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380 Anderes als ihren Beifall erwartend, doch nicht gering war sein Erstau nen, als ihm mit unverkennbarer Kälte begegnet wurde und er sogar Verweise erhielt. „Was hast Du gcthan, unsinniger Knabe!" erwiedcrte ihm Begüm- Bikö. „Weißt Du auch, daß die Befehle des Chan'S heilig sind? daß Niemand es wagt, seinen Geboten zuwider zu handeln? Der Nucker muß sich der von seinem Gebieter ihm zuerkanntcn Strafe unterwerfen, und Du verdienst daher den vollen Zorn Deines Oheims." Der Knabe begriff die Worte der Tante nicht, bestand daher auf Befreiung des geretteten Nucker, brach daraus in Thräncn aus und drohte endlich, seinen Dolch ziehend, sich die Brust zu durchbohren, wenn seine Bitten nicht erhört würden. Beginn Biko, gerührt von der gutmüthigcn Heftigkeit ihres Neffen, verbarg demselben ihr Milgc- sühl, befahl aber, den Nucker zu verbergen, und versicherte Abbas-Kuli, sich für den Knecht beim Chan zu verwenden. Dies geschah auch. Das Vergehen des Nucker erwies sich als unbedeutend, und der milder ge stimmte Chan begnadigte am folgenden Tage seinen Diener; der junge Befreier aber eilte selbst, vor Freude springend, denselben von Lem Er folge seiner Fürbitte in Kenntniß zu setzen. „Golt segne Dich!" jauchzte der Nucker, indem er zu den Füßen des Knaben nicderstürzle und den Saum von Abbas - Kuli's Kleidung mit Thräncn benetzte. Der unglückliche Tod des Fürsten Zizijänoff unter Len Mauern von Baku ist bekannt — er wurde durch Hussein-Kuü-Chau's Berrath beim Einzüge in die Festung ermordet — doch nicht lange währte der Triumph des Mörders und seines Mitschuldigen, Scheck-Ali-Chan, da bald darauf General Bulgakoff mit einem Truppcn-Corps in Baku cin- rücktc, das Cbanat unter den Schutz der Russischen Regierung stellte, der verbrecherische Hussein Kuli-Chan aber nach Persien floh. Mirza-Muhamcd-Chan dagegen verließ nun seine entlegenen Kuban- fchcn Dörfer, begab sich zu dem General Bulgakoff und trat aus Ergebenheit für Rußland, vielleicht auch im Nachegefühl gegen den Räuber seines Thro nes oder in der Hoffnung, dadurch wieder in den Besitz seiner Rechte zu gelangen, in die Reihen der Russischen Krieger. In dem Chanate Baku wurde jedoch die Russische Verwaltung installirt und bald darauf nach unbedeutendem Widerstande auf gleiche Weise auch das Chanat Kuban in Besitz genommen, aus welchem Mirza's Bruder, Schelk - Ali - Chan, nach dem nördlichen Daghestan flüchtete. Dem Rußland ergebenen Mirza-Muhamed-Chan wurde damals die Verwaltung des bhanals von Kuban übertragen, von wo er spater, nachdem sich auch dort die Russi sche Regierung mehr befestigt hatte, zu dem ruhigeren Landleben nach seinem unweit der Stadt gelegenen Dorfe Amsar zurückkchrte. Dort lebte er in der Abgeschiedenheit mit seiner Gemahlin und seinem nun bereits zum Jünglinge herangcwachsenen Sohne, ohne der früheren Ehren und seines Thrones zu gedenken, indem er nur die Stütze und den Trost seines Alters in seinem Sohne zu finden hoffte, welchem er Ergebenheit für das Russische Gouvernement einflößtc, und Len er nicht selten der Gnad? des großen Kaisers gewürdigt zu sehen träumte. Die Rachsucht seines frevelhaften Bruders brütete jedoch.bcrcits über seinen Untergang, denn Scheck-Ali-Chan konnte ihm seine Verbindung mit den Russen, so wie seinen Antheil an den Feldzügen gegen Baku und Kuban, nicht verzeihen. Acht Jahre waren seit dem Tode des Fürsten Zizijänoff verflossen, als Schelk - Ali - Chan, nachdem er Banden von Lcsghicrn versammelt und unaufhörlich mit den Russen Krieg geführt, auch mehrere Einfälle in verschiedene Orte DaghcstanS gemacht halte, endlich auch eine schick liche Gelegenheit auffand, um seinen Bruder mit feiner ganzen Familie in dem friedlichen Dorfe Amsar zu vernichten. Einer seiner Mitschuldigen, Namens