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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PränumeratlcnS- PreiS 22^ Sgr. Thtr.» vierteljSdrlich, 3 Thtr. für »a» ganze Jade, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preuiischen Monarchie. M a g a z i n für die Mau prinumerlrt aus diese- Beiblatt der Mq. Pr. Staatt- Zcitung in Berlin in de« Expedition «Mohren-Straße No. 34); in der Provinz so wie im AuSlande bei de» Wohliöbl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. 119 Berlin, Montag den 5. Oktober I83L. Afrika. Die Inseln deö Grünen Vorgebirges. I. BonaMa. — Diebe von alten Seiten — Der Portuaiestsche Gouverneur. — Sklaven und Lumpe. Den 1V. Dezember 1834 strandete das Schiff „Sir Thomas Munro", dessen Bestimmung nach Shdncv lautete, bei der Insel Bonavista. Um 8 Uhr des Abends verliefen wir das Wrack, und ot> von uns mußten die ganze Nacht in dem Long-Boote zubringen, welches unter der Last '"seiner Equipage so tief ins Wasser sank, daß wir bei nur etwas stärke rem Winde übecfluthet worden waren. Am nächsten Morgen steuerten wir aus Befehl des Eapuains längs der Küste hin und kamen nach einigen Stunden, die mau besser balle anwendcn tonnen, an die alte Steile zurück. Zwei Bole, jedes mit vier halbnackten Männern besetzt, ruderten uns von der Küste entgegen. Mit ihrer Hülse gelangten wir endlich sicher an'S Land. Wir halten in dein Long-Boole über achlzebn Slnnden zugebrachl und dabei cnlsetzlich gedrängt gesessen. Die Por- lugiestschen Bewohner der Insel sind berüchtigte Diebe, und bald legten sie üns von ihrem Talent eine 'Probe ab; denn sie stahlen eine gute -Halste der wenigen Ariikrl, die wir zu reuen versuchten, und zwar noch ehe wir fünf volle Minuten am Lande waren. Es war unmöglich, Etwas frei hinzulcgen, ohne daß es wegstibitzt wurde, und der Dieb war dann mit Blitzesschnelle hinter den Sandhügcln verschwunden. Als wir landeten, befanden sich etwa sechzig der Eingcborncn am Strande, von denen di« meisten uns Melonen anboteu, da« Einzige, was sie zu vergeben batte». Diese Leute sind ein hochstämmiger Menschenschlag, sowohl Männer als Frauen; bei weitem die Meisten der Letzteren maßen fünf Fuß und acht di« neun Doll, Biele sogar noch darüber (?). Es war belustigend, zu sehen, mit welcher großen Nonchalance die Männer in ihren dürftigen Hemden herumgingcn, die ihre» Zweck sehr schlecht erfüllten. Nur Wenige waren anständig gekleidet. Die Weiber -tragen keine Schnürbrüste, noch irgend etwa« Anderes, wa« ihren nalür- lichen Wuchs zurückdrängen könnte. Ihr gewöhnlicher Anzug besteht au« einem weißen Hemde, da« vermittelst einer Schleife über Len Busen befestigt ist; nur um die Hüfte» schlagen sie noch eine Art langer Schärpe; wollen sie recht schön ausscben, so hängen sie noch eine zweite Schärpe über die linke Schuller und befestigen sie an der rechten Hüfte. Sie sind sehr wohlgewachsen und haben einen eben so leichten al« sichern Gang. Auf dem Kopfe tragen sie ein Tuch, das so geschmackvoll wie ein Turban gewunden ist; aber Schuhe und Strümpfe'fehlen ganz, ausgenommen bei den Freigcborncn, deren cs hier sehr wenige g'iebi; denn Sklaven müssen jederzeit baarsuß geben. Ihr Weißzeug fänden wie immer reinlich; dessenungeachtet bleiben sie von einer gewissen Art Ungeziefer nicht verschont. Es war sehr crbauljch, zu sehe», wie sie einander gegenseitig davon befreiten. Einige von der