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431 vertrant zu sehn, um aus ihrer Organisation sowohl als aus ihren Temperamenten dies Resultat herauszubringcn. Das Ergebniß aller dieser unglücklichen Einflüsse hat sich in unse rer Literatur so herausgestellt, wie es von selbst zu erwarten war. Bei der großen Menge von Personen, die sich bei uns rühmen können, in irgend eine Zeitschrist oder ci» Lagesblalt irgend einmal eine literarische Arbeit geliefert, zu haben, will cs doch kaum Einer wagen, als Autor, als Literal von Profession auszulrclen, und wir haben nur etwa zehn Beispiele von Männern aufzuwmen, die ibre Existenz als Schriftsteller auf eine andere Weise als durch das Abfasscn von Schulbüchern er langt habe». Noah Webster, unser gelehrter und unermüdlicher Philo- log, der ein Dictionnair zu Tage gefördert, das durch seine verdienst volle vergleichende Linguistik selbst den großen Johnson überbietet, die ser gelehrte Mann hat seine pccnniairen Erfolge und, wie wir hinzu- fügcn können, seine Achtung bei dem Amerikanische» Publikum ledig lich einem von ihm hcrausgegcbencn Buchstabir- und Lescbuchc zu ver danken. Der schon dahin geschiedene Or. Morse mag als ein zweites Bei spiel für dieselbe Thatsache angeführt werden. Er ist es, dem die Ehre gebührt, als Vater der Amerikanischen Geographie anerkannt zu seyn. Unermüdlich in seiner Arbeit als Sammler, hatte er eine große Anzahl von Jahren der Erforschung des Gestimmt-Gebietes der Vereinigten Staaten gewidmet, in denen man vor seiner Zeit in den großen Land strichen des Nordens, Westens und Südens fast eben so wenig von einander wußte, als etwa noch jetzt von dem Indien, das jenseits des Ganges gelegen ist. Seine „Allgemeine Amerikanische Geographie", ein sehr großer Oklavband, erschien in mehreren Ausgaben nach einander — aber, wie wir vermulhcn dürfen, mit nur geringem Gewinn für den Verfasser. Denn in unserem Vatcrlandc ist nur dem eine reichhaltige goldene Mine geöffnet, der es versteht, ein Schulbuch herauSzugcben, daS allgemein in Mode kömmt und von Millionen von Kindern be nutzt wird, die immer von neuem eine Umarbeitung und Umgestaltung ihrer Lesebücher nötbig machen. Unser I>r. Morse, der sich gar bald von dem Wesen der Amerikanischen Literatur überzeugt batte, beeilte sich daher, aus seinem größeren Werke einen kleineren Auszug zu veran stalten und als eine Schul-Geographie berauszugcbcn, von der bereits mehr als zwanzig Ausgaben erschiene» sind. Das merkwürdigste Beispiel von pccnniaircm Ersolge der Autor schaft bietet uns der Verfasser dcS „Peter Parlcv" dar. Samuel Goodrich batte sich tbeils durch verschiedene literarische Werke bekannt gemacht, iheils sich als Herausgeber der „Erinnerung an Boston", des glücklichsten Memoirs, das unser Vaterland auszuwcisen hat, ausge zeichnet. Seine Verse trugen keinen gemeinen Stempel der Poesie, und feine Versuche waren von'einem besonders höheren Schlage. Allein er machte gar bald die Entdeckung, daß der Boden der Amerikanischen Literatur nichts als dürre Lorbeeren hcrvorbrächlc, die noch dazu die kleineren Kritiker auszuzraben und auszuräutcn sich eifrig bemühten. Anstatt einer unfruchtbaren Untersuchung der ätherischen Gebirgs-Adern, ließ er sich daher mit dem seinen Landsleuten eigenen Scharfblick in die Thäler hinab und begann, den ergiebigeren Boden an der Oberfläche zu bcpflügen. Nach mannigfachen Versuchen mit Schulbüchern gelang cs ihm endlich, die Ader des „Pctcr Parley" aufzusindc», und cr zog aus dem Werke mehr Vorrbcil, als Coopcr, Irving, oder sonst irgend ein anderer Amerikanischer Schriftsteller. Es ist eine Reihe von kleinen Schriften, in niedlicher passender Form, mit einer großen Anzahl von Holzschnitten, vortrefflich geeignet, das Auge junger Kinder zu fesseln. Dec Inhalt erstreckt sich auf Geographie, Geschichte, Rcisebeschrcibun- gen, Ausflüge, bbronologic und dergleichen, und die Schreibart ist ein glücklicher Eonvcrsations-Stil, der die richtige Mitte zwischen dem Kindergesprächc und dem gewöhnlichen Bücher-Stil hält. Es wurden ungeheure Kisten von dem Werke nach allen Richtungen hin vcrfahren> und cs giebt keinen Assortiments-Buchhändler in der Provinz, der nicht mebrere'hundert Stück von „Peter Parlcv" Hal. Wir haben