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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration», Preis 22^ S«r. (j THIrN »ierteljährlich, ! Thlr. für da» ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der PreuSlschen Monarchie. Magazin für die Man prinumerirt auf dieses Beiblatt der -Ug. Pr. Staal«, Zeitung in Berlin in der Expedition (Mohren - Strafte Ro. ?4); in der Provinz so wie im AuSlande bei den Wohllödl. Post - Semtern. Literatur des Auslandes. 147. Berlin, Mittwoch den 9. Dezember 1835. Nord-Amerika. Ein dramatischer Entwurf Lord Byron'ö. Bon Washington Irving.") Die Lesewelt möchte wohl jetzt im Besitz säst jedes Stückchens Don Lord Byron s Dichtungen und Gesängen seyn. Es dürfte ihr daher vielleicht Vergnügen machen, auch von einem noch unbekannten dramatischen Gedicht etwas zu erfahren, welches er zwar nicht ausge- arbeitet, aber doch entworfen — und hier ist die Geschichte desselben. Der Held, den wir Alfonso nennen wollen, ist ein Spanischer Edelmann, der so eben im Beginn seiner Laufbahn steht. Seine Leiden schaften, von früher Jugend an ungezügelt und durch Nachgiebigkeit ge mährt, werden nun ganz stürmisch'und unlenksam, und er folgt ihrem Drange mit wilder Sorglosigkeit, unbekümmert um die Folgen. Bald nach seinem Eintritt in die Welt findet er sich hi» und wieder auf öffentlichen Plätzen von einer verkappten und vermummten Person verfolgt, deren Antlitz und Gestalt unter ihrer Hülle nicht zu erkennen sind. Anfangs achtet er nur wenig darauf, indem er den Fremden für einen geckenhaften unverschämten Müßiggänger hält. Nach und nach aber wird ihm die wiederholte Zudringlichkeit dieses stillen beobachtenden Verfolgers sehr zuwider. Das Geheimniß, in wel ches derselbe gehüllt ist, macht ihm überdies seine Erscheinung noch lästiger. Alfonso kann nichts an ihm finden, was auf irgend einen seiner Bekannten paßte; sein Name, seine Heimach, sein Aufenthaltsort, Alles ist unbekannt, und über die Beweggründe zu seinem seltsamen Spürcrwesen läßt sich auch nicht die entfernteste Muthmaßung auf- sinden. Es geht allmälig so weil, daß er völlig Alfonsos Schallen, dessen zweites Selbst wird. Nicht nur entgeht keine Privathandlung de« Letzteren dem Forscherauge dieses dienstfertigen Wächters, sondern such seine geheimsten Gedanken scheine» ihm bekannt. Spricht er von ihm, so steht er an seiner Seite; denkt er an ihn, so fühlt er seine Gegenwart, wenn auch unsichtbar, ihm die Brust beengen wie eine schwere unheimliche Luft; kurz, wachend und schlafend hat Alfonso ihn vor Auge» und Siu». Aus jedem Schritt kömmt er ihm in den Weg; gleich dem Bösen im Faust, drängt er sich in seine Einsamkeit. Er folgt ihm auf der volkreichen Straße und im glänzende» Salon; er durchkreuzt seine Pläne und verdirbt ihm alle Liebcohändel und alle Entwürfe seines Ehrgeizes. Wen» im wirbligen Taumel des Tanzes Alfonso seiner Schönen Honigworie der Verführung zuflüstert, sicht ec den Fremden wie einen Schatten vorüberstrcisen — eine Stimme tont ihm »iS Ohr, die wie die Stimme seines eigenen Innern klingt — die verführenden Worte ersterben ihm auf den Lippen — er hört die Tanz musik nicht mehr. Der Held des Drama's versinkt in ei» dumpfes düsteres Brüten. Jugend, Gesundheit, Kraft, Reichthum, Alles, was sein Leben zu wür zen versprach, hat den Reiz, für ihn verloren. Der süßeste Becher der Freude verwandelt sich ihm in Gift; sein Dascyn ist ihm zur Last. Um seine Verzweiflung noch zu steigern, muß er auch an der Treue der Ge liebten irre werde» und de» Unbekannten im Verdacht habe», daß ec ihn ans ihrem schwachen Herzen verdrängt und sich an seiner Stelle eingenistcl hat. Alfonso dürstet nun nach nichts als Rache, aber der geheimniß volle Fremde weiß seinen Verfolgungen geschickt zu entgehen,Und seine Abgesandten bemühen sich vergebens, dessen Schlupfwinkel zu entdecke». Endlich gelingt es ihm, dem Gegner aus die Spur zu komme»; er folgt ihm nach der Wohnung seiner Geliebten, fällt ihn mit der Wuth wahn sinniger Eifersucht an, wirft ihm sei» Unrecht vor und fordert Genug- thnung. Sie fechten; sein Nebenbuhler vertheidigt sich kaum; beim ersten Ausfall sitzt ihm Alfonso s Degen in der Brüst, nnd sinkend rust «r: „Bist Du nun befriedigt?" Kappe und Mantel des Unbekannten fallen ab, und Alfonso ent deckt in ihm sein eigenes Ebenbild, — das Gespenst seiner selbst; — er stirbt vor Entsetzen. Das Gespenst ist eine allegorische Gestalt, die Personifizirung des Gewissens oder der Leidenschaften. Dies war der allgemeine Plan eines Gedichts, mit welchem Lord Byron vor mehreren Jahren umging, und den er im Gespräch dem Capitain Medwin mittheilte, von dem ich ihn ungesähr so, wie ich ihn eben