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486 Dcr Gottesdienst wird mit allem Pompe und aller Pracht abge- balten; die Priester erscheinen in den reichsten Ornaten, und die Kirche ist aus'« Kostspieligste an,geschmückt. Es ist bei der Anstalt ein beson derer Lehrer siic den Kirchen-Gesang eingestellt, und ich habe nichts Feier licheres und Lieblicheres zugleich gehört, als die Chöre, die von den jungen Zöglinge» unter der Leitung ihres Professors ausgeführtt werden. Ein rcformirtcr Pastor kommt ebensalls wöchentlich einmal, um den Gottesdienst für die jungen Protestantinnen in einer besonderen Kapelle abzuhalicn. Dasselbe ist der Fall mit den Katholiken. Zweitens besteht der Unterricht i» der Russischen, Französi schen und Deutschen Sprache, sowohl in grammatischer, als rheto rischer und literarischer Hinsicht; drittens in der alten und mitt leren Geschichte, so wie in der Spezial - Geschichte von Rußland: viertens in dcr Astronomie, in der Kosmographie und in der Geographie; fünftens in der Arithmetik; sechstens im Zeich nen; siebentens in allen Handarbeiten, im Sticken, Nähen u. s. w.; achtens in dcr Physik, die aber erst in dcr weißen Klasse gelehrt wird. Dcr Kursus wird immer in Französischcr Sprache abge- halien. Neuntens besteht der Unterricht im Tanzen. Ma» ver wendet eine besondere Sorgfalt aus diese» Zweig dcr Erziehung. Dcr Lehrmeister für denselben, dcr, bciläufig gesagt, immer ein Franzose von Geburt ist, wird nicht minder gut besoldet und hat nicht weniger Beschäftigung, als die übrigen Professoren. Endlich zehntens wird in dcr Musik unterrichtet. Es ist dies die Kunst z>ar oxneUnnee bei den Russen. Die Nation ist überwiegend musikalssch. Die Bauer» selbst scheine» für die Musik geboren zu scyn, so daß man im Ganzen die Russen als die nordischen Ztaliäner zu betrachten hat. Die Geschichte, die Geographie uud die Arithmetik werden in Russischer Sprache gelehrt; iudcß muß man cs frei heraussagcn, diese Wissenschaften werden von den Lehrern schlecht vorgetragen, indem sie das Gcdächlniß ihrer Zöglinge mehr mit Worten als mit Ideen über laden, und gar wenig bemüht sind, die Urtheilskrafl ihrer Schülerinnen auszubildcn. Den Hauptgcgenstand des Unterrichts macht die Französische Sprache e- aus. Es wird nichts gespart, um dieses Idiom in seiner ganzen Voll kommenheit den Zöglingen z» eigen zu machen; auch ist man in diesem Punkte sehr streng bei dcr Wahl der einzclnc» Lehrer und bei der Be stimmung dcr Methode, die sic zu bcsolgcn haben. Die Direktrice, die Aussehen» und die Klassendamen sprechen das Französische sehr rein, so daß der Fremde, dcr von der Kaiserin die Erlaubnis; erhalt, die Anstalt zu besuchen, sich eher in dem Königlichen Hanse von St. Denis, als in dem Kloster Smolni zu befinden glaubt. Erst scit dem Feldzüge von 1812, wo dcr Russische Patriotismus sich so heftig cnisiammie, Hal man der Landessprache die Ebre erwiesen, sie mit der Französischen in ein Niveau zu bringen. Zcdoch Hal man für die letztere noch immer eine gewisse Vorliebe bewahrt, die selbst durch die feurigste Vatcr- landsliebe nicht erstickt werden kann. Die Zöglinge sprechen abwech selnd einen Tag Russisch und den anderen Französifch, während ihnen vordem die National-Sprache gänzlich untersagt war. (Schluß folgt.) Bibliographie. , ' Taschen-Dcndrologie der vorzüglichsten und gewöhnlichsten Schiff bauhölzer, iltit Zeichnungen. Zusammengcsiellt vom Departement de« Schiffbaus. Theoretische und praktische Grundlagen der Literattlr. Bo» A. Gla- golesf. a Theile. lieber die in der aktiven Armce herrschende Angenkrankheit. Bom I)r der Medizin Tschetprki». Da« Haus von Eis. Roman vo» Laschetschnikoss. 