hier nicht nötbig, von den pccuniaircu Erfolgen Cooper s und Irving s zu sprechen, da dieselben, in England sowohl als in Amerika, bereits hin- tänglich ausposaunt und fast über die Maßen doch angeschlagen wur den. Wir könnte» auch »och hundert andcrc einzelne Bücher änführcn, die einen guten Erfolg gehabt und die ibrcn Verlästern Geld Angebracht haben. Allein wir haben hier nur diejenigen Pcrfoncn hervorhebcn wollen, die man ganz eigentlich Autoren von Profession nennen darf, »nd von denen man sagen kann, daß sie durch ihre» Beruf eine Sub- sisirnz erlangt haben. ES kann keinem Zweifel unterliegen, daß wir, indem wir die Hin dernisse für das Gedeihen der Amerikanischen Literatur zusammenstclllcn, dasselbe.nur mit tiefem Leidwesen unternahmen. Wir hätten noch tau send andere hinzufügen können, allein wir berührten nur diejenigen, die Niis als die wichtigsten und schrecklichsten erschienen. Sehr gern wür den wir den Gegenstand in anderer Weise, etwa mit lauter Lobeser hebungen, behandelt haben. Allein wir sind einer gebieterischen Pflicht gefolgt, um nur das miizuchcilcn, was der einfache» Wahrheit angemessen schien. I» demselben Gcific wollen wir nun auch hier forlsahren, wenn wir uns gleich aus einen schwierigeren Boden begeben. Wir lassen uns nur durch reine Unparlcilichkcit, Aufrichtigkeit und Wahrheit leiten. Pros I^ciusve liust» riiscriming habetur. Hätten die Englischen Beobachter, welche bei uns gewesen und in ihr Vaterland zurückgekchrt sind, um uns daselbst hcrabzusetzen und zu erniedrigen, als Leute, die nicht nur aller Literatur, sondmi auch alles Geschmackes für dieselbe entbehre», hätten diese Beobachter, sage ich, einen freieren Geist und ein reineres und edleres Gemülh besessen, so würden sie nur darüber in Bewunderung ausgcbrochcn sepn, daß wir trotz aller der »ns entgcgeustchcndcn Hindernisse dennoch innerhalb der kurzen Zeit so viel schon geleistet haben. Sie hätten daran denken' sollen, daß ihre eigenen literarischen Schätze seit den Zeilen Alfrcd's und Bkda'S und CKaucer'S in cinsr Ncihefolge von mehreren Jahrbmi- dcrten allmälig angcsammclt worden sind. Sie hätten bedenken solle», daß ihre Literatur bereits ihr goldenes Zeitalter erreicht und darauf bald staliouair, bald, wie Einige behaupten, selbst rückgängig geworden ist, als »och drei Vicrthcilc vo» den Amerikanischen Siaätcn eine Wildniß, nur von rohen wilden Männern bewohnt, waren. In den ersten zehn Jahren nach unscrcr Revolution balle sich das Land noch nicht von seinen Kämpscn für die National-Enstcnz hinreichend crbolt, um an den Anbau dcr Lilcralur zu denken, an cin Studium, das lediglich das Resultat der Ruhe, des Ucbcrflusscs und der Ordnung, der Herr schaft, des Wohlstandes, des Gedankens und dcr freien Meinung ist.. Unscrcr Literalur kann höchstens ein Aller von ungefähr vierzig Jahre» zugeschricben werden; das ist nur cin kleiner Bruch von den ncu»hun- dcrt Jahre», während welcher die Lilcralur von England heranwuchs. Mu cincr Flolle von wcnigcn Frcgallcn und Kricgsschiffcn, dic man spotlwcise jenseits des Occans „Onoh - basks" (Kähne) ucnnt, habe» wir uns doch im Angesicht einer Flotte von lausend Schiffen Achtung zu verschaffen gewußt. Hätten wir mm auch selbst unsere lausend Schiffe, würdcn sic uns da wohl »och als eine» nicht zu bcachlcndcn Fcind oder als cincn ohumächligeii Alliirlcn anscbcn? Wären wir im Stande, binnen vierzig Jahrcn, gegcn Wind und Wcllcr, das zu voll enden, was wir bereits in dcr Lilcralur zu Ende gebracht haben, was wird dann der Geschichtsschreiber von uns sagen, wenn er neunhundert Jahre später eine Parallele zwischen den Schriftstellern in England und den Transatlantischen Küsten ziehe» wird? Wenn man aber spöttisch fragt, wer denn cin Amerikemisches Buch licst? Und .aas für epische oder andere Gedichte und bänderciche klas sische Werke wir wobl bcrvorgcbrachl haben? Dann erwiedcrn wir darauf, daß, wcnn man alle die Umstände erwägt, dic wir im Verlaufe unseres Artikels erwähnt, wcnn man dcn Mangel an Schrislstcllcr» von Profession, den Mangel an pecuniaircn Erfolgen, das Vorurthcil zu Gunsten dcr Englischen Schriften, dic unsere Verleger ohne dic Er- laubiiiß dcr Verfasser frei hcrausgcbcn dürfen, scrncc dic allgemeine Hinneigung des