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lassend, eine Cigarre au- den großen Antillen anzuzünden wähnt? Die Regie wickelt in ein Taback-blatt, Gott weiß, was für ein Kräuler- Geinengsel; alle Gemüse scheinen ihr dazu passend; sie mischt Kohl und Rüben darunter und bietet uns dann nnvcrschäinlerweise ihre Cigarren L I« Zulionne an, als kämen sie von der Insel Cuba! Das ist doch ein abscheulicher Mißbrauch, ter nicht allein den Geschmack beleidigt, sondern auch der Gesundheit schaden kann. Das ist es, was so viele verzweislungsvolle Raucher dem Betrüge in die Arme wirst. Darum, weil das Monopol uns vergiftet, rufen wir aus: „Der Schleichhandel ist die heilsamste aller 'Pflichten!" Jetzt wollen wir das Marsfcld betreten, das sich vor derMilitair- Schule ausbreiiet; es ist eine überaus große Ebene, auf der die Trup pen - Manöver und Pferderennen staltfinden. Hier habe» sich die schnellen Renner und die geschienen Iokcys Hord Seymours, des Gra fen Dcmidoff und des Herrn Rieuffec, der unglücklicherweise im letzten Monate durch Fieschi's Blei geiödlct wurde, unsterblich gemacht. Das Marsfcld ist in unseren politischen Annalen durch die Feier des Bundes-Festes berühmt; mitlcu aus diesem weiten Platze war ein Altar errichtet, und als -Herr von Tallevrand, damals Bischof von Antun, durch die epigrammatische Wahl des Hofes dazu berufen, Messe daselbst zu lesen, dem Herrn von Lafayette, Anführer der National-Garde, bei diesem Altar begegnete, sagte er zu ihm jene berühmt gewordenen Worte i „Ach! ich beschwüre Cie, mein Lieber, bringen Sie mich nicht zum Lachen!" Bei der Brücke von Zena ist Paris zu Ende, die Seine setzt ihren Weg nach Havre fort, und laßt in den Netzen St. Cloud'« Alles zurück, was sie aus Paris mit forlgeführl hat. Paul Bermond. Bibliographie. siCttre« sur l ltaliv on 1785. — Von Dnpaty. 3 Bde. 2 Fr. Nocchorrüos 8ur I» tnsiogrnzilüo stv t^arlhazo. — Bon Dureau le Lamalle. Mit Anmerkungen von Dnsgalc. 5^ Fr. Lxplaruti»i>8 sie iXorinanüil!. liaucn. — Vom Bicomte Walsh. 8r> Italien. Aphorismen über Grisi und Gennilh. Einer geistreichen, aber sehr schwatzhaften Dame wurde einst — wie HelvetiuS berichtet — ein Mann vorgestellt, den man ibr als ein großes Genie rühmte. Die Dame empfing ihn mit vieler Höflichkeit; aber ängstlich bemüht, seine Bewunderung zu erregen, begann sie gleich ein Raisonncmcnl über verschiedene Dinge, und bemerkte im Flug ihrer Rede nicht, daß er gar keine Antwort gab. Als der Besucher fort war, fragte man sie, ob die Unterhaltung dieses Herrn sic befriedigt Hades „Ach! welch ein seiner Mann, welch schöner Geist!" war die Antwort. Dieser Ausruf veranlaßte rin allgemeines Gelächter; denn der schöne Geist war ein Taubstummer gewesen Die sehr Hobe Meinung, die man der Dame von seine» Vorzügen beigebracht, mochte wohl Schuld daran sehn, daß sie an einem Manne, der seinen Mund nicht aufgethan hatte, so herrliche Gaben entdeckte. Wie viele ähnliche Mystifikationen giebt es noch täglich im Leben! Wie mancher gewöhnliche Mensch ist durch ein Zusammenwirken günsti ger Umstände in den Rus hoher Gcistesgabcn gekommen. Warum? Er verstand es, solchen Gelegenheiten auszuwcichcn, die ibn in seinen« wah ren Lichte zeigen konnten; er verschanzte sich, wo er sein Unheil abge- ten sollte, hinter auswendig gelernte Phrase», und würdigte Andere keiner Antwort, wenn er keine Antwort zu geben verstand. Aehnliche Beispiele, wie Pater Du Halde in seiner Beschreibung de« Chinesischen Reiches eines ansübrt, wiederholen sich zu jeder Zeit und in jeder Gestalt. Ein Kaiser von Cbina hallt nämlich ein musikalisches Instrument ersun- den und war so verliebt in seine Erfindung, daß er dieses Instrument von 300 Personen zugleich spielen ließ. Ein gewisser Nanko, der des Spielens ganz unkundig war, ließ sich's emsallen, unter diese Musiker zu treten, stellte sich an, als tbäte er, wie die Uebrigcn, und bezog so mit denselben Gebalt. Der König starb, und sein Nachfolger äußerte eines Tages den