4 Bde. Geographischer und Reise-Atlas von ganz Rußland, nebst dem Kö nigreich Polen und dem Fürstenthum Finnland. Bon Pjadyscheff. Wörterbuch für Aerzte; enthaltend die Lateinischen und Griechischen Ausdrücke in der Medizin, nebst biographischen Skizzen der be rühmtesten Aerzte. Zusammcugestelll vom I>e Nikitin. Die Kinder-Krankenstube. Bon Biclor Bupjanoss. Frankreich. Paris von der Wasserfeste. (Schluß.) Bis zum Polit-neuf, wo die Seine schmal und in viele Arme gc- thcilt ist, wird sie nur hin «nd wieder von Kähnen der Wäscherinnen »nid von Kohlcnschiffen benutzt. Bom Pont-neuf a», wo sich ihre bei ten Arme vereinigen, bis zum Pont-Noval, ist ihre herrliche Waffcr- siäche ganz mit Fahrzeugen bedeckt; cs sieht aus, als seh eine hölzerne Stadt au, dem Flusse erbaut. Wenn das so sortgeht, so wird es künf tig unmöglich sey», sich vom Pont-neuf, vom Pvnt-des-Arls,-vom Pont-du-Caronffel und vom P^nt-Royal, diesen vier Brücken, die am meisten von der Verzweiflung heimgesuchl werden, ins Wasser zu stürzen. Die jungen Leine von chcmals erinnern sich, daß es in ihrer Zn- gend weiter keine Schwimmschule in Paris gab, als das Bad du Ter rain, welches am äußersten Ende der bilö, in der Nähe der Mauern des Erzbischöflichen Palastes, gelegen war. Diese Schult besteht noch; es ist zetzt ein Bad zu vier Sous; in Paris kann man an einem ein- oeschlossenen Orte für de» Preis zweier Trachten Wasser schwimmen. Es giebt ans der Seine noch mehr solcher Bäder zu vier Sous. Zn dcr Gegend deS Pont-neuf findet man die Schwimmschule» in großer Anzahl; man bat deren für alle Klaffen und für beide Geschlechter: tenn auch die Frauen treiben diese Uebung, viellcicht um das Vergnü gen zn genießen, gegen den Strom zu schwimmen. Zu dieser Schwimm- Anstall'sür Damen ist der Zutritt aber eben so schwierig, wie zu dem Harem des Groß-Sultans; eine hermetisch verschlossene Leinwand-Decke beraubt die unbescheidenen Gaffer dcr Brücken und Quais des strafba ren Vergnügens, einen verwegenen Blick in jene nautischen Frauen- Gemächer zu werfen. Uebrigciis entspricht auch der bei den Badenden übliche Anzug den Forderungen des strengste» Anstandes; sie tragen Beinkleider, "die bis zum Knöchel reichen, ein Zäckchen, das bis zum Hal« hinauf geht, und ihr Haar ist mit einer Mütze von Wachslaffet bedeckt. So angelhan kann man jeder Art von Unbescheidenheit trotzen. Bon all den Schwimm-Anstattcn für Männer ist die von Deligny, unter dem Quai d'Lrfap, nahe an der Konkordien-Brücke, die besuch teste. Während der Sommcrzcil findet man alle Tage nach der Vör- senstundc beim Eingänge der Dclignyschcn Schwimmschule so viele Kabriolets und Tilburys, als man vor der Börsenstunde in der Straße Lafitte vor dem Rothschildschcn Hotel sehen konnte. Das sind die Equipagen dcr sashiouablcu Badenden. Nach dem Louvre und den Tuilerieen ist am rechten Ufer dcr Seine kein Gebäude mehr; c« ist ganz unbcwobnt und läuft so unter den Bäumen des Gartens dcr Tuilcriccn und dcr Elysäischcn Felder bis zur Brücke von Zena sort. Am linken User jedoch bemerkt mau aus der selben Strecke noch einige Gebäude. Auf dtn Qnai Voltaire folgt der Quai d'Orsay; er verdankt seinen Namen einem Stadlschullhciß, wie so viele andere Quais, Straßen und Plätze von Paris. Zunächst sehen wir daselbst das ehemalige Hotel dcr Garde-du-Corps, das nur die Uniform gewechselt hat und immer noch eine Kavallerie-Kaserne ist. Nun kommt das allergrößte Gebäude von ganz Paris; cs ist das neue Hotel des Ministeriums des Innern; die Arbeiter legen so eben die letzte Hand daran. Dieser kolossale Bau erdrückt alle Umgebungen. Das daneben stehende Hotel der Ehren-Legion spielt eine ganz erbärmliche Figur. Dieses arme kleine Calmschc Hotel, da« zur Zeit des Direktoriums der Schauplatz so vieler glänzender Feste gewesen, nnd wo noch erst vor wenigen Tagen der unglückliche Mar schall Monier auf seinem Todlcnbcit ausgestellt war, sicht »eben scincm anschnlichen Nachbar wie eine Hütte aus. Die Bäume dcr Tuileriee» werden von diesem imgehcuren Gebäude überragt; neben ihm erscheint der so hoch in die Lüste strebende Pavillon Marsan wie ein Häuschen. Nichts kann sich mit