Gesellschaft, die mit Eseln versorgt wurden, begaben sich nach Leni etwa 7 Meilen entfernten Old Town; ich für meinen Theil kehrte an Bord des Wracks zurück, iu der Hoffnung, einige mei ner KlciduiigSstückc zu rette». Ich mußte zu diesem Zweck fünf Fuß tief nnlcr Wasser, aber mein Nachsuche» blieb ohne Erfolg; den» noch vor unserer Ankunft hatten die Eingebornen alle Koffer theils erbrochen, theilS foNgcschleppt. Unter meinem Bette lagen ein Fußsack und ein Schrribcpnlt, welche die Plünderer übersehe» halte»; ich trug diese Stücke aus« Verdeck, um sic mit a»'S Land zu ncbmcn, und legte sie im Gange nieder, weil ich sie hier sicher glaubte; aber schon nach wenigen Minuten vermißte ich sic und halte bald die Freude, zwei schwarze Kerle mit diesem Rest meiner Habe sorlrudern zu sehen. Einem Drillcn behagle der Hut eines unserer Matrosen; er »ahm ihm den Hut vom Kopse und sprang über Bord; aber Jack war nicht um so leichten Kaus zu überlisten; er zog sein Messer, sprang dem schwarzen Gentleman »ach und jagte ibm die-Beute wieder ad. Einem Passagier, der die Nacht über auf dem Strande- schlics, wurde nicht bloß das Tuch, womit er sich zukeckle, sonder» auch Las, worauf er lag, wegstibitzl. Als ich wieder am llfcr war, machte ich mich mit einigen Audcren -ebenfalls auf den Weg nach Old Town. Wir mußten immer durch Sand waten, eine arge Zumutbimg für Leute, die in 24 Stunden so gut als Nichts gegessen hatten. Ei» Portugiesischer Zoll-Beamter, der uns begleitete, sagte, wir gingen durch den fruchtbarsten Theil der Insel. Am nächsten Tage nahm ich Gelegenheit, diesen sogcnanntcii fruchtbarsten Theil zu nntersuchen, und sand ctwa vier Morgen Landes, von denen zwei mit Indianischcm Kor» besäct waren, dessen Halme in sehr respektabler gegenseitiger Entfernung standen; die übrigen zwei Felder cnthiellen Wassermelone», d. h. auf jc 20 Ouadrar-Ellc» BvdcuS wuchs eine derselbe». Ucbsrbaupt kann cs schwerlich ein unfruchtbareres Land geben, als die Insel Bonavista, die auch ihren Name» (schöne Aussicht) mit großem Unrecht führt; denn wohin man auch blicke» mag, hat das Auge nur einen Ocean von Sand vor sich, der hin und wieder durch kleine Oasen unterbrochen wird, aus denen armselige Zie ge» ihr Dasch» fristen. Ob diese sandige Aussicht dem Auge schädlich, kann ich nicht sagen; so viel ist aber gewiß, daß ich verhaltnißmäßiz an keinem Orte der Welt so viele Blinde gesehen habe. Selbst die Gemahlin des Statthalters und eine ihrer Töchter waren einäugig. Als wir an jenem Abend in Old Town emkamen, wußten wir recht eigentlich nicht, wo wir unser Haupt Pinlegcn sollten. Unser Doktor paradirle, mit Pistole», Messer und Karabiner bewaffnet, vor einem. Hause auf und nieder; angeblich, um die Frau de« CapitainS zu be schützen, obgleich es nicht das Ansehen halte, als wollte ihr Icmand beschwerlich fallen. Unsere Frauenzimmer mußten überhaupt sehr einge- schüchlcrt sehn; denn während ich mich nach einem Bette umsah, kam ein Schiffer Kadett mit einem Pallasch in der Hand und bat mich, mit zwcie» unserer Damen in demsclbcu Himmer zu schlafen, weil sie ohne männlichen Schutz allzu schr sich abängstige» würde». Ich war unter jeder Bedingung froh, ein Belt zu bekommen, legte, als ich bei den Dame» eingekehrt war, meinen Pallasch unter da« Hauptkisscn und schlief, obschon mit hungrigem Magen, ganz fest ein. Plötzlich erweckte mich eine Hand, die mir'langsam