Volltext Seite (XML)
455 Hem, Peliet hinreichend zu würdigen verstand. Sie nahm ihn dem nach aufs wohlwollendste und htezlichste auf, eben so wie Necker selbst, dessen Gesundheit scheu abnabm; denn das Herz war ihm seit dem Tode seiner Frau, die er verzweislungsvoll beweinte, gebrochen. Seine Tochter war ohne Zweifel über den Todesfall eben so sehr be trübt, aber sie fühlte, daß sie nunmehr ihren Vater, seittem sie allein mit ihm war, mit mehr Hingebung lieben konnte. Die große hagere Figur der Madame Necker hatte, so zu sagen, wie eine eisige Schnec- saule eine Scheidewand zwischen Necker und seiner Tochter gebildet. Auch bestand, so lange sic lebte, immer etwas Leidendes und Gebroche ne« in dem inneren Familienbande fort, das sich nur in gegenseitigen Bewunderungen Luft machte... Sie hatte eine große Gewalt aus ihren Mann auSgeübt; mehrere'Personen sagten sogar, daß Necker seine steigende Kraft und Macht seiner Frau zu verdanken habe. Wie dem aber auch seh, sobald sie zu leben anfgehört, beeilte sich Necker, seine Tochter in seinen Schooß zurückzurufen, und wandte alle seine Sorgfalt, ja selbst seine Galanterie auf, ihr ihren Aufenthalt angenehm zu wachen. Sie war ganz vollkommen für ihren Vater geschaffen. Bei der preßen Ueberlegenbeit, die ihr in jedweder Diskussion über denselben zu Gebote stand, machte sie doch nie von ihren Vortheilen Gebrauch, und wenn sie selbst nahe daran war, ihr Ziel zu erreichen, so bemerkte mau immer, wie sie mit einer Art von kindlicher Scham einhult, gleichsam al« schauderte sic vor dem endlichen Erfolge zurück ... Dann mochte sie wohl, sagt Pellet, mit unbeschreiblicher Grazie a-sichlüch eine» Irr- «hum begehen, um ihrem Vater den Ruhm des Sieges einzurüumcn. Es war besonders beim Frühstücke, wo diese Art von Kämpfen haupt sächlich statthaltc. Petict, der von Genf vor Tages-Anbruch abge reist war, kam ziemlich zeitig zu Coppet an, um demselben beizuwvhncn, und er halt; selbst Gelegenheit, einen jener mcrkwncdigen Dispüte mit anzuhörcn, in dem sich das ganze Herz und die schöne'Seele der Frau -vo» Stahl frei entfalte» ... Da es keine interessante Fremden zu Coppet gab, so blieb man nach dem Frühstücke zu Hause, bis zur Mittagszeit. ÄtS man zu Tische ging, sagt Petiet, war ich darüber erstaunt, zu sehen, wie Recker sei» Hau- ganz nach dem alten Fuße erhalten Halle. Er war von einer Menge aller «Kammerdiener und von landen und brummischen Hofmeistern umgeben, von den Trummern der alten Pracht, die Necker einst so bekämpft und hcrabgcriffcu Halle, und die ihm trotz- dcm mil ihren alten brodirtcn Gewändern, mil ihrem Degen und der Börse bis nach Coppet gefolgt sind! .. . Nach Tisch bezeugte die Fran von Stallt ihre Bewunderung übe: das Unternehmen des ersten Konsuls. Sic Halle denselben stcis bewun dert, jedoch immer mit einer gewissen Bitterkeit, die sich mw Lusl zu machen suchte... „Aber", sagte sie endlich, „was könne» Sie hoffen? Denn Sie müssen ja doch einmal vor den eisigen und unübcrsieiglichen Gebirgen Halt machen..." „„Zweifeln Sie au dem General Bonaparte, Madame?"" „Das nicht, aber ich zweifle an euren Svioaten, an euren Pfer de», an eurer Artillerie; wie wird sich dieses Alles vou dcm St. Bern- Hard aus mache» lassen?" „„Und Hannibal, Frau Baronin?"" „O! Hannibal, Hannibal... Aber Hannibal batte keine Kano- ,mn ... und das ist es, woraus es hier eben ankommt..." „„Nun gut! Wollen Sie mit mir eine Welle eingehen?"" Hier lächelte Ncckcr und betrachtete seine Tochter, deren funkelndes Ange bei der Unterhaltung eben so lebhaft bewegt war, als das ihres BaterS . . . „Eine Wette!" rief sic aus, „ich will sie machen; wie soll sie kauten?" „„Ich wette, Madame, daß ich die Ehre haben werde. Ihnen bin nen eiiiem