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388 tcÄ.sisdeu Sprache ausdrückeii, geendet hatte. Andere jedoch erklärten diesen Rückzug als eine Großmuth des Admirals, welcher die Türkische Flotte nnr ans Rücksicht auf die Europäischen Handelsschiffe, die uu- sehlbar mit in der Einäscherung zu Grunde gegangen wären, verschont hätte. Diese Erklärung kann, wenn man die Gcgenvorsiellnngen der Befehlshaber dec Stationen an die Stelle der Großmulh des' Admirals setzt, vielleicht auf eine natürlichere Weise den Schlüssel zu den Bewe gungen des Lord Cochrane liefern. Biele andere Ansichten zirkulirtcn noch unter den Gruppen; aber die Details der Ereignisse, welche neben imS und vor unseren Augen vorgegangen waren, wurden mit sonder barer Verschiedenheit erzählt. So wurde es mir auch unmöglich, eine sichere Auskunft über das Schicksal der Mannschaft der in die Luft ge flogenen Brigg zu erlangen. Die Romantischen sagten, der Capitam selber habe Feuer in die Pulverkammer geworfen; Andere, noch größere Freunde des Romantischen, behaupteten, er habe, bevor er diese ver zweifelte Thal ausgeführt, die ganze Equipage an's Land setzen lassen. Die Prosaischen behaupteten dagegen, daß sich die ganze Besatzung an's Land gerettet habe, bevor die Brigg noch von den Brandern erreicht worden war. Endlich wurde auch versichert, daß nur 2k Manu von Ler Besatzung nach Alexandrien gekommen sepcn. Weuige^Worte noch werden binreichen, die Erzählung von dieser Expedition zu beschließen. Die Türkische Flotte machte während dreier Tage vergebens auf die Griechen Jagd. In der dritten Nacht befand sie sich auf der Höhe von Rhodris und nur noch eine Meile vom Feinde. Ich habe es schon gesagt, daß die Nacht ein Schrcckbild der Türken ist, und wahrscheinlich drückten sie, wie alle furchtsame Men schen, die Augen zu, und dieses benutzte Cochrane und nahm einen ver steckten Lauf. An einem Morgen kam die ganze Flotte nach Alexandrien zurück; aber erst acht Tage nach ihrer Abfahrt, weil sie eine" Windstille auf- gehalten hatte. Ich weiß nicht, welches Loos die Befehlshaber der Schiffe getroffen hat; aber das weiß ich, daß ich für sie gezittert habe. Lord Cochrane nahm zunächst seine Richtung nach Macri, einem vortrefflichen Hasen auf der Nordwestseile von Rhodus, an der Küste von Karamauicn. Er versuchte daselbst, damit seine Expedition nicht ganz ohne Nutzen sev, eine Landung; er wurde aber zurückgeschlagen und verlor sieben Mann. Kurze Zeit darauf verließ er den Griechischen Dienst. (reihert cln Gircourt.) Spanien. Spanisches Urthcil zu Gunsten der Stiergefechtc. °) „Welche grausame Belustigung!" rust der Weise, die Augenbrauen zusammenziehend und sein Gesicht in tiefsinnige philanthropische Falten legend. — „Verwünscht setzen diese Stiere!" ächzt ein zimperliches, an moderner Empsindclei kränkelndes Fräulein. — „Welches barbarische Schauspiel!" schreit der kunstgcmäß zugcstutzle Ausländer, der Alles verachtet, was nicht von drüben her kommt. Nichtsdestoweniger besucht der Weise die Stiere, besucht das honigsüße Fräulein die Stiere, besucht der ausländische Kritikaster die Stiere. °°) Was haben denn die so sehr bekrittelten und verabscheuten Stiere für einen Zauber an sich, daß Keiner sie leiden mag und Jeder sie besucht?" WaS giedt es denn eigentlich zu schauen? Ein imposantes und großartiges Schauspiel, eine' ganze Reihe bedeutender Imriguen, die unser Interesse immer gespannt erhallen; wiederholte Triumphe der menschlichen Kunst und des menschlichen Muthcs, die uns offenbaren, welcher phvsischcn Kraft wir fähig sind; einen Circus, der an die Rö mer-Zeilen erinnert; ein Getümmel, csim; Jubel, eine allgemeine frohe Aufregung, die noch lange heilsam nachwirkcn; ein unnennbares Etwas, das die Kaleschen und Gigs hcrumlrcibt, die Menschen lärmend durch einander wogen macht und einer ganzen Stadt neues Leben einhaucht. Die kämpfenden Stiere gewähren außerdem ein posilives Interesse: da ist nichls erdichtet; und wenn die Furcht vor einem unglücklichen Er folge uns mächtig ergreifen kann,, so