Tschcrkcß - Bev, kannte genau die Lage des Landhauses des ChanS. Unter dem Schutze einer finstern Nacht schlich sich dieser Berräther mit mehreren Nuckcren in das Dorf, wo cS ihm gelang, einige Fäßchen Pulver unter der Mauer der Woh nung Mirza-Muhamcd-Chan'S unbemerkt zu vergraben. Mit Entzücken erfuhr Scheick-All-Chan die gelungene Ausführung des von ihm dem Tschcrkcß-Bch erthcllten Auftrages und bestimmte die folgende Nacht zur Ballführung seines scheußlichen Planes, indem er selbst sich an dem Schauspiele des Unterganges seines Bruders zu weiden wünfchte. Schon brach der Abend dcs Unglücks - TagcS herein. Im Hause Mirza-Muhamcd-Chan's war Alles still, Niemand ahnete, daß in eini gen Stunden hier nur ein Steinhaufen zum Andcickcn hinterlistiger Rache, als Zeugniß für die Geschichte eines entsetzlichen Brudermordes, übrig bleiben sollte. Die Kühle des Abends aber veranlaßte Abbas-Kuli- sein Tages- Geschäft äufzugebcn, und führte ihn von den seine Wohnung umgeben den Gärten weit fort. Versunken in Träumen übrr seine Zukunft, durchstach er den Wald an den steilen Ufern des Karatschai und blieb nur zuweilen stehen, nm sich an dem herrlichen Anblicke der Gebirge zu weiden. Der Wald wurde immer dichter, die Dämmerung nahm sichtbar zu, als plötzlich eine Stimme aus dichtem Gesträuch „Abbas- Kuli!" flüsterte. Er blickte um sich und gewahrte nur wenige Schritte von sich entfernt einen vom Kopf bis zu Fuß gerüsteten Mann. Ohne zu wissen, wofür er denselben halten solle, blieb "der Jüngling zweifelhaft stehen; der Unbekannte aber trat mit fcbnellcn Schritten an ihn heran, betrachtete aufmerksam seine Züge und fiel dann plötzlich vor ihm auf die Knicc, indem er mit freudiger Stimme rief: „Allah! Allah! Du bist cs Chan! Allah's Vorsehung ist uncrsorfchlich! Ich niedriger Sklave bin noch einmal der Gnade gewürdigt worden, meinen Wohlthätcr zu sehen, seine Kleider zu berühren und das theilrc Leben dessen zu schützen, der mir das Licht meiner Augen erhalte, hat! Äbbas-Kuli! ich bin Naki, derselbe,Nucker Scheick-Ali-Chan'S, den Du, als Knabe, einst von der Strafe errettetest! Du erhieltest mir meine Augen, die mich jetzt hierher geleitet haben, um Dich zu retten. Eile nach Hause! unter / dec Mauer Eures Schlosses sind sechs Faßchcn Pulver vergraben. Die Bande Scheick-Ali-Chan's erwartet nur seine Befehle, und noch zwei Stunden, so ist ein entsetzliches Verbrechen vollbracht! Ich bin cnttvischt, um mich nach Eurem Hause zu schleichen, das Schicksal aber hat mich zu Dir geführt!" — Abbas-Kuli umarmte den dankbaren Nucker und schied eiligst von ihm, indem der erstaunte Jüngling voller Angst seine Wohnung erreichte. Bald entdeckte man hier auch das vergrabene Pulver, und fämmtliche Diener Mirza-Muhamed-Chan's so wie die Bewohner seines Dorfes Amsar stellten sich wohlbewaffnet zur Bewachung des Hauses um das selbe auf. Der Versuch Scheick-Ali-Chan's wurde nach Kuba gemeldet, lind anstatt eines Erfolges erlitt die nnvermuthct begrüßte Bande der Bösewichter einen großen Verlust an Tobten und Blessirtcn. Die Ver- räther ucbst ihrem Anführer entflohen, jedoch ohne sich umzusehen, weit von dem Gebiete von Kuba. Scheick-Ali-Chan starb im Jahre 1828. Der Nucker Naki blieb im Hause des durch ihn geretteten Mirza-Mu- hamcd-Chan und lebt jetzt auf einem benachbarten Dorfe, überhäuft mit Gnadenbczeugungcn der dankbaren Familie. An der Erzählung dieser Begebenheit aber ist nichts ersonnen. AbbaS-Kuli befindet sich schon längst in Russischen Diensten- und wer ihn kennt, gesteht, daß er die Hoffnungen des Vaters in vollem Maaße gerechtfertigt hat. Gegenwärtig durchreist er Rußland aus Wissbegierde und in der Absicht, mit der Europäischen Kultur bekannter zu werden. Mirza-Muhamcd-Chan und Sophia-Chanum, sciue Ecmahlin, sind schon hoch bejahrt. Sie leben ruhig auf