Wunsch, jeden einzelnen Musiker 8ol<> spielen zu hören. Was that Nanko? Er machte sich aus dem Staube, und man hörte nichts mehr von ihm. Wie viele sehr geschätzte Personen würden sich lächerlich machen, wenn sie etwa« SelbstgcdachteS drucken ließe»! Aber auch solche, die mit Recht gepriesen werden, erscheinen ost in einem weil malleren Glanze, wenn da« Blendwerk der öffenllichen Meinung von ihnen ge wichen ist. Der weiland hochgeseierle Giovanni Pico della Mi ran do la mag als Beispiel dienen. Bfsaß dieser Mann wirklich jenen erhabene» Geist, den man ibm zuschrieb? Er kämpfle gegen die Astrologie seiner Zeil und substimirle derselben eine andere, von ihm die antike genannl, mit deren Hülfe er das End« der Welt propbe- zeihen zu können giauble. Daneben versicherte er, daß es keine Macht im Himmel oder auf Erden gebe, die rin Sterndeuter nicht in Wirkung zu setzen vermögt. Und wtlche AbsurditältN füllt» auch die übrigen Schrifttn dieses Koryphäen seiner Zeit! Bei unserer Beurlheilung des geistige» Wcrthes eines Individuums sinh wir aber so vielen Täitschnnge» ausgesetzt, daß es nicht s» ver wundern ist, wenn wir ost von der Wahrheit abirren. Das Genie zeigt sich dann und wann hinter einem so mystischen Schleier, oder es ist mit scheinbar so widersprechenden Eigenschaften verbimden, daß es u»S schwer wird, ihm aus die Spur zu kommen; da zeigen sich Geistesblitze und Albernheiten, Wissen und Unwissenheit, Gewandtheit und Unbehülf- lichkcit in so wunderlichem Gemisch, daß eine und dieselbe Person ab wechselnd scharfsinnig und stumpfsinnig, lies und oberflächlich, klar und verworren erscheint. Mancher, der das Einmaleins nicht im Kopfe be halten kann, merkt sich schon nach einmaliger Lektüre tinen ganzen Ge sang des Befreiten Jerusalems: sein Lehrer in der Arithmetik ist zw entfchuldigen, wenn er ihn einen Menschen ohne Gedächiniß nrnert; sein HumaiiilätS-Lehrer aber nicht weniger, wenn er ihm ein kolossale« Gedächiniß zuschrcibl. Montaigne bckcnnt, daß es ihm nicht möglich gewesen sey, den Werth gewisser Geldsorlen zu merken, ein Umstaud, der ihn im praklischc» Lebe» mancher Verlegenheit aussetzie; sogar dir Namen seiner allen Bedienlen vergaß ec zuweilen-; und doch strotzt« seine Werke von Cilalen jeglicher Arl, aus denen sich aus ein ungeheu res Namen-, Gedanken- und Sachen-Gedächiniß schließen läßl. Sei« Raisonnemenl ist bald pedanlisch, bald höchst selbstständig; bald hat er keine andere Gedanken als die de« Pluiarch oder Seneca; bald wirst er Meinungen, die Niemand anzulasten wagt, in sein kritisches Sieh und schüttelt sie weidlich durch. Es ist faktisch, daß ein und derselbe Geist zu einem Berufe grvße Fähigkeit zeigen kann und zum anderen gar keine; aber auch in dem selben Berufe kann dcr Einfluß der Umstande aus die Werke des Gei stes sehr ungleichartige Resultate herbeisübren. Wie osl sieht man In dividuen »ach einer langen Periode der Finsterniß und der Unberühmt- heit urplötzlich mit wunderbare» Geistes-Produkte» hervorlrele», weil irgend ei»e Katastrophe ihren Geist jetzt, erst auf die rechte Bahn gelenkt hat! Wieder Andere gehen mit einem Male geistig unter, ohne daß man eine physische Veränderung an ihnen wahruimmt. Woher kommt es doch, daß Maihemaiikcr, die durch höchst scharf sinnige Berechnungen und Combinationen die abstrusesten Probleme lösen — daß Poeten, die ein Götlcrbauch zu beseelen scheint, im praktischen Lebe» ost so linkisch und unbeholfen sind und in gesellschaftlichen Zir keln eine so traurige Rolle spielen? Wit manches gcschnikgeste Herr chen erzählt seine Anekdote viel ergötzlicher und ist viel schneller mit witzigen Repliken bei der Hand. Der arme Virgil, kessen Dichtungen doch wenigstens poetische Elognen; nicht abzusprcchcn ist, war iu den Hof-Zirkeln des Augustus eine stumme Bildsäule. „Der Dichter", sagt Chateaubriand, „ist eine Art Engel, mit einem höheren Lichte und mit dem feinsten Gefühle begabt; er laßt das Gött liche in seiner Natur aus seine Geistes-Produkte