dargestellt, habe erzählen hören. Die Idee dazu war einem Spa- *) Mitgetheil« in einem unter dem Titel „PK- Kitt -t-., Weihna-btS- und Neuiabrs-Gesthenk" von Miß LeSlie in Philadelphia herausgezedenen Alma nach für lSZ6- nischen Stuck, Lmboraflo oder Lncapotaflc» betitelt, welches «inen Vermummten oder Verkleidete» bedeutet, entnommc» und dem Lord von Shelley geliefert worden, da Byron selbst nicht Spanisch ver stand. Obiger Entwurf ist freilich noch sehr unreif und unbestimmt, es wäre aber ohne Zweifel bei der Verarbeitung noch manche Abände rung daran vorgenommen worden. Lord Byron wollte das Stück ganz in Goethe s Geist behandeln, wie dieser sich in dessen wilder und wun derbarer Trvgödie „Faust" offenbart, und er versprach sich eine außer ordentliche Wirkung davon. Er hatte auch in diesem Stoff Spielraum genug für das Mystische, Misanthropische, Metaphysische und Roman tische gefunden, woran er so großes Vergnügen fand, und es würde sich ihm dabei zugleich eine Gelegenheit dargeboten haben, so Manches von seinen eigenen Gefühlen und Erfahrungen einzuweben. Inwiefern der Plan, den er im Kopf hatte, mit dem Sxanischetr Original übercinstimmle, habe ich nicht ermitteln können. Das letztere sollte von Ealdcron seyn; cs findet sich aber in keiner der mir zu Ge sicht gekommenen Ausgaben von den Werke» dieses Dichters ein solches Stück. Ich stellte, da meine Nengier nun einmal erweckt war, sorg, fällige Nachforschungen an, als ich mich in Spanien aushielt, ob ich das besagte Drama nicht ausfindig machen könnte, aber cs war weder in den ößkentlichm Bibliotheken, noch in Prival-Sammlungen anzutreffcn; auch die Buchhändler konnten mir keinen Aufschluß darüber geben. Einige der gelehrtesten und unermüdlichsten Sammler Spanischer Lite ratur sagten mir zwar, daß ein Stück der Art, der Vermummte von Cordova genannt, irgendwo vorhanden seh; sie batten es aber selbst nie gesehen. Die vorliegende Skizze dieses dramatischen Entwurfs kann viel leicht in der Folge noch einem Dichter aus Byron's Schule ein reiches Thema zur Bearbeitung liefern. England. Sccnm der Englischen Küste. (Schluß.) Um diese Zeit batte der ganze Hanse dcn Lieutenant umlagert, und Jeder äußerte frei seine Meinung; den meiste» Lärm aber machte» die Frauen. „Das ist Recht, George, hallet Euer Boot fest", rief eine Stimme; „laßt ihn das Königliche Boot nehmen", rief eine zweite. Man sah deutlich, daß die ganze Versammlung zum Hülfcleiste» keine» Beruf fühlte. Dies schrieb sich von ihrem Neide auf die Küstenwäch ter her; denn die Fischer hätten das Wrak von Herzen gern geplündert. Thoruville ärgerte sich über ihre Fühllosigkeit, konnte aber darum in seinem Entschlusse nicht wankend gemacht werden. Eben stand er im Begriff, das größte seiner eigene» Boote durch das mitgebrachie ' Fuhrwerk herbeischaffen zu lassen, als Jam Patterson, ein anderer Fischer, der gegen den Lieutenant große Verbindlichkeiten batte, hervorrrat und sprach: „Wenn Sie mir dafür einstehc» wolle», Capital», daß ich für jeden Schaden, dcn mein Boot nehmen könnte, eine Bergütiqung be komme, so nehme» Sic es hi» — es ist gleich hier in der Nähe. Aber — nichts für ungut, Capitain — das Unternehme» ist doch eine Ra serei. Bei solchem Winde, solchen Wellen und solcher Brandung kommt kein Mensch lebendig davon." „„Dank, Patterson, Dank!"" rief Thornville imd befahl seine» Leuten, gleich das Boot zu holen. In weniger als einer halben Stunde hörte das Schneien auf, der Himmel wurde heiter, nnd ein Heller Schein aus Osten beleuchtete mit einem Male die ganze grausenerregende Scene. Auf den vorhinerwahn- ten Felsen lag das Wrak eines schönen Schiffes: der Haupt- und Be sanmast waren stimmt dem Bugspriet hcruntergeschlagen und schwam men, von dem Tauwerk noch sestgehaltcn, an der Seite; die übrigge- bliebenen Segel flatterten zerfetzt im Winde; die Taue hingen straff am Vordcrmast herunter, an welchen Einige von der Mannschaft sich fest- geklammert hatten. So ost eine neue Wogenmaffc kam und das Schiff überfluihctc, drohte den Unglücklichen Vernichtung. Thornville freute sich, als er die Karre, mit dem Fischerboote dar auf, endlich den Hügel herabkommen sah. In kurzer Zeit war das Boot in die Nähe der Brandung gestellt und zum Abstöße» fertig. Thornville hatte jede Bewegung des Schiffes beobachtet und mit leb haftem Schmerz einen Unglücklichen um den Anderen in das Meer stür zen sehen. Nur Drei waren noch übrig, von denen Zwei im Takelwerk steckten und der Dritte an einem Tau an der Windseite hing, das «u- aufhörlich mit ihm hin und herschwankte, Thornville warf sei» Oberkleid ab, sprang in das Boot und rief seinen Leuten, ihm zu folgen. Bier von ihnen gehorchten auf der Stelle