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inner dem Kaiser gebient; er liebt die Franzosen und giebt ihnen heim lich Wein von Momcsiaeccne. Die Zimmer dieses Gasthauses sind zwar mit Thürcn verscben, doch habe» sic weder Schlosser, noch Schläft fel. Janus, der Beides ermüden haben soll, muß nicht nach diesem Theil von Latium gekommen srvn. Doch kann man durchaus keine tragische Furcht aufkommen .affen, weil die Päpstliche Wache die Herberge be schützt und dabei die Chöre aus dem Barbier im trefflichsten En semble singt. Nach einigen Stunden unruhigen Schlafes auf einem harten Bell macht man sich nach Aquapendente auf de» Weg, welcher Flecken, ein wahres Bild drs Hungers, in einer der crhabrnstcn Gebirgs-Landschaf ten liegt.') Kaum aber ist man eine Strecke über diesen Ort hinaus, so nimmt die Gegend auch wieder ihren früheren traurigen Charakler an. Der Boden wird uns, achtbarer; man st oft von neuem auf vul kanische Trümmer; die Bcgclation verkrüppelt immer mehr; alte Bäume mit zersplitterten Stämmen und fahlem Laube ragen von Zeit zu Zeit auf Unterlagen von Trümmern und Schlacken hervor; es scheint fast, als wolle das.Schauspiel von Radicofani sich erneuern, und Mulh- losigkeit ergreift den Reisenden. Nichts als Lavazüze, Haufen von Schlacken, ausgclcockncte Ströme, Wasserstürze ohne Wasser, Bulkane vbue Feuer, Feider ohne Grün; wenn man nicht Geologe ist, so ver falle man wahrlich darüber ganz in Schwcrmnlh. Man fühlt sich ver sucht, »ach Florenz zurückzukebren und sich für da» Opfer einer Mvsti- sicalio» zu hallen; denn unmöglich kann man sich vorstcllcn, daß Rom am Ende dieser Kette von Vulkanen liegt, deren die Lateinischen Auto ren gar nicht gedenken. Nein, das sind nicht die Sümpfe, die dem Hannibal den Berlust eine« Auges zuzogcn, das sind nicht die Etrus kischen Bäume, welche die Geheimnisse Caliiiua's hörten, nicht die Schluch ten, suuce» bitrnriae, in denen Manlius und seine Verschworenen vor dem silbernen Adler zu Boden sanken. Es ist weiter nichts als eitie ewig unbewohnbare Wüste, ein Land ohne HülfSquellen, das nie, weder das Karlbaginiensische Heer, noch die Krieger des Sulla, noch die fttnfjizianscud Proletarier Catilina'S, ernähren konnte; ei» Schäfer ist jetzt kaum im Stande, in diesem Hunger-Gebiete zu leben! Aber plötzlich vom Gipset des Sankt Lorenz - Berges ersteht vor unseren Blicken eine unerwartete Aussicht, wie die Fala Morgana der Wüste. ES er glänzt zu unseren Füßen der See von Belscna, leuchtend wie der un ermeßliche Spiegel der Sonne; ein üppiger Wald scheint sich mit uns von dem Kamm der Apenninen zu den Ufern des Sees Hinabzustürze»; Lausende von Bögeln schweben wie Wolken über diesem ruhigen Bin nensee; Oliven-Gehölze krönen ihn; zwei grüne Insel» schaukeln sich auf seinen Gewässern, wie zwei vor Anker' liegende Fahrzeuge; seine kleinen vergoldeten Wellen brechen sich an den lebendigen Hecken der schönen Garten von Bolsena und am Fuß eines Schlosses aus dem Mittelalter, auf Lessen Ruinen der gelbe Ginster, der Steinbrech und die Aloe blühen. Es ist eine köstliche Neberraschung; sie versöhnt wieder mit den Apenninen, und dafür könnte man sich schon noch mehr Bulkane und Schlacken gefallen lassen; der See von Bolsena erfrischt die durch die Bilder des vorigen Tage« abgestumpfte Einbildungskraft; mit Entzücken versenkt man sich in diese neue prachtvolle Natur, wo sich endlich Italiens Schatten, seine lebendigen Gewässer, fein Lichtglanz, die sanf ten Umrisse seiner Hügel vereinige», um uns Wonne zu bereiten. Bol sena und seine Umgebungen haben sicher Poussin vorgeschwcbt; da findet man alle Originale dieses großen LandschaftS-Malers; aus dieser Natur bat er mit voller Palette geschöpft, hier bat er'seine Werkstatt aufge- schlagcn. Durch ein Wunder hat Bolsena seine Gehölze, seine Gewässer, seine schönen Berge erhalten. An der Stelle dieses Sees siedele einst ein furchtbarer Vulkan; doch eines Tages verwandelte sich der Vulkan in einen See und füllte sich mit munlcrcn Fischen. Gott gebe, daß er sein früheres Handwerk nicht wieder beginne! Man kann in diesen vulkanischen Ländern aus nichts Beständiges rechnen. Bis dahin wollen wir uns des Sees freuen; er