übergehen und gleicht im Uebrigcn einem harmlosen Kinde." Zuweilen findet man allerdings den Genius, di« Gabe der angenehmen Unterhaltung und Gewandheit in Geschäften vereinigt; aber dann Hal der Genius doch vielleicht mehr Glanz als Tiefe, und man darf annehmcn, daß ihm jener Hobe Seelen« adel gebricht, der erst nach dem Tode des Dichters volle Würdigung erhält. Frau v. Stacl bat, meines Bcdünken», nicht Recht, wenn sie be hauptet, der große Genius müsse schon im Gespräche sich kund geben, seine Idee» mit Gewandheit und Klarheit in Worte fassend. „Es sind Fälle denkbar", sagt sie, „in welchen eine gewisse Schüchternheit dem Genie die Zunge fesselt; aber im Allgemeinen ist Beredsamkeit die fielt Begleiterin hoher Geistesgaben." Frau vo» Stacl vcrgißt, daß außer der Schüchternheit noch taufend andere Ursachen dcr geistigen Conccntration, die zu wahrer Beredsamkeit erforderlich, entgegen wirken können. Der Umstand, daß gewisse höher begabte Menschen von den meisten kleinlichen Leidenschaften frci sind, die manche große Gesellschaft elektristren und gesprächig machen, laßt sie oft kalt und einsilbig werde», wo Alles um sie herum Feuer u»d Flamme ist. Habe» nun solche Menschen öfter das Unglück, in dergleichen Kreise zu kommen, so schadet dies der Ent wickelung ihrer Beredsamkeit. Die großen Sprecher in Gesellschaften sind Leute, die sich's zum Geschäft machen, jeder Art von Ereignissen des Alltagsleben« bis in die wiiijigsten Details uachzuspüren; es sind stäche Naturen, deren Geist in Dackerscuern auslodert. Wo das Ge- mülh abrr echte Tiefe bat, da steige oft eine Fülle von Ideen empor, für die daS Wort nur ein schlechter Ableiter ist. Menschen, die zur Abstraktion geneigt find, zeigen gewöhnlich im Umgang mit Anderen keine Beredsamkeit. Eine heterogene Idce führt sie leicht vom Wege ab; sie werden deshalb mißtrauisch gegen sich selbst und wagen keinen zusammcnhangenden Vortrag, aus Furcht, ihr Thema ans dem Gesichte zu verlieren. Wer sich, trotz dieses Mangels, Gewalt antbut, um zu spreche», Hal große Vorsicht nöthig, damit er die dro- beilde Klippe vermeide, und fällt daher leicht i»'s Gekünstelte. Gelingt es ihm nnn wirklich, sei» Ziel nicht ganz z» verseblen, fo thut er doch jeden Augenblick einen falschen Tritt, der den ausmerksame» Zuhörer empfindlich berührt. Der berühmte Addison, dem Niemand Geist ab- sprechen wird, scherzt nicht selten über seine gewöhnliche Schweigsamkeit und behauptet, er habe nie mehr als zehn Worte im Zusammenhang sprechen können. Sollen wir nun Leute hochstellen, die nur mit dcr Feder in der Hand gewaltig sind? Montaigne behauptet, er halte wenig von Solchen, die nur schriftlich er Auszeichnung fähig, nnd doch gehörte er selbst in diese Kategorie. Andere schätzen jene isolirten Geist» sehr, deren Berus darin besteh», daß sie ganz in Büchern lebe» nnd ihre geistige« Schätze auf Papier zum Besten geben. Viele werden sagen, die eine Eigenschaft scy so nothwendig wie die andere: das ist unleugbar, aber sie finden sich nun einmal selten in gleicher Stärke vereint. Da der Mensch ein: Mischung von Gut und Böse ist. so mnß er natürlich manches Rätbselbaftc dardieteii und also dc», der ihn nach seiner Totalität beurlbeilen will, zu falschen Urtheilc» verleite»; zumal, da solche geistige Taraloreu ihr respekliveS Kriterium haben, da« sich osl an alles Andere lieber hält, als an das Wesentliche. Ein Künstler z. B., für den bloß die Kunst Interesse bat, wird einem auSgrzeichneiew Maler oder Musiker viel lieber Genie beimessen, als einem aüsgczeichne- len Gelehrte» — und nmgckchrt. Eine gewisse geistige Gewandheit und Vielseitigkeit — wäre sie auch ganz ohne Tiefe — imponirt vielen Personen in weit böberers Grade, als die originellsten Ansichten und da« scharfsinnigste Raisonne« ment, sobald diese Eigenschaften in einem engeren Rahmen sich bewegen. Wen» c« erst zu allseitiger Knllur kommt, wen» jeder Gebildete ver- schiedest« Sprache» lernt, etwas Musik, etwas Zeichne», etwas Malerei,