Amerikanischen Volkes zu mechanischer Betriebsamkeit oder zur Politik, sodann das Eingcnommcnsevn gegen die Literaten, als cinc besondere Klasse, und den Umstand, daß wir unsere litcrarische Epoche erst seit vierzig Jahren begonnen habe», wcnn man dics Alles in Erwägung zieht, so kann man wohl kaum erwarten, daß wir schon epische Gedichte zu Tage sördern sollten. Wer möchlc sich hier wohl berufen fühlen, rine so voluminöse Geschichte, wie dic von Hume oder Smollct, dic Anualcn cincr Nation zu schreiben, dic kaum cin halbcs Jahrhundert gelebt bat. Was wir bis ictzt geleistet haben, ist gerade so beschaffen, wie es zu erwarten war von einer Nation von unbczräuztcm literarischen Ehr geiz und allerlei Hülfsquellcn, aber ohne weitere besondere Ermunterung und Belohnung; das beißt, unzählige Versuche in nnmi «cilnli, lite rarische Projekte vo» allerlei Charakter, mehr periodische Blätter als England selbst, unzählige großsprecherische Reden, Tauscndc von litcra- rischcn Skizzen und eine Masse von Gedichten in dcn Zeitungen, kurz allerlei geistige und mit Fleiß zu Tage geförderte Arbeiten; dic Keime von epischen Gedichten, die noch im Gehirn dcr Schriftsteller zurück- bleibe» und die sich vollkommen entwickeln würden, falls ihnen mehr Ermunterung und Belohnung zu Tbcil würde; Werke, dic man ange- fangcn und wieder aufgegcbcn, so wie cs scv» mußte, da, wo ein Jeder sich selbst für fähig hält, schriftstellerisch auszutrcten, indem cr durch de» Ehrgeiz angcfcucrt wird, dic Unsterblichkeit in dicscr Richtung zu suchen, und'wo cr die Feder hastig ergreift und mit verzweifelter Anstrengung, gleich einem tolle» Fechter, forlsährt, bis er endlich ein wenig müde ssird, indem er findet, daß sich „icht aus jeder Art von Baumstamm ein Apollo ausschncidcn läßt^— indem cr bemerkt, daß die literarische» Arbeite» Zeit koste», daß sic nicht immer mit bcsvndcrcm Lobe bcchrt werden, daß sic dcn Kopf ermüde», zu andcrc» Anstrcngungcn untaug lich machen und daß sie endlich nicht zu dem Kreise dcrjcnigc» Beschä's- ttgmigsweiscn gehören, dic Geld bringen und Achtung verschaffen. Dazu kommt noch die ökonomische Wissenschaft, das besondere Talent dcr gulc» und schlichten Haushalttmg, wodurch sich dic Amerikaner bekanntlich ganz, besonders auszcichncn. Cato, Junius und Publicola, diese begeben sich, dcr Eine auf fein Pachtgul, der Andere nach seinem Bureau und dcr Dritte nach emem Schnapsladc» zu den Wählcrn; dic Blaustrümpfe (Schriftstellerinnen) waschen die Dintc der Sounctte von ihren nied lichen Zingcrchcn ab uud beobachten lieber die netten Formcn und At titüde» der „schöne» Assemblee"; dcr dcginncudc Philosoph und Poet wird Kaufmaun und Kongreß-Mitglied, und dic gelebrlc Schöne über nimmt die Ober-Aufsicht und Verwaltung in ibrcr Küche. Sobald iiv» dcr Paroxismus dcr Begeisterung, dcr scilm mehr als cinmal zumAuc- bruchc kömmt, gänzlich vorüber ist, so findet sich Keiner, dcr die kurze litcrarische Wuth, von dcr sic bcsallcn waren, mehr bespöttelt und belacht, als gerade dic wicdcrhcrgcstclltcn Patienten selbst. Würdcn wir-cs für Miseren gegcnwärtigcn Zweck für itvlhwendig finden, so tönntcn wir leicht eine» ganzen Band mit diese» vorübergehenden Anstrengungen, mit diesen gelungenen Versuchen, mit dcn poetischen Ergüssen uud den herrlichen uud beredten Gcdankcnspiclcn aufüllen, die gleich einer Stern schnuppe aussunkchi, vielleicht als die geräuschvollsten und am meisten Aussehen errege,idc» Kolonnen irgend einer Zeitschrift in dcr Provinz, Man verwundert sich und fragt, wer wohl dcr Verfasscr gewesen sevir. mag, wenn anders das Produkt vor das Auge eines Mannes kömmt, dcr das Verdienst zu schätzen versteht. Aber gerade so, wie das Meteor, verschwindet cs schnell, nachdem cs cincn Äugcnblick am Horizont ge funkelt hat. Man darf nur cinmal einige alle periodische Blätter vor nehmen, um sich davon zu überzeugen. Zuweilen führt das erste Auf treten mit solche» einzelne» literarischen Produkten zu öffentlichem Ruhme und Anerkennung, und diese dauern vielleicht für einige Zeit regelmäßig fort; dann werden sic immcr seltener und kürzer, bis sie endlich ganz verschwinden, indem sic die unbczwcifclte Ueberzeugung zu- rücklaffen, daß der Verfasser entweder mit Tode «(gegangen oder daß kkc