Monat von Mailand aus Musik zu übcrschick«» ... unter der Bedingung, daß Sie mir die Stücke bei meiner Rückkehr Vorsin gen wollen."" , „O, äußerst gern! aber das wird nur Nicht in Folge der Welle geschehen, denn diese verlieren Sie." „„Das werden wir sehen"", erwiederte Pcliet. Ali demselben Abend nahm Pcliel Abschied vou Necker und der Frau von Stael, indem er ihnen versprach, ihnen auf mehrere Tage bei seiner Rückkehr aufzuwarleu, und so reiste er denn ab, um den ersten Konsul einzuholen. — Funszebn Tage darauf erhielt die Frau von Stadl eine große Rolle von Musikalien! Es waren die, die Petict Versprochen batte!... Alles war beendigt! Dir Alpen überschritten! Die Schlacht bei Marengo gewonnen! . .. und der Ruum Napoleon s -um eine Glorie mehr erhöht... Folgendes ist der Brief, den die Frau von Stadl an Peliel schrieb, «m ihm sür seine Uebersendung zu danken. „Sie haben mir beweisen wollen, mein Herr, daß die Französische. Galanterie ihren ganzen Reiz wieder eingenommen; aber ein M am, wie Sie, würde dieselbe in allen Fällen und bei jeder Gelegenheit beob achtet haben. Die Musik ist sehr schön, was aber bauplsächlich wahres Vergnügen macht, da« ist die beim Spielen derselben vorschwcbende Erinnrrüng, welch ein unglaubliche« Ereigniß sic mir so schnell v« hasst hat, und welchem glücklichen Zitfalle ich sic z» verkanten bade.. . Mau ist hier und zu Paris außer sich wegen Ihrer Erfolge . .. Sie haben sie vorher gesehen, aber Sie müsset, nichtsdestoweniger darüber erstaunt sev», und das Vertrauen, welches alle W.-ll j» die Talente und das Glück des Generals Bonaparte setzte, verhindert doch nickt, daß man jeden neuen Sieg von neuem bewundert... Das kräftigste Mittel zur Beförderung seine« Ruhmes ist, daß er es versteht, alle'auSgezcichncle Männer um sich her zu versammeln, und Sie sind einer von denjenigen, die seine Ansprüche auf die öffentliche Achtung mit bewirken halsen. Mein Vater beausiragt mich, Ihnen nochv-.al« sür den Besuch zu dan ken, den Sie uns abgcstatict... Vergessen Sie nicht, mein Herr, Sic, der Sie gewiß nichts vergessen, daß wir Sie bei Ihrer Slückkonst hier erwarten. Gewähren Sie r eine innigsten Danksagungen. N... Stalll H..." Als Pcliel die Frau von Staül wieder sah, sagte er: „„Sinn gut, Madame, was habe ich die Ehre, Ihnen zu melden?"" ... „Ja", erwiederte sie mit einnehmender Grazie, „wenn Sie mir gesagt gälten, daß Sie nur Wunder verkünden wollten, so baue ick, nicht gcwcllcl. . . Ich sprach von möglichen Dingen, aber der Gene ral Bonaparte hat Unmögliches geleistet!" ... Die Herzogin von AbraNtcs. Bibliographie. Da llivinv comöllie sie Dando Fli^hicri. — Neu übersetzt vo» CH. Calcmard vo» Lasapctte. Erster Band. Lxulicatian «los özitires (Io tat. ?!>ul. — Von Bernardin vou Picquigny. 2 Bde. 7 Fr. . (lulle llo commeoce, nnuvullemont exzllüzue. — Bon A. Sau- iayra. V Fr. (lulle umvuomlaire, uu Ini«. statnls et oügh.,„oiu- sie I univermtü rnvale lle 1 rancc. — Iusammengeslclll vo» Ambroise Rcndu. IS Fr. Mexiko. Ein Reisebericht über Veracruz. > Der gauze weite Landstrich de« Kontinentes von Amerika, ter sich vom tüte» bi« zum Z7stcn Breitengrade auscehnl, frülcr eine Spani sche Kolonie war, jetzt aber eine ans z^ciuiidznanztg verbündeten und unabhängigen Slaaicn bestehende Republik nk, nul einem Woite Mezilo, besitzt nur Einen Hasen zum Verkehr mii Europa und, dieser Haie» ist Veracruz. Zwar lege» seit einigen Ial'rc» ziemlich viel Sclnffe aus Europa und "vou den LstlichiU Küsten Amcrila's bei der kleinen Stadt Tampico an; doch ist der Handel, der dort gcirieb.» wird , sehr unbe deutend, und die Rhede von Tampico dielet dc» Schiffen üde.hanpt viel zu wenig Sicherheit dar, um simal« mit dem gefährlichen, aber alten Hafen von