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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumerations- Preis 22, Tgr. Tdtr.t mert.ijädrlich, Z Tdlr. sür da» ganze Jahr, ohne Er. Höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumerirt auf diese» Beiblatt der Allz. Pr. Staaw- Zeitung in Berlin in der Expedition Mohren-Straß« No. Z4>; in der Provinz s» wie im LuSIande bei den Wohllöbl. Post- Acmtern. Literatur des Auslandes. 124 Berlin, Freitag den 16. Oktober 1835. En gland. Lord Baco von Verulam. Im gcmkinen Leben spricht man wohl gern von großen Männern und Wren Werken, ebne sich erst Rechenschaft darüber zu geben, wes halb sie denn eigentlich berühmt geworden sind. Diese Art von unwis sender Bewunderung zollt da« große Publikum besonders Männern, wie Baco, Leibnitz und Newton, deren Werke eben nicht zur Unter haltungs-Lektüre sich eignen, sondern die geübteste Denkkrasl, ja, wir möchten sagen, einen mitschaffcndcn Geist erfordern, um gehörig verstan den zu werden. ES ist daher ein rühmliches Unternehmen, wenn man das Veständniß der unsterblichen Leistungen solcher Riesengcister durch eine geistreich populaire Darstellung ihres Lebens und Strebens zu er leichtern oder vorzuberciten sucht, wie es der Verfasser eines so eben in London erschienenen Werkes, Herr Thoma» Martin,") gcthan hat, der «ns zugleich darin manche noch unbekannte höchst interessante Data miltheilt. Francis Baco wurde um die Mitte des tüten Jahrhundert» geboren. Er war der jüngste Sohu Nicholas Baco'S, von Lem die Königin Elisabeth sagte: „Lie Seele meines Groß-Siegelbewabrers bat ein treffliches Wohnhaus." Seine Mutter, eine Tochter Sir Anthony Cook'r, Hofmeister» Eduard'» VI., war eine tugendhafte und wissen schaftlich gebildete Frau. Baco bewies sich von Kindheit an solcher Aeltern würdig: sein Witz und die Gcwandheil seines Geiste» waren in jeder Lebens-Periode sehr hervorstechend. Die Königin balle ihre Freude daran, ihm in seinem zarten Alter mancherlei prüfende Fragen zu stellen. Als sie ihn einst fragte, wie alt er seh, gab er zurAniworl: „Zwei Jahre jünger als Eurer Majestät glückliche Negierung." Sein Nerven-System war so reizbar, daß oft ein bloßer Wechsel de» atmo sphärischen Einflusses ihm eine Ohnmacht verursachte. Bei seinen Me ditationen hörte er gern im anstoßenden Zimmer Musik: auch ließ er sich den Tis») mit wohlriechenden Kräutern und Blumen bestreuen, wie die Jahreszeit sie darbol. Diese Düste stärkten, wie er sagte, seinen Geist und scin Gcdächtniß. Zur Frühlingszeit, wenn es regnete, pflegte er in seiner offenen Kutsche ausjusahren; denn er behauptete, diese Erfrischung von oben sey sehr heilsam, wegen des SalpeterstofftS in der Luft; und bevor er zu Bette ging, trank'er ost ein GlaS starke» Bier, um seine geschäftige Phantasie einzulullen, die ibn sonst den größeren Theil der Nacht schlaflos biubringc» ließ. Al» Baco seine Studien in Eambridgc beendigt halte, machte er eine große Reise nach dem Kontinent. Während dieser Zeil erfand er ein neue» Ziffern-System, welche» später dem erflen Theile seiner „Instauration" einverleibt wurde. Damal« scheint er auch die Phänomene der Natur, besonder» den Schall, lbätig geprüst zu haben. Er war der Erste, welcher die Idee zm Erfindung des Hör-Rohr» (der