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450 Feit nm die Erlaubnis an, in das Conseil einzulreten .:.. Da nahm Herr von Maurepas die Maske ab und erklärte dem jungen Könige, da» alle Minister (mit Ausnahme des Herrn von 'Castries) ihre Ent lassung rinreichen wurden, wofern man ihnen NeÄcr als Kollegen prä- sentirte. Der König schlägt demnach Recker seine Bitte ab, und der Herr von Maurepas ist cs selbst, der in seinem Jubel darüber dem General-Direktor der Finanzen in eigener Person die Nachricht von dem ungünstigen Beschlusse des Königs überbringt. An demselben Abend, am 19. Mai 1781, reichte Necker dem Könige sein« Demission ein; es geschah vermittelst eines kleinen Billets ailf einem kleinen Stückchen Papier, auf dem folgende Worte ohne Titel rmd Eingang sich befanden: „Die Unterredung, die ich mit dem Herrn von Maurepas gehabt, «erlaubt mir keinen Verzug, um meine Entlassung in die Hände des Königs zu überreichen. Mein Herz ist verwundet! . .. Ich wage zu hoffen, daß Se. Majestät die glücklichen, aber mühseligen Dienste von mehreren Zähren und besonders den unbcgränzten Eifer im Gedächt nisse bewahren werden, mit dem ich mich stets Ihren Diensten widmete. Necker." Nachdem er diese Entlassung eingereicht, begab sich Necker mit seiner Familie nach St. Oucn. Hier wurden ibm an demselben Tage mehr als fünfhundert Visiten abgestatlet, unter Anderen vom Prinzen von Condh und von dem Herzoge von Orleans, so wie von dem Her zoge von Chartres.") Necker hatte sich zurückgezogen, in der Absicht, seine Dienste für bessere Zeiten in Bereitschaft zu halten. Es war die Königin, die ihn zum zweiten Male an den Hof berief... er trat in das Ministerium ein, in einer sehr stürmischen Epoche, wo er Gelegenheit hatte, seinen politischen Muth zu beweisen. Damals ward er von seiner Tochter un terstützt, deren Enthusiasmus für ihn, wie bekannt, in s Unbegränzle stieg ... Allein dieses Mal mußte er dem Sturme weichen, der ihn ziwücktrieb; er mußte Frankreich fliehen, indem er cs in einer Krisis hinterließ, die über sein Geschick entscheiden sollte, ohne daß er selbst die Parteien zu vernichten vermochte, die er nur erschüttert halte. Frankreich schauderte unter der revolutionnairen Bewegung, die ihm von Necker mitgcchcilt wurde, und durch die er das Wehl desselben herbei geführt haben würde, wenn er in seiner Macht geblieben wäre. Ader Lie Gefahr der Konstitnanlcn hatte bas Volk bewaffnet, dessen Muth die Tbeorieen sanctioniren sollte, die Necker unvollkommen zurückgelaffcn. Damals war es, wo die Partei des Ancicn Regime sich wülhend gegen den Gcnfischen Minister erhob ... Er verließ in aller Eile Pari« und floh nach Basel. Es war merkwürdig, daß in demselben Augenblicke zu Basel sich die Familie Polignac bestand, jene von der öffentlichen Meinung geäch tete Familie, wegen der ungeheuren Geschenke, die ihr der Hof gemacht halte- und wegen des Ministers, der im Conseil cs darauf angelegt, daß man die Günstlinge ihres Goldes und ihrer Besitzungen beraube, die der Hof auf Kosten der Mühen und der Nachtwachen des Volkes an ihnen verschwendete!... (Schluß folgt.) Italien. Mery'S Jtaliänische Reise. IV. Siena. — Radicofani. — Rom. (Schluß.) Endlich einmal eiir Dorf zum Malen, das heißt, aus der Ferne bc- ' trachtet, denn in der Nähe ist cs sehr schwarz und armselig: San Luirico meine ich; cs hat sich, tun reine Luft einathmen zn können, auf einem Berg angcsiedell; eine treffliche Vorsicht der Einwohner, da sie von der Luft leben. Mir gefällt das von Oliven - Bäumen rimgürtete und von einem hohen viereckigen Thurme beherrschte San Ouiirico. Nun aber wird die Landstraße immer trauriger, die Gegend immer öder; Alles verkündet die Nähe des vulkanischen Gebirges und des Lüstern und eisenhaltigen Dorfes Radicofani. Radicofani ist ganz in Wolken gehüllt; cs ist ein Aetna, dessen Krater verlöschten, weil es keine Städte mehr zu verschütten und keine Felder mehr zn versengen gab. Die Geologen haben