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Wöckenelich ersweinen drei Nummern. Pränumeration«. Prei« 22j Sgr. <; Tdlr.» vierteliadrttS-, Z Tblr. für das ganze Jade, ohne Er höhung, in allen Theile» der Preuhn'tken Monarchie. Magazin für die Man prinumerirt auf die.«» Beiblatt der hllg. P.'. T Zeitung jn Berlin i» Erpedition «Mähren-SlinM No. Z4«; in der Provinz ß» wie im Auslände der dnzr WobUöbl. Post-Aemtrr»- Literatur des Auslandes. 110 Berlin, Montag den 14. September 1835». Frankreich. Saint-Martin. Wer, wenn auch nur flüchtig, die periodischen Schriften durchläuft, in denen philosophische» Materien ein Raum vergönnt wird, dem mutz auch schon der Name Saint-Marlin's vorgckommen scpn, Sainl-Mar- tin's, des Jlluminatc» oder des unbckannte» Philosophen, wie er auch wohl sonst bcitzt. In der Thal wird dieser Name in den kritischen Arbeiten der Wissenschaft vielfach genug wiederholt; aber so oft er vorkommt, so ist dies immer auf eine so durchaus unbestimmte und geheimnitzvvlle Weise, datz die Neugier, mochte sie auch anfangs noch so rege fevu, wenn sie sich immer wieder von neuem mit Rälh- scln abgespcist siebt, gar bald »achlätzt und erlischt, und ei» Gefühl der Unmöglichkeit, über den seltsamen Mann in s Klare zu kommen, an ihre Stelle tritt. Wir aber beharren bei der Frage: Was ist dies sür rin Mann, auf den sich die Einen berufen und zu stützen suchen, den die Anderen wiederum als einen furchlbarcn Gegner bekämpft», und über de» doch eigentlich so Wenige etwas Gründliches zu sage» wissens Saint - Martin ist kein Deutscher von Geburt, wie Eiuigc geglaubt ha be»; er ist im Herzen Frankreichs geboren, zu Amboise, an den Ufern der Loire. Und bei dieser Gelegenheit scheint mir die Bcmcrlung nicht nnzwcckmätzig zu sevn, wie dies schöne Bassi» der Loire, dem man so oft den Vorwurf der Unftuchlbarkcil und Armmb an Kunst und Poesie gemacht bat, unter allen Provinzen Frankreichs die fruchtbarste gewesen ist an Philosophen und auSgczcichuclc» DeMcr» — wir brauchen nur Jean Bodin, Rabelais,'Volncv, Saint-Martin, Dclaforgc und Des cartes, den berühmtesten von Allen, zu nennen. Und was nicht »lin der der Beachtung wenb scheint, ist dies, datz jeder der angeführte» Denker, bald hier bald da in seinen Wersen, uns mit den glänzendsten Ergüssen einer poetischen Einbildungskraft überrascht, eine Gabe und Ei.zcntbümlichkeil, die für das innere Leben jener Männer und die ZcugungSkräftigkeit ihrer Natur vielleicht ein eben so gewichtiges Zeug- nitz liefern dürste, als die Reife und Meisterschaft ihrer philosophischen Fähigkeiten. . Doch zurück zu Saint-Marlin! Wahrlich ein seltsames Geschick, das dieser Schriftsteller zu erfahren gehabt! Zeitgenoß der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, auf der wüsten Fläche des Sensualismus dahintrcibcnd, faßt er, anstatt, wie so viele Andere, sich dem leichten Strome der Zeil zu überlassen, den starken Entschluß, ihm entgegen zu schwimmen. Die größte» Geister, die edelsten Eharaktcrc siebi er zum Feinde übergehe»/sicht ihrem Beispiele ganze Klaffen der Gesellschaft folgen; ihn" ficht es nicht an. Mil reiner, uncMwtihtcr, leidenschaft licher Liebe Hal er sich dem Spiritualismus verbunden, und dieser Bund bedarf keiner Ermulhigung und keines Lobes von außen her, um zu bestehen. Der Zukunft sicher, Harri er aus. Fest überzeugt, daß das Geschlecht früher oder später auf die alte Bahn des MvsticiSmus (im wahrhaften Sinne des Worts) zurückkommen müsse, arbeitete er rastlos an der Erweiterung und entwickelnden Ausführung, desselben. Ein lan ges Leben lang war ihm keine Anstrengung zu beschwerlich oder zu viel, feine Lehre erläuternd zu vervollkommnen; ja, mail könnte es ihm so gar zum Vorwurf machen, daß er sich bisweilen von jene», Eiser ver leiten lassen, aus Quellen zu schöpfen, die nicht die reinsten waren, wie denn sein durchaus freiwilliger Eintritt in die geheime Verbrüderung der Jlluminaten hierfür als Beispiel gelten muß. — Da Saint-Mar tin die Gabe, schnell und zugleich gul zu schreiben, im höchsten Grade besaß, so traten seine Schriften in rascher Folge an's Licht, doch durch eine Sonderbarkeit seines Charakters, die der allgemeineren Verbreitung seiner Ansichten sehr günstig war, erschien keines dieser Werke in Frank reich, keines unter seinem Namen; er ließ sie mit einer Art von Unbe kümmertheit unter dem ziemlich sctisamcn Titel: Von einem unbe kannten Philosophen, in die Welt gehen. Vielleicht sind diese Sonderbarkeiten der abhängigen Stellung zuzuschrciben, in die er sich durch seinen Beitritt ,» einer geheimen Gesellschaft mag versetzt gesehen haben; wenigstens würde man auf eine andere Weise die völlüze Obsku rität, die über einem beträchtlichen Thejl des von ihm Hcrrübrcnden schwebt, sich zu erklären nicht im Stande sevn. Wie dem auch scp, unser Philosoph beraubte sich ftiber, wenigstens für eine Zeit lang, aller Möglichkeiten eines sichere» und der Sache gemäßen Erfolgs; seine Schriften fanden beim größeren Publikum wenig oder gar keinen An klang, und wir würden seinen Namen vergeblich unter denen suchen, die der intolerante Spott der herrschenden Coterie der Zeit, im Jn-- tercffe ihrer angefochtenen Sache, verfolgen und verunglimpfen zu müssen glaubte. Gleichgültig sab die frivole Generation, Lie er batte belehren wvk- len, über ihn hinweg, und auch die Revolution und das Kaiserreich waren ihm nicht günstiger. Diese beiden Epochen, die sich in so vieler Hinsicht so erzeugend, und gestaltend bewiesen, fanden wieder in anderes Beziehungen Nichts besser unk zweckmäßiger, als die Marimen Les Re giments, oas sie entthront hatten, bcizubehalten. Um zn den Begriffen. Gottes, der Seele und der Well zu gelangen, ist es nicht genug, daß eine Epoche Intelligenz, Kraft und Kühnheit besitzt; vor Allem gehört die Klarheit und Freiheit des ungetrübten, in den Interessen der Ge genwart nicht befangenen Geistes dazu, und die Erfahrung bat nirr zu oft bewiesen, daß gerade dies höchste Ersorderniß philosophischer Ent wickelung den Revolutionen der Völker und ihren großen krirgerischtrr Bewegungen abgrgangc» ist. Diese wesentlichen Bedingungen, man muß cs gestehen, fehlten der Restauration nicht; doch war sie immer noch mit zu vielen unreinen Elementen überfüllt und dem schwierizerr Prozesse der tieferen Scheidung und höhere» Entwickelung nicht gewach sen. Ihre Philosophie war eine schüchterne und furchtsame. Sie nahm ihre Zuflucht zum Eklektizismus; doch wann wären seine Flügel mäch tig genug gewesen, sich über den Gesichtskreis des Irdischen hinauszu-. schwingen? Dem Eklektizismus wird Saint-Martin immer ein Gegen stand der Furcht und heiligen Scheu bleiben, denn er fühlt es am besten, wie wenig er zum Verständniß dieses crbabcm*n kühnen Geistes berufen ist. Man lese die kritische Geschichte von Damiron, eines ter ausgezeichnetsten