diesem Ministerium messen; cs ist da« riesenhaf teste Gebäck von Mauersteinen, das mau nur irdeudwo sehen kann; man könnte das Budget in Fünssrankcnstückcn darin unlerbringcn. Dev Minister des Znnerm Herr Thiers, wird sich gewiß darin sehr wohl be finden. Wen» man den Quai d'Orsay an den Gärten der schöne» Hctcls der Lille-Straße cnllang gebt, kommt man zu dem Palast Bourbon, wo die Dcpulirten-Kammer sich versammelt. Dieter Tempel dcr Gcsctz- gcbung wird von vier Schildwachcn gehütet: von l'Hospital, von Sully, Daguesseau und Colbert, die drinnen besser angebracht wäre», als außer halb, die wir lieber aus den Mimsterbänkcn, als aus ihren steinernen Stühlen sitzen sähen. Wenn man diese ehrwürdige»Gestalten betrachtet, die gewissermaßen al« Sinnbilder am Eingänge de« Palastes Bourbon angebracht sind, so fällt einem unwillkürlich dabei ein, daß die Waare des Schildes nicht wcrlh sey. Die Konkordien-Brücke, die der Deputirte»-Kammer gegenüber liegt, ist mit zwölf Statuen geschmückt, welche ein Dutzend der größte» Männer vorstellen, die Frankreich bervorgebracht hat: vier Generale, vier Minister und vier große Scehcldeii. Diese kolossalen Statuen sind der Gegenstand vielen Tadels. Man hat beschlossen, sie von dcr Brücke fortjunehmen und auf dcm Konkordien-Platze, dem Obelisk von Lnyor gegenüber, auszustellen. Der Aegyptische Obelisk wird, was man auch dagegen einwende, der Knust, dem Geschmack und dcr Perspektive zum Trotz, aus diesem Platz errichtet werden. Boni Palast Bourbon kömmt man zur Esplanade des Znvaliden- hanses. Hier ist der letzte Richtpunkt des Französischen Kriegers. Heinrich IV., dieser gute Soldat, war der Erste, der daran dachte, de» alten nnd verstümmelten Militairs einen Zufluchtsort anzmreisen; da« Zuvaliden-Hotel ist von Ludwig XIV. erbaut worden, der die Zdecn der Anderen so gnt zu benutzen wußte und es sehr wohl verstand, die großen Projekte, die er auf seinem Wege-vorfand, mit Einsicht und Pracht auszusühren. Plan bewundert allgemein den vergoldeten, von Mansard erbauten Dom der Znvaliden. Bor der Esplanade ist eine schwebende Brückt, die nach den Ely. fälschen Feldern führt. Diese Znvaliden - Brückt war dtrgtstalt invalid, daß sit, als man sie zum trsten Male über den Fluß anbringen wollte, mit ihrer ganzen Last beim ersten Versuch ins Wasser fiel. Ma» hat sie dauerhafter hergestellt. An dieser Stelle wird der Fluß sehr viel vo» de» Liebhabern des Fischen« mit der Angelruthe besucht. Hier er holte sich ost Herr von Cordiers von den Arbeiten des Ministeriums; er liebte sehr die Ufer des Flusses, wo er seiner doppelten Leidenschaft als Bücher-Antiquar und als Angler Genüge leisten konnte. Man erzählt von Herrn von Corbiöre einen hübschen Witz in Be zug aus die Seine. Wir müssen voranschicke,i, daß Herr von CorbiLrs in nicht geringem Grade jene Trägheit befaß, die den geistreichen Leuten ost so eigen ist. Jemand sagte einst zu ihm: „Die Seine bleibt doch immer in ihrem Bett." „„Sie ist sehr glücklich"", erwicdcrte er. Nahe bei der Znvaliden-Brücke ist die Feucrpumpe des Gros- Caillou, welche den südlichen Theil vo» Paris mit Wasser versorgt, und die Tabacks-Fabrik. Kein Etablissement ist mit mehr Verwün schungen beladen worden, als diese« letztere. Wer hat in seinem Leben eine gesetzliche Cigarre geraucht, ohne auf die Regie zu schimpfen? Aber die Regie achtet nicht darauf uud erbäut stolz ihr Hotel auf dem linken Ufer der Seine, während die Brinvittiersschc Fabrik, die Imisendmal weniger vergiftend war, auf dcm rechten User nicdergebrannt wurde. Seitdem e« eine Gewohnheit der eleganten Leute geworden, sich der Cigarrcn zu bedienen, bat sich die Regie beeilt, diese saskionable Laune zu benutze»; man forderte Havanna-Cigarren, sic verkaufte da» Stück zu fünf Centimen. Aber was für Cigarren waren das, großer Golt! Zst es möglich, eigen ehr lichen Raucher schmählicher zu belrüzeu, der, aus die Traktate sich der-