das Geheimniß feiner voriiialigen Ausbrüche noch nicht erklärt, wie überhaupt die Wissenschaft nur immer das schon Begriffene erläutert; hier sagt sie uns nur: Radicofani war früher ein Vulkan. Aber welch cin Vulkan! Er erstreckte seine Herrschaft über alle diese aufgehäuften Bcrzc, die sich über Len Gesichtskreis hinaus bis nach Bolscna hinzic- hcn, Es war ein feuerspeiender Gebirgszug, dessen Lavaströmc, sich von einander trennend, im Mittelländischen und Adriatischen Mcere erloschen. Damals mußte man noch nichts von Evander, von Romu lus, von Porsenna; Italien war in schmelzender Gährnng begriffen; Lie ganze Halbinsel war eine Feucrzunge, und ihre Flammenströme krcuz- 1bn sich über der Charv.bdis und Scylla mit denen Siciliens. Doch eincs Tages erstarrte dic« Alles durch einen Hauch von Oben herab; diese ganze FeuerSglulh erlisch wie eine Lampe, der cs an Oel gebricht. Die Lavaströme, die unkgcstü'rzten Felsen, die glühcnden Schlacken, die zerschmolzenen Berge bewahrten dieselbe Form wie in dem Augenblicke, als der eisige Hauch über sie s.ortstrich; das ist der wunderbare Anblick, den Radicofani dem Reisenden «darbictet. Wenn man von diesem wil den Felsen, der so schwarz wie cs.n ausgclöschler Brand ist, hcrabsteigt, so gelangt man in cin namcn- und herrenloses Gebiet, auf cin ganz neutrales Stück Land, das Niemand gewollt, weher der Großherzog, der so wenig besitzt, noch der Papst, der Alles nach sich nimmt. Nur im Monde, glaube ich, kann man einen Boden finden, welcher dem gleicht, der sich unter Radicofani fortzieht; so writ der Blick reicht, ist dieser *) Hem jetzigen Könige der Franzosen', Ludwig Philipp. ganze Fleck mit Lava und Schlacken bedeckt, als wenn er so cbcn erst ausgebrannt wäre; man möchte sagen, cine gewaltige unterirdische Er schütterung habe die Berge in die Lust geschlendert, und sie seyen in Trümmern wieder zur Erde zurück gefallen. Das Herz zieht sich vor Mißmuth bei diesem Anblick zusammen; es scheint uns, als müsse diese Trauer über die ganze Natur verbreitet seyn, als wären alle jene lieb lichen und heiteren Landschaften, dic man bis jetzt gesehen, nur cin Traum der letzten Nacht, als habe man sich in eine unbekannte, unbewohnt« Gegend verirrt, wo unsere Fußtritte die ruhenden Vulkane erwecken wüßten. Man kann sich gar nicht verstellen, daß jenseits dieses ausge brannten Horizontes, dieser zerbröckelten Berge, dieser ehernen Ebene,, auf welcher der Pilger auch nicht einmal durch einen einzigen Grashalm erfreut wird, wieder frisches Grün hervorsprießen könnc. Ich, der ich mich immer ganz dem Eindrücke der äußeren Gegenstände hingebe, ich wurde von diesem Anblick, wie von einem Unglück, zu Boden "gedrückt; auf dem Wege nach jenem Rom, dem Paradies der Künstler, verlangte mich nach dem im Evangelium verkündeten Pfad voller Dornen und Disteln, denn Dornen und Disteln haben doch wenigstens etwas Lcbcir in sich und gleichen von weitem den Feldblumen. Von jedem vulkani schen Gipfel spähte ich sehnsüchtig nach einer Idee von Baum, nach einer bebauten Furche, cincm von Menschenhänden bearbeiteten Stein;, doch immer vergebens, überall Vernichtung, Tod, metaliichte Erdstückt, mit Lava bedeckte Flächen, Pyramiden von ausgcbranntcu Kohlen, ein- gcfunkene Krater und im Feuer geglättete Granit-Kegel. Gegen Abend endlich gelangte ich zu den Sümpfen, 'welche dieses Höllen-Gebiet be- gränzen; ich erblickte einen Hirten und einige Schaafe, die dcnn doch sicherlich keine Lava verzehrten; da kehrte die Freude in mein Herz zurück; ein bleicher Sonnenstrahl beleuchtete einige mit Schilf gedeckt« Gebäude, dic sich in cincm krpstallhcllen Flusse abspiegeltem Ich er kannte dic reißenden Gewässer der Paglia; ich sollte nun den Kirchen staat betreten; der kleine Weiler zur Linken war Ponle-Centino; rechts lehnte sich an eine Bergwand die alte Hauptstadt der Volsker, der Sitz- Porscnna's. In diesem Augenblicke schwebte cin Adler über Pontc- Centino; ich begrüßte ihn als ein