Lhr-Trompcie) angab, wie au» seine» eigenen, von dem Verfasser zitirten Worten erhellt. „Man versuche es nur", sagt Baco, „znr Nachhülfe de» Ohr« ein Instrument wie einen Trichter zu machen, dessen engerer Theil so dick sey, al» die Oeffnung des Obrs, dessen breitere» Ende aber viel mebr Umsang habe, etwa wie eine Glocke am Rande. Die Länge sey 4 Fuß oder inchc, und die enge Oeffnung werde dicht an» Ohr ge halten. Dann merke man, ob nicht jeder Schall in freier Luft au« größerer Entfernung gebör, wird, als ohne jene» Instrument, da» gleich sam eine Brille für'» Ohr wäre." — Baco'S Entdeckungen sind unend lich bedeutender gewesen, al» diese hingeworfcne Idee einer Ohr-Brille; allein sie giebt schon eine Probe von seinem durchdringenden Geiste im jugendlichen Alter. Der plötzliche Tod seine» Vater» nölhigle ihn, vom Fcstlande zurück- zukehren und gegen seine Neigung die Rechte zu stndiren. Er kam bald in'» Parlament, und wie Ben Jonson sagt, existirtc damals kein würdigerer Redner; seine Reden ballen da, wo er beißende Witzspiele umgeben konnte, einen edel ccnsorischen Charakter. Keiner sprach jemals klarer, ausdrucksvoller, gewaltiger, sinnschwrrer; Alle», was er sagte, Hatte einen ganz besonderen Reiz. „Seine Hörer verloren schon etwas, wenn sie ibn nur einen Augenblick,au» den Augen ließen, und Jeder, der ibn hörte, fürchtete nur, er möchte zu früh enden." Obgleich aber Baco in so mannigfacher Hinsicht sich hcrvorlhat, und obgleich die Königin ihm zu wiederholten Male» eine Anstellung ver sprochen hatte, wich sie der Erfüllung ihres Versprechens doch immer -au«. Al« Sir Edward Coke General-Anwalt war, mochte wohl dessen 1 lut» s»<k <-tc. Geben und Charakter Lord Baco'S, ncbft eini- litt» seiner Briese.) Von Thoma- Marlin. , feindselige Gesinnung gegen Baco an dieser Zurücksetzung großen Anlbeil haben. Die Nebenbuhlerschaft Beider wurde zuweilen laul, selbst bei Hose, und es dürsle nichl uninlerrffant seyn, ein Beispiel davon anzu- sühren, das Baco selbst erzähl!. „Ich will hier", sagl er an einer Skelle, „eine Probe von dem Ucbermulh geben, mil welchem der Herr General-Anwall mich einst ttaklirle, und zwar öffentlich im Erchcqucr (der Schatzkammer). Daß ich die Wahrheit erzähle, können mir Alle bezeugen, die dabei zugegen waren. — Ich wollte auf die Ländereien George MorcS, eines flüchtig gewordenen Verräther», Beschlag gelegt wissen. Ich lhat dies in so milden und klaren Ausdrücken al» möglich. Der Herr Anwalt aber ärgerte sich darüber und sagte: „„Herr Baco, wenn Sie nur irgend einen Zahn wider mich haben, so reißen Sie ihn au»; er wird Ihnen sonst mehr schaden, als alle übrige Zähne Ihnen nützen."" — Ich antwortete ihm kaltblütig mit folgenden Wollen: „„Herr Anwalt, ich achle Sie, allein ich fürchte Sie nicht, und je weniger Sie von Ihrer eigenen Größe sprechen, desto mehr werde ich daran denken."" — Er versetzle: „„Ich halte es sür schimpflich, mit Ihnen auf den Fuß der Vergleichung zu kommen; denn Sie sind weniger als wenig, we niger al» das Wenigste."" So gab er mir noch andere auffallend höhnische Rede», und da» mil einer beleidigenden Gebcrde, die nichl beschrieben werden kann. Obschon gereizt, antwortete ich nur Folgendes: „„Herr Anwalt, drücken Sie mich nicht so lief herunter; ich bin schon Ihr Mann