe." Diese Bemerkung machte ihn stutzig, und Alle«, wa« er mir hierauf entgegnen konnte, war, daß e« schwierig seh, einmal eingeführte Gebräuche abzuLndern. Indessen glaube ich dem Marabut gern, daß der Koran nicht eine Stelle ent halte, die den Frauen die Seele streitig machte. (Schluß folgt.) Mannigfaltiges. — Englische« Schulwesen. Gleich beim ersten Blicke auf die Beschäftigung unserer Jugend'in den öffentlichen Schulen muß uns das sonderbare, um nicht zu sagen, absurde Verhältniß aufsallen, daß die jungen Leute während eine« Zeitraum« vo» acht bis zehn Jahre» von Morgen bis Abend genöthigt werden, fast nichts als die Sprache», die Sitte», die Geographie und die Antiquitäten von Rom und Athen sich cinzuprägen — von Staaten, die bereit« längst lmtergegangcn sind und die nur eine äußerst entfernte Achnlichkeit mit dem politische» und socialen Zustande unserer modernen Welt habe». Al« dieses System nach dem Wiederaufleben der Wissenschaften zuerst in unsere Schulen und Kolltgic» emgcführt wurde, da hat e« wohl seüien eige»' thümlichcn Nutzen gehabt und beruhte auf dem Prinzip der Nolh- wendigkeit. Der Zugang zu allen höheren Kenntttiffen, alle wisse» schaftliche Abhandlungen und fast alles Elegante au« dem Gebiete der politischen Literatur und der Poesie waren damals auf die Sprache der Griechen und Römer beschränkt, während aller Verkehr unter den Ge lehrten und Diplomaten lediglich in Lateinischer Sprache., al« ter ein zige» universellen, unterhalten wurde. Demnach bildeten auch diese beiden gefeierten Sprache» die unerläßliche Grundlage, den notbwendigeii Bestandtheil und die Bedingung aller gelehrten und praktischen Bil dung. Aber gegenwärtig hat die Lateinische Sprache fast so ganz aus gehört, da« Medium der wissenschaftlichen und diplomatischen Milthei- lungen zu sepn, daß selbst unter Gelehrten verschiedene»» Nationen selten eine ausschließliche Korrespondenz darin geführt wird. Die wahren Grundlagen der Nützlichkeit und der Nothwendigkeit, auf die da« Svsiem ursprünglich sich stützte, sind dem»ach verschwunden, und mit ihnen sollte billiger Weise auch da« Svstem selber au« »nseren Schulen ver schwinden, oder zum welligsten eine angemessene Modifikation erleide». (örilisli onst b'orelKn kovlecv.) — Die Indische» Tänzerinnen. E« sind keine schöner und edler geformte West» denkbar, al« diese verachteten Geschöpfe. Sie ha ben zu allen Festmahlen Zutritt, selbst die der Europäer mit einbegriffen, welche den weibliche» Theil der Gesellschaft durch solche Schauspiele er götze». So oft dieNahlschc« (so »e»nt ma» diese Tänzerinnen) vor einem anständigen Publikum tanzen, ist auch jede ihrer Gcberden, jede ihrer Stellungeii züchtig und edel. Die ungekünstelte Anmuth der Be wegungen und Attitüden dieser bedauernswürdige» Geschöpfe hat oft ibre« gleiche» nicht. Fast der ganze Zauber der Indischen Tanze be steht eben in den eleganten Attitüde» der Tanzenden. Man sieht keine Ballet-Sprünge, keine kühne Pirouette», keine schmerzliche Anspannung der Muskel» oder Verdrehung der Glieder; keine unnatürliche Win dungen und Krümmungen. Die Indische Tänzerin schwebt den Zu schauer» anmuthsvoll entgegen, wobei ihre Arme und die niedliche» Füßchen im Unisono sich bewegen. Diese sind zwar nicht weiß, wie Schnee, aber zephyrlricht, und gleiten durch alle Evolutionen einer Tanz figur, ohne die geringste gewaltsame Anstrengung. Zuweilen schwingt sie sich rasch herum, wo dann die losen Falten ihres dünnen Röckchen« sich auSglätten und die schwere scidciie Borte, mit der e« geschmückt ist, im Kreise um sie her wallt, so daß die schönen Umrisse ihrer eben so sittsam al« geschmackvoll bekleideten Gestalt einen Augenblick zum Vorschein kommen Das künstlerische Talent dieser Indischen Schönen könnte, der Beschreibung nach, bloß negativ erscheinen; seine Wirkun gen auf dir Zuschauer find aber deffemmgeachtet so positiv, daß jeder Zuschauer sich de« künsilerischen Genüsse« lebhaft bewußt wird. (^. ff.» HerauSzezeben vcn der Redaction der Allg. Preuß. Staats-Zeitung. Gedruckt bei A. W, Havn,