gutes Zeichen und gedachte nichL mehr der Schauer Radicofam's. Hier will ich aber doch einige zwar höchst prosaische Details über das Zollamt beifügen, über dies furchtbare Zollamt, das den Reisenden einer sorgfältig prüfenden Beschauung unterwirft, da« in seine Koffer eindringt", sich auf seine Bücher, seine Albums und Manuskripte stürzt, um darunter Voltaire, Rousseau und Volney, diese entsetzlichen Feinde des Vatikans, aufzusindcn. Zitternd nahte ich mich diesem plündernden Zollamt«; das Bürcau war geschlossen, was übrigens beständig der Fall ist; die Beamten gehen immer auf der Hochebene von Pontc-Ccn- tino spazieren, Rossinische Arien singend und unverwandt ihre Augen auf die vulkanische Straße von Radicofani heftend. Sobald sie einen Rei sende» gewahr werden, schließen sic eiligst ihr Büreau; dann sind sie näm lich berechtigt, cine Gebühr zn fordern, die ..knnri nr.-l" (außer der Zeit) genannt wird. Dic Entrichtung dieser Gebühr hängt aber vom Willen des Reisenden ab; der sich jedoch gern eine Art von Geldbuße, die übrigens nie mehr als 22 Sous beträgt, gefallen läßt, nm nur nach der Schließung des Büreaus tuori »ra noch sein Bisa zu erhalten. Wenn man Lie Beamten fragt, um welche Zeit dcnn eigentlich das Büreau geschloffen werde, so geben sie jedesmal zur Antwort, daß man nur fünf Minuten früher hätte ankommcn müssen, um es noch offen zn fin den. Mit großer Würde führt man dann den Reisenden in einen Saal mit drei Schreibpnlicn. Uebcr dcm mittelsten Pulle steht geschrie ben: Ainmti-a prima, über dem zur Linken: Mnisiro II., und über dem zur Rechten: älinislro III. Der Saal ist mit Senats-Beschlüssen austapeziert, dic mit der Tiara untcrsicgclt und vom Kardinal Somaglia unterzeichnet sind. Die drei ÜliniRri nehmen feierlich Platz und lesen die Pässe oder scheinen sic-wenigsten« zu lesen; während dieser Ceremonie hat der Reisende freie Muße, die Hauptstadt der Volsker zn betrachten oder an MnciuS Scävola zu denken. Nach crtheiltem Bisa schreitet man zur Untersuchung der Koffer, und das ist das Uner träglichste! Auf die liebreiche Forderung des AiniRco prima öffnete ich mei nen Mantclsack. Ich.hatte nur zwei Bücher darin, meinen Virgil und meinen Horaz, die ich noch in der Schule gebraucht hatte; sie' warm in sehr schlechtem Zustande und daher von verdächtigem Acnßercn. Zwei Bücher, so schwarz, wie die eines Carbonara. Nun begann das Verhör; der Beamte fragte mich: „Was ist das für ein Buch?" „„Es ist das Werk eincs Ihrer Landsleute"", antwortete ich, „„eines gewissen Virgilius Maro, der in Rom unter einem Kaiser lebte, ehe es Päpste gab."" „Was steht in diesem Buche?" „„Nichts Beson deres; Ihr Landsmann crtheilt hierin den Ackerbauern einen Nath, wie sie die Weinrebe mit hcm Ulmbanm verbinden sollen, und dann hat er eine Menge Sonnette gedichtet ans einen gewissen Aeneas, mit dem Beinamen des Frommen, der die Stadl Rom gründete, in welcher Ihnen Gott die Gnade zu Tbcil werden ließ, das Licht der Welt zu erblicken."" „Ist cs Italiänisch geschrieben?" „„Ja, in Lateinischem Italiänisch."" „Und dieses zweite Buch?" „„Der Verfasser ist ein Freund Virgil s; er hieß Horaz; er dichtete Lieder ans den Falerner Wein und auf eine kleine Billa, die er bei Tivoli besaß."" „Es ist gut; und weiter haben Sie nichts anruaeben?" „,-Ncin, Ercellenz."" „Sic sind entlassen." Dann empfahl sich, ihren Anführer an der Spitze, eine Abthcilung Päpstlicher Soldaten unserer Freigebigkeit; sie waren aber nicht unbe scheiden in ihren Forderungen; wir vcttlicilien einige Bajocchj unlcr sic und reichten den drei Beamten ein mäßiges Trinkgeld, die sich dafür in Danksagungen erschöpften; so endigte diese wichtige Durch,uchung. Das Gasthaus ist gegenüber, cs hat durchaus nichts Abschreckendes, ist rein lich und weiß, und sogar mit einer Küche versehen, doch speist man schlecht genug daselbst. Glücklicherweise spricht der oamorioca (Kellner) geläufig Französisch und erzählt Dir von seinen Campagnen; er hat