Veracruz rivaiisiren zu können. Ferdinand Cortez gründric am stillen Freitag des Jahre« Iblll die Stadl Veracruz am Mccrce-Uscr, ge ade an derselben Sielte, wo cr mil seinem Heere landete. Ein Historiker sagt in der Gc>chicht^ der Erobe rung Mcrito«, sie seh damals, wegen de» Goldes, La« die Spanier kort cmdcckttn, Villa Rica genannt worden. Durch gelbe Fieber und die Bürgerkriege ist Veracruz, inan mochte sagen vom Augenblick seines Ursprung« au, so sehr geallcrl, daß es, obgleich cs erst drei Jahrhun derte sieht, doch schon mehrere Male zerstört und verlasse» wurde, wes wegen die Reisende» auch seine ursprüngliche Lage nicht mehr genau angcbeu können. Der Golddurst ist jedoch sei» Palladium, und Vera cruz besteht noch immer, trotz Ler unpolitische!! Laune eines der letzten Spanischen Vice-Könige, der, um di Europäer von de: schreckliche» Plage des gelben Fiebers, auch Vonut» n«^oo genannt, zn befreien, beschlossen hatte, diese Stadt ganz nicke eeißc» zu lassen ^i.d o Ein wohner »ach Xalapa zu versetzen. Sic l i.pt ober noch, « -schloffen i» ihre» dichten Sandgürtel, den der Nordwind um ihre , a Tbc l vom Meere bespülten Wälle anhäuft; sie betteln »sie ihren wcißcn Häusern, ihre» runden Domen, ihre» hohen Lhnrmen, ihre» brc icn, mit Trottoir« cmgesaßlen Straßen, ihren Säulenhallen, ihren Kirchen, ihrem Hafendamm, a» dem sich die schäumenden Woge» brechen, ihre» Festungswerken, ihren Muskilos, ihrem gelben Fieber und illiln suuf- zchnlausend Einwohnern. Und ihre Einwohner sind c«, welche am tapferste» sür die Unabhängigkeit Mepikos gefochten habe»; sic hab«» die Spanier aus de las Castillas oder Son-Ina» d'Ulloa vc,triebe», aus j-iicr Festung, die man f..c unn-hmbar hielt >i»d die eine Vicriel- mcilc von dcv Stadl in der Rhede auf einer dec Inseln erbaut ist, ans welchen Lie Einwohner bei der Ankunft des Ferdinand Cortez ihren Gottbeilen Mcnschenovfer darbrachlcn, und wovon die andere, eine von dcu Seefahrer» seh' gr ürchtne Klippe, noch den Namen Opfer-Insel (Dia lla 8-,'- f ' In bei Wällen steckende Kugeln, ge- schlcislc Häuser, zerlrüm»».-, Mane n ^zeugen noch, daß der ahm, sie erobert zu haben, auf den die Vcracruzer so stolz sind, ihnen mil Recht gebührt. . Man bat gemeint, daß die ursprüngliche, von dem Eroberer Mezi- ko'S gcgründcic'Etadt mehrere Meilen von dem heutigln Veracruz ent fernt gestanden habe; Andere indes, behaupten im Gegenthcil, daß ipp Standpunkt nickt verändert seh. Keiner von diesen beiden Bftiauptun- acn ist Glauben b iumcssen; hier die Thalsachrn. Man sinder die Ruinen de« alten Veracruz («mlix-pa Var» (nur.) neben dcr neuen Stadt, deren Kirchho, mitte» unter ibnen liegt. Nickl allein sichl man daselbst viele zerstörle Häuser, sondern man gewahrt auch n-ch einen nnl Mauern eingefaßten Spaziergang, der mil einer Au sehr Harn» Mörlcl« überzogen ist, weiche, wie Graml au,siebt. Diese Ruinen lie gen südöstlich von der Stadt, 'inige hundert Schlitt von den Wällen entfernt. Da« iicuc Veracruz bildet ein langes unregelmäßige« Viereck; cs hat kein einziges merkwürdige« Gcbau.de, wohl aber ziemlich hübsche öffentliche Plätze. Seine Straßen sind breit und gerade; diejenigen, welche «« in dcr Länge durchlanttn, sind sehr schön und schncidc» uck rcchiwiiikllig mil den sic durchkreuzenden Straßen. Dir von Ziegel steinen gekauten und mit Terrassen umgebenen Häuser haben fast an allen Fcr.stern Ballon« und sind emweder zwei- oder dreinöckig. An dec Nordseite ist das Mur, östlich und westlich der unfruchtbare Küsten- Sand„ im Süden wachsen am Fuß kee Walle einige Straucher; weiter hin debilen sich große Sümpfe aus, hinter welchen cm Wald sich über eniserute Hügel fortsieht, dic von den schwarze» Wanden des Pik von Orizava überragt werden.