hat einen Umfang von zwanzig Meile»; Ler Krater war eben so groß und beschämte den Vesuv und den Aetna. Man setzte uns im Gasthaus» Fische aus dem See vor; sie hatten durch aus nichts Vulkanisches an sich. In Bolsena gehen die Mahlzeiten wieder an, das Fasten der Apenninen ist zu Ende ; der Wirth trägt mit wichtiger Miene Wein von Monte-Fiascoue aus; man kennt in Bol sena Federvieh und Wildpret, man backt sogar daselbst Brod; die Ein wohner scheinen jedoch von dem Allen nichts gewahr zu werden, denn sie sehen sehr elend anS. Der Glanz des Gasthauses^ die Schönheit der Gegend und der Gärten verdecken dem Reisenden das daselbst herr schende Elend, den Aussatz, die Lumpen und. die abscheulichen Straßen. In das Dors selbst muß man eintreten, um diesen betrübenden Kontrast zu bemerken; aber Niemand macht sich diese Unbequemlichkeit; das Gast haus ist extra mura« gelegen. Ma» kömmt an Montc-FiaSccne vorüber, einem auf einem Berge gelegenen Dorfe, von dem ich aber nur die Kuppel der Kirche kennen 'lernte; dann beginnen von neuem die Vulkane, die schwcsclichtcn Seen; doch das schadet nichts, denn in Bolsena hat man frischen Muth ge sammelt; man erlaubt sich sogar einige geologische Untersuchungen; män wittert da» Erdpech in der Luft, man hebt den ersten besten Kieselstein auf und schlägt Feuer an wie Achates, nicht um Hirsche daran zu bra ten, sondern um eine Cigarre aiizuzünden; es ist ein recht behagliches Gefühl, an ausgebrannten Vulkanen ft;„e Zigarre anzusteckcn, wenn man vorher in Bolsena tüchtig gefrühstückt hat. Bald entdeckt man am äußerste» Rande des Horizonts, i» einer dem Auge noch schwer zu uttterscheidcuden Emsernung, weiße nebelig» Atom», welche die Statt Viterbo andcutcn. Eine ganz» Eben» bat man »her noch zurückzulegcn, und sie ist sicher eine der längsten und breitesten. Für kurze Zeil vcr- ') Die liier folgende Schilderung von Aauavendentc wurde bereits vor einiger Zeit, unter der lleberschriit: „Ein Erübstück zu Aauavendcnte" und ohne Nennung des Verfasser», von einem Französsschkll Blatte mitgerheitt, wbrauS he auch in Nr. ZS des „Magazins" überging.. 451 läßt der Reisende die Apenninen, die ihn durch ganz Italien mit einer verzweifelten Hartnäckigkeit verfolgen. Endlich kann er einmal sagen: bis Viterbo bi» ich auf der Ebene. Nach einer sechsstündigen Wande- nmg empfängt Dich Viterbo am Fuße seines Berge», eine kleine, lang weilige und gewöhnliche Stadt; es bietet Dir ei»ni Tisch an, an dem es wenig zu essen giebt, und ein Bett, in dem man nicht schlafen kann. Aber was thut da»? noch siebzehn Meile», und wir sind in Rom Ma» muß durch den berüchtigten Wald von Viterbo, das Revier der Tragiker unserer Boulevard»; »S ist ei» langer unheimlicher Weg, de» die Banditen genau kennen und die Reisenden fürchte». In der Nacht, bei mattem Slcrncnschimmcr, gestalte» die Bäume sich aben teuerlich, blicke» aus de» Gebüschen Fliuienläufe hervor, in der Luft flüstern schauerliche Töne, die Leucht-Käfer verwandelii sich in Dolch klingen; der Reisende sagt ei» Slcrbegebct her; er hält seine Börse in der einen, sei» Leben in der andere» Hand, gern bereit, jene berauszu- gcben, um diese» zu rette»; doch Bäume und Gebüsche fordcrn ihm nichts ab, und man gebt heutzutage um Mitternacht mit weniger Gefahr durch den Wald von Viterbo, als Mittag» über dcn Boulevard du Temple. Die Civilisation ist bi» nach Biterbo gedrungen. Der erhabene und majestätische Wald bedeckt da» Gebirge; ma» dringt ei» i» seine dun kele» und gcheimuißvollc» Schauer; vier Stunden lang begleitet er un», bald dem Blicke so undurchdringlich, wie ei» weil ausgcbrcilcles Leichen tuch, bald seinen Vorhang lüftend, um uu» seine Abgründe, seine tiefen Höhlen, seine bewachsenen Felsen, seine vom Winde niedergebeugten Grabkrcuz» zu enthüllen. Der Reisende, der mehr von diesem Berge hinabgleilet al» gebt, kömmt dann in Ronciglionc, einem elende», durch die Franzosen verheerten Dorsc an, das noch die Spure» der Feuers brünste trägt. Unser Name steht in Ronciglione nicht in gutem An denken/und die Klugheit gebietet, dort Englisch zu spreche». Man hält sich hier nur auf, um von der Landstraße aus ein» bewunderungs würdige, in de» Felsen