über das Gesicht fuhr; alles Haar sträubte sich mir empor, und' ich zog sogleich meinen Pallasch. Es schien mir, als wollte die ominöse Hand mit meiner Gurgel Bekannt schaft machen; ich lhat einen verzweiflung-vollen Stoß nach dem un sichtbaren Unhold, und alsbald ertönte ein entsetzlich gellender Schrei. Mein Angreifer war ein großer Affe gewesen, de» e« nach meinem Pal lasch gelüstet hatte. Das Thier war jedoch mehr erschreckt, als verwun det; und schon am nächsten Morgen sah ich es im Besitz meiner Jacke, in deren Acrmel e« seine Beine gesteckt Halle. Es schien sich aus diese ncumodischeii Hoscn nicht wenig einzubilden. Nach dem Frühstück — dem besten, da« wir bekomme» konnten, es bestand aus Zwieback und Kaffee mit Svrup — machte ich mich auf, um den Ort in Augenschein zu nehmen. Er liegt auf einer Anhöhe ani Fuße eines Berges und zählt gegen dreißig elende Häuscr. Keine Art von Kaufmannsladen ist hier zu scheu; da« cinzige hübsche Gebäude ist eine kleine Kapelle, die etwa« böbcr aus dem Berge steht. Die ganze Insel hat übrigen« nur drei Kapellen und einen Priester, wel cher Herr nur dann um seine Beichtkinder sich bckümmcrt, wenn sie ihn zu sich rufen lassen. Die Kinder läßt man hier bi« inS sechste oder siebente Iabr nackt umherlaufen; auch werden sie als Säuglinge nicht gewickelt, wie bei uns, daher habe» sie misörmlich dicke Bäuche,-die jedoch mit cintreten- der Mannbarkeit verschwinden. Kleine Kinder werden nicht auf dem Arn, getragen, sondern rittlings aus dcc Hüfte, wodurch ihre Glieder freies Spiel erhalten. An Heiralbs - Eercmonicn wird hier kaum ge dacht; ei» weibliches Wesen, das noch nicht versprochen ist, geht un- bcdenklich zu dem Mamie, dcr ihr eine Versorgung anbictkt, und lebt al« Frau mit ibm; trotz dieses scheinbar laren Verhältnisses hat man nur wenige Beispiele von weiblicher Untreue. Fast jedes erwachsene Frauenzimmer — scy sie nun ledig oder verhciraibel — ist bicr Mutter, und da von hundert Personen der Insel gewiß neunundneunzig als Sklaven dienen, so kann dieser Trieb zur Fortpflanzung ihren Herren nur angenehm sevn. Bonavista bat ungefähr zweitausend Einwohner, welche geringe Bevölkerung die Insel, trotz ihrer bcdenlenden Ausdehnung, kaum ernäh ren kann. Indianisches Korn und Wassermelonen sind die vornehmste,! NahrüngSmittel; man verspeist das erstere geröstet und zieht auch eine Art Kaffee daraus; nur wenige sind. vergleichungsweise so bcgülcrt, Laß sie Ziegenfleisch essen können. Auch Neis hat man zuweilen, und dann und wann werde» Kartoffel» au« Amerika gebracht. Die Milch ihrer Ziegen erhält wegen dcr großcn Hitze schon nach wenige» Stunde» ciucn saucrn Geschmack, und der Käse, den sie daraus bereite», ist so zäh wie Leder. Auch ihr gebackenes Brod schmeckt sauer und unange nehm. Obschon die meisten Bewohner Sklave» sind, so scheinen sic doch ei» gemächliches Leben zu führen, und oft bcbaudcln sic ihre Her ren mit einer Familiarität, die man kaum einem Englischen Domestikcn verstatte» würde. Sie sind derselbe wollhaarige Menschenschlag, de» man ans der gegenüberliegenden Afrikanische» Küste trifft, und ihre Sprache ist ein Portugiesisches PatoiS, das dem rein Portugiesische» noch weniger gleicht, als der Dialekt von Yorkshire dem reiiien Englis h. Es sind Leute von lebendigem Geiste, und wir staunten oft, wie leicht sie unser« Wörter und Phrasen merkte». Wa« sie cinmal wußten, vcr-