ihrem Landgute in ihrem Dorfe Amsar und harren der Rückkehr ihres Sohnes. Mil ihnen aber harret dieser Freude auch die junge Sckinö, die einzige Frau AbbaS-Kuli's, welche er gegen den ganzen Harem dcs Persischen Padischah nicht ver tauscht und sogar im Kreise Russischer Schönheiten nicht vergißt. Z. Oserezkosfsky. (k. F,. tt.) Bibliographie. Geschichtliche Uebcrsicht der O'irater oder Kalmücken, vom I8tcn Iahr- hundert bis aus die jetzige Zeit. Vom Pater Hvakinth. Ausführliche Nachrichten von den Wolgaischen Kalmücken, gesammelt von N. Ncfcdjesf. Das einäugige Teusclchen. Russische Erzählung von A. Ia...ss. Die Herberge. Memoiren des verstorbenen Gorjanoss, herausgcgc- ben von seinem Freunde N. P. Malo ff. Bibliothek der Romane und historischen Denkwürdigkeiten, herauSge- gcbcn von dem Buchhändler F. Rothhan. Theil IV., V-, VI. und VII. Mannigfaltiges. — Die Englischen Zeitungs-Anzeigen. Die ungeheuren Spalten auf den "ersten Seiten der Times, Les Morning Herald, der Morning Poft und anderer Englischen Blätter sind mit einem wunder baren Gemisch von Täuschung, Betrügerei und Albernheit angesülkr. Man sehe nur diese Reihe von Ankündigungen. Der Eine wünscht sunfzigtauscnd Psuud gegen gehörige Sicherheit geliehen zu bekommen, obgleich er kaum St) Pence besitzt. Ein Anderer will ein Pscrd ver kaufen, für dessen Makellosigkeit er sich verbürgt, und das nur deshalb veräußert werden soll, weil Ler Eigcnlhümer es nicht mehr braucht. Der letzte Theil Les Satzes enthält allein etwas Wahres, denn Las Thier kann freilich weder Lem Eigenthümer, noch sonst Jemanden mehr nützen. Ein Dritter preist Lie Vorzüge einer vegetabilischen Pille an, die alle Krankheiten beseitigt; nur hätte er noch hinzusügen sollen, daß sic mit dem Uebel auch Len Patienten fortschafft. Ein Vierter rühmt sich Ler un eigennützigsten Absicht und lhut das zarte Gcständniß, daß er eine Frau mit einem mäßigen Vermögen brauche, indem er sich selbst sür einen Mann von mittlerem Atter und von einem geringen Einkommen erklärt; aber sein Einkommen ist in der Thal so gering, daß man keine Ziffern braucht, um es zu bczeichneti, und sein mittleres Aller ist dem Ende des Lebens so nahe als möglich. Hier preist ein würdiger Bürger einige Fässer fremder Weine von der vorzüglichsten Lese an; und er muß die Echtheit dersel ben srcilich am besten kennen, da er sie in seinem eigenen Keller fabri- zirt hat. Dort zeigt ein rechtlicher Kausmann an, daß er sein Waarcn- lagcr unter Lem Einkaufspreise zum Besten feiner Gläubiger ausver- kaüfe; dies Beste aber wird sich als ein großes Uebel erweisen, denn er hat Jedermann, Ler ihm Kredit schenkte, glücklich hinters Licht ge führt. Wohin das Auge blickt, findet cs den Beweis, daß die eine Klasse von Menschen immer die andere ausplündert, so wie die eine Specics von Insekten von einer mächtigeren Galtung verschlungen wird. (ülezilustozftula» in LnZIüiuI.) — Russisches Pfennig-Magazin. Nachdem England, Frank reich und Deutschland bereits seit einigen Jahren ihre I'enn/ Iftogo- rino, ÜI-,A»rine ?ittorL-Gno, Pfennig- und Heller-Magazine re. besitzen, wird jetzt'auch Rußland ein ähnliches Beförderungs-Mittel oberflächli cher Bildung und leichter Unterhaltung bekommen. Der bekannte Buch händler Semen in Moskau wird nämlich eine: „Malerische Uebersicht der merkwürdigsten Gegenstände ans den Gebieten der Wissenschaften, Künste, Gewerbe, des gewöhnlichen Lebens, mit Beifügung malerischer Reisen und Lebensbeschreibungen berühmter Männer" hcrausgcben, und zwar soll vom I. Juli bis ZV. Dezember I8Z8 ein starker Band in Quart, schön gedruckt und mit ZVV verschiedenen Zeichnungen geschmückt, sür den mäßigen Preis von 28 Rubel Assig.! (ung. 6 Thlr. 2V Sgr.) geliefert werden. HerauSzegcben von der Nedaction der Allg. Preuß. StaatS-Zeitung. Gedruckt bei A. W. Hayn.