wie cingegrabenc Landschaft anzustauuen. Neber einem düstere» Abgrund schwebe» die Häuser, mit der Aussicht, einst hinunlcrzustürzc». In Ronciglloiie steht ei:e Abthcilnng Päpstlicher Dragoner; sic sind bei dem Walde von Viterbo nicht am unrechten Orte. Am Ausganze dieses Dorfes beginnt eigentlich die Ebene von Nom. Eine ganz kahle und schweigende Ebene, die zur Sammlung, nicht mehr zur Schwcrmnlh cinladet. Etwa» Ernst cs und Feierliches scheint am Horizont zu glänze». Die Landschaft zerstreut uns nicht durch Bäume, Hütte» und Dörfer. Es ist eine Einöde; vom Gipfel eines Berges schaut ma» auf eine weite kreisförmige Vertiefung, die mit strah lende» Bergen gekrönt ist; sie sicht au» wie ein grüner See; rin ein ziges weißes Hau» schimmert verloren daraus hervor; cs war sonst cin Bacchus-Tempel, jetzt ist es nur cin Gasthaus, Baccano genannt, der lehte Ruhepunkt der Pilger. Wenn man über Baccano hinaus ist, kömmt man in einen Hohlweg, steigt da»» auf eine Anhöhe, und alle Stimmen der Lüste jauchzen nun: Siche, da ist Rom! Die heilige Stadt offenbart sich »och bloß durch weiße leuchtende Punkte, die, über einander gehäuft, an den Gränzcn der Ebene wie ein Sternbild schimmern. Man unterscheidet das Kreuz der Sankt-Pclers- Kirchc, dcn achten Hügel, den die Religion der Stadt de» RomuluS hinzugesügt hat. Der Monte Soracle steigt wie ein Gewölk herauf. Trunken und mit schwimmenden Augen staunte ich dies Alles an. Ich, dcr ich nut die Freuden und niemals die Leiden der Schule empfunden hatte, ich befand mich endlich im Angesicht der Stadck, wo einst die ersten guten Freunde lebten, die ich in meiner zartesten Kindheit liebte. Dieses Rom, dessen Geschichte ich schon im zehnten Jahre kannte; dicse Dichter, dercn Verse ich schon i» einem Alter, wo man sonst »och stam melt, auswendig wußte; diese Konsul», unicr denen ich iu dcn Spielen und Träumen meiner Schulzeit so viele Schlachten geliefert ball«; alle diese großen Bilder, diese'erhabenen Werke, dicse Helden mciner kind lichen' Begeisterung, incine ganze Welt lag vor mir. Der geringste Ge genstand,'dec mir auf diesem Wege begegnete, prägte sich mir unver geßlich ein; dcr unter einem Baum ruhende Schäfer, der Reiter, wel cher mich mit Staub bedeckte, die kleine über eine» Bach führende Brücke, die einsame Hütts, dcr Mcilcnstein, a» dem ich via Oassia la», nicht» von allcm diesen war mir gleichgültig. In einem fiebcr- haslen Zustande schritt ich vorwärts; alle Äugciiblickc schloß ich die Augen, um hundert Mal das Glück zu genießen, sie gegen den.Horizont auszuschlage», cm welchem Rom bci jedem meiner 'Schritte sich ver größerte. Auch empfing mich Rom, da» in mir seine» eifrigstcir Anbeter sah, in seinem vollen GIanze; mir schenkte c» einen jener herr lichen Tage, die e» unter de» stürmischen JduS des Marzes sur seine Freunde ausspart; dcr Mond sticg heiler hintcr dem Monte Soracle heraus; die Sonne sank wolkenlos am Meere»-Horizont nieder; die Lust war lau, gcwürzig und durchsichtig; am reinen Himmel traten die ferne» Gebäude des Vatikans und de» JanicnlumS hervor; die Ma jestät der Ebene umgab die heilige Stadt wie eine unermeßliche strah lende Glorie. , Ich war stolz in dem Gedanken', daß diese Fcier der Stadt und de» Himmel» vielleicht nicht ganz außer Beziehung zu mir stände, daß dicse strahlende heitere Atmosphäre mir aufbewahrt worden, damit auch nicht cin Wölkchen meine kindliche Rührung trübe; ich begrüßte dcn Tibcrstrom wie einen alle» Freund; ich eilte über die Brücke, ich durch flog dic Vorstadt mit einer solchen Hast, als wenn Rom mir eulflichc» könnte; dic Porta del Popolo hemmte meine Schritte; so viel Pracht hatte ich nicht erwartet; Ehre sch denen, die Rom auf ciue so erha bene Weise dem Pilger aniundigten! Rom bedurfte eines solchen Ein ganges. Wie entzücken mich diese prächtige» Säulenhallen, dieser von Sphinxen getragene Obelisk, dieser Hügcl mit Bäumen und Blumen, der zu dcn Gärte» Lticull'S hinausstcigt, diese kolostalen Statuen, die de» Halbkreis schmücken, dic Statuen Rom», de» Tiber-Gottes, dcS Anio, de» Neptuns, Und diese Marmorbcckcn, aus denen das Wasser in Strömen herauespringt; wie liebe ich diese katholische» Kirchen mit dm