gewesen und kann c» auch wieder werden, wenn es der Königin so gefällt."" — Er bedeutete mir, ich sollte mich nicht um die Angelegenheiten der Königin, sondern um meine eigenen bekümmern ; ich sey kein Vereidigter u. s. w. Ich sagte ihm: „„Vereidigt oder unvereidigt, da» gilt einem Ebrenmanne gleich; ich habe immer meine Bcrusspflichtcn oben an gestellt und mein Interesse denselben unter geordnet, und hoffe zu Gott, daß Sic eben so denken mögen."" Wenden wir un» jetzt zu dem populairstcn und vielgclcscnstcn Tbeile der Bacoschcn Schriften — wir meinen seine „Essays" — und hören wir, was er selbst und was Andere davon berichten. Im Jahre I5l>7 publizirte er einen Band seiner Essay», um den Abdruck einer insgeheim abgefaßtcn Kopie, die in da» Publikum ge kommen war, zu verhüten. Er vergleicht sich bei dieser Gelegenheit mit dem Besitzer eine» Obstgarten», der sein Obst vor der Zeil ein sammell, damit es nicht gestohlen werde. In einem den Essay» vor- gedrucklen Briest au seinen Bruder sagt er: „Es war mir nicht an genehm, diese Versuche jetzt schon heransgcbcn zu müssen; denn sie gleichen den neugepräglen Halbpennystückcn: da» Silber ist gut, aber die Stücke sind klein. Da sie aber doch nun einmal vom Siapcl lau sen sollen, so glaubte ich, sic Niemand besser widmen zu können, al« Dir, meinem zweiten Ich, dessen schwächere Gesundheit ich gern aus mich übertragen möchte, damit Ihro Majestät einen so lbätigen und fähigen Geist, wie Dich, i» Ihren Dienst bekäme und ich nur au»- schließlich solchen Bestrebungen und Studien obliegen könnte, für die ich am tauglichsten bin." Diese „Versuche" betrachtete er nur al« Erbolungcn von seinen anderen Studien. ES ist ein interessante» Faktum, daß dcrVcrsuch „Neber die Freundschaft" ans die Bitte seine» frühesten und ipätcstcn Freunde» Matthew geschrieben wurde. Seine Beobachtungen in den Essay» sind die eine» feinen Welt mann». Dugald Slewart sagt mit Recht: „Die Neuheit und Tiefe seiner Reflexionen erhält ost eben durch die Lrivialilät des Gegenstände« ein starkes Relief." In seiner Art, die Dinge aufzusaffcn, war immer so viel Bestimmte», daß seine Ideen öfter die ganze Schärfe und ener gische Kürze cine» Sprüchwprt» haben. Er war zugleich ein so großer Meister der Sprache, daß Dr. Johnson erklärte, aus seine» Werke» allein könne man ei» E»glischcs Wörterbuch zusammentragen. Baco bcfattd sich beinahe unauSgcsctzt i» schlechte» pccumairen Verbälniiffcn. Er selbst sagt in einem seiner Briefe: „Meine gute alte Herrin (die Königin) pflegte mich ihren Wachsstock zu nennen, weil c» ihr Vergnügen machte, daß sie mich täglich brennen und glühen sah, und doch ließ sie e» zu, daß ich fast ganz herunter brannte." Etwa fünf Jahre vor dem Tode der Königin war er so übel daran, daß ein Goldschmied, Leni er dreihundert Psund zu bezahle» Halle, ibn eine» Tage» arretircn ließ, als er eben vom Tower zurückkebrtc, wo er in Sache» der Königin gewesen war. Nur die ibätigc Hülssleisiung seincr Freunde rettete ihn vor Kerkcrmauern. Nach Leni Tode der Königin schrieb er in folgenden Ausdrücken an Lord Cecil: „Wenn ich mein Landgut in Hertfordshire verkaufe, so werde ich meine Schulden bezahlen können und ZOO Psund jährl:che Einkünfte haben; dazu noch ein schöne« Hau« und einen wohlgeztmmcrlcn Fußbe-