Repräsentanten des Eklektizismus; mit wenigen unbe stimmten Phrasen und ein paar Eitatcn, die den meisten Raum auS- füllen müssen, macht er sich aus dem Staube, und man steht es ihr» an, datz er sroh ist, über die gefährliche Stelle hinweg zu sepn; von Bcrstättdnitz ist keine Rede; mehr oder minder brillante oder poetische Visionen eines erhitzten Kopfes, sonst sicht er nichts in diesen Pbikv- sophemen. Für cinen Dichter gilt ihm Saint-Martin, und Liese Meinung, die er sich weiter keine Mühe giebt irgend gründlich darzu- lbun, nehmen sämmtliche Abcschützcn in der Metaphysik auf Treu rms Glauben an. Datz aber ein gebildeterer Geist, datz ein Mann, Leis wohl der Beruf nicht abgcstrittcn werden mag, den Französischen Theo sophen zu verstehen, datz Herr Cousin zum Beispiel, in einem jener Momcnic unwillkürlicher Begeisterung, wo Alles leicht erscheint, sogar die Unparteilichkeit in dcr Philosophie, von seinem Katheder herab eiw Lob dieses Genies erschallen läßt und öffentlich erklärt, die ewige Lehre des MvstiziSmuS seh nie mit so vieler Tiefe und so umfassend bärge st c Ul worden, als von Saint-Martin — was meint man wohl, daß dies gcsruchlet habe, dies Zeugnis; der Gerechtigkeit und unbezwinglicher Ucbcrzeugung? Glaubt man, das; ein JMcreffc sür Saint-Marlin, unr ein Interesse dcr Neugier wenigstens für ihn erregt worden ftp? Auch nicht das allcrmindcstc! Nichts, gar nichts! Wie früher wird Saint- Martin das geheime und, so zu sagen, untheilbare Besitzthum weniger begeisterten Bewunderer bleibe», und diese Wenigen, zufrieden, dis Reize ihres Autors still für sich zu genießen, werden auch nicht einmal Las Bcdürsnitz zu fühlen scheinen, die Anderen mit ihm bekannt zu mach«» Wir sür unser Theil nun könne» uns mit dieser Weise des JiolmnS nicht befreunden; dcr Egoismus dieses MeingcnuffeS ist uns in tiefster Seele verhaßt, und wir halten uns im entgegengesetzten Sinne zu den Licdesworttu: „Ich will dir zu trinken geben, Herr, und auch Lei»: Kameele tränken." So sind vier'Generationen vorübergegangen, ohne daß Samt- Mariin'S Name die öffentliche Würdigung, die er mit vollem Rechte' verdient, erhalten hat. Sollte er von dem Heranwachsende» Geschlechte mehr Gerechtigkeit zu erwarten haben? Sollte es ihn, ausbehaUen sevn, von dieser frischen Jugend für die Unbilden verachtender »der »v- wiffcnder Gleichgültigkeit/die er erfahren müssen, entschädigt zu werd«»» Wer möchte das mit Sicherheit zu behaupten wagen? Doch lassen sich allerdings günstige Symptome wahrnebmcn: der Sinn für die höchsten wissenschaftlichen Studien ist von neuem erwacht; mit glühender Be gier, die nicht ohne Erfolg bleiben kann, drängt man sich dem Heilig» ibum der gebcimnißvollcn Fragen zu, die unser Autor abhandett. I« dieser Zeit nun, wo es immer nur noch erst eine Hoffnung ist, daß «v hervorircle» werde in den vollen Tag der allgemeinen Anerkennung, in dir» ser Zeit dürste, meiner Meinung nach, bei dem Mangel an vollständiger»;. Arbeiten, eine gedrängte, aber klare und möglichst genaue Analyse ei««» Hauptwerkes von Saint-Martin vielleicht den glücklichen Erfolg habe», in jugendlichen Geistern das Verlangen nach dem Studium dieses Schriftstellers zu entzünden, und in diesem Sinne habe ich mich ent schlossen, folgende Skizze zu entwerfen. Nur eine Analyse zu gehe», war meine Absicht, und so werde ich »sich denn aller Reflexionen E- nerseitS über die vorkommendcn Punkte enthalte».