fühlen wir auch wahre Befriedi gung, wenn unsere Besorgniß unbegründet war. Man hat keinen Grund, ämutiehmcu, daß irgend Jemand mit der Ucberzeugung, daß er ein Un glück sehen werde, zum Stiergefechtc geht; hielte man einen unglückli chen Erfolg für unvermeidlich, so würden die Schaugerüstc leer bleiben. Dies bestätigt der allgemeine Angstruf, sobald ein Kämpfer in dringende Gefahr kommt, und der allgemeine Jubel, wenn er dem Verderben glücklich entronnen ist. Wenn man die Herren Kritiker so reden hört, sollte man glauben, wir Spanier besuchten dergleichen Schauspiele vor, sätzlich, uni uns an einer traurigen Katastrophe zu weiden. Welche Abgeschmacktheit! Die Spanischen Männer und Frauen fühlen sich bei einer solchen Katastrophe schmerzlich ergriffen; aber sic freuen sich über Thatcn, die kühnen Bluth und Geschicklichkeit verkünden, und vor Allem entzückt sic- der cigenthümliche Charakter ihres Vaterlandes, wie er in diesen Spielen sich manifestirt, an denen gewiß unsere spätesten Enkel udch Geschmack finden werden, so lange kein Cichorien - Wasser stall Hispanischen Blutes in unseren Adern stießt. Leicht könnten wie in diesem Artikel auf nationale Belustigungen anderer Völker Hinweisen, die wohl noch etwas barbarischer sctzn dürf ten, als die verrufenen Stiergefechtc. Ich selbst habe in dem gefeierten England ungeheure Welten darüber anstcllen sehen, welcher von zwei Boxern den Anderen am geschicktesten zu Boden schlagen oder ihm das Gesicht mit Fausthieben zerschmettern werde. Mil welcher Lust und *) Die Verdammung dieses grausamen Spieles versteht stell so sehr von selbst und wird so allgemein auSgewrochen, daß es darin» schon nicht un interessant ist, zu Horen, was;u Gunsten desselben vorgebracht werden kann. ") Man sagt im Spanischen vox »Io, io,o» (ich gehe zu denStieren). welchem Interesse schaut der Engländer diesen mörderischen Kämpfen zu! Ein Unglücklicher, der von seinem Gegner zu Tode geboxt und rö chelnd am Boden liegt, verscheidet unter dem lautesten Bekfalljauchze» der Zuschauer! Aber freilich sind dies nur Kämpfe von Menschen gegen Menschen, und da sich's nicht von Stieren handelt, so muß die Sache oo ipso viel unschuldiger sehn. °) Bei den Sliergefechlen ereignen sich Unglücksfälle — o ja! eben so leicht, als ein Maurer vom Dache stürzt und den Hals bricht, eben so leicht, als Pferde mit einer Kutsche durchgehen, so daß die Kutsche eine schiefe Richtung erhält und an einer Straßen-Ecke zertrümmert wird. Soll cs nun darum keine Maurer, keine Gerüste, keine Fuhr werke geben? Am geralhcusten wäre cs freilich, wenn wir unseren Körper stets in Baumwolle wickelten, obschon diese uns wenigstens vor dem Ersticken nicht retten könnte. Jeder Schrill, sagt das Sprüchwort, Hal seine Gefahren. „Allein hier ist ja nur von öffentlichen Belustigungen die Rede." Sehr wohl! aber giebl es denn außer den Stiergefechtc» keine gefähr liche Belustigung mehr? Man denke nur an die Künste auf dem Schlappseil, an das Stehen ans einem galoppircnden Pferde, an den Salto inorlolo übcr scharfgcspitzle Bajonette, an die sogenannten Russi schen Berge (Nulschbcrge) und tausend andere Schauspiele, die sich täglich unseren Blicken darbietcn — freilich sind dergleichen Dinge auch in Paris nnd London Mode; und Sticraesechte giebt cS nur in Spa nien: daher die üble Reputation, in welcher sie stehen. Doch, was sage ich? War ich doch selbst Zeuge von einem Stier- gcfecht auf Französischem Boden, das in der Thal viel Belustigung gewährte! Jeder Stier war vermittelst cincs langen und dicken Seiles an seinen Zwinger befestigt, konnte daher nur so weil rennen, als das Seil ihm erlaubte; außerdem Halle man seine Hörner tiichlig mit Werg umwickelt, und die Picadores führte» Lanzen von Riesenlänge. „Der Vorsichtige", sagt das Sprüchwort, „ist so vicl wcrlh, als Zwei;" demnach muß ein Französischer Picador zwei Spanische aufwiegcn. Die Sticrgefechle — ich wiederhole es — sind für uns Spanier cine echt nationale Erheiterung und jüngferlich rein von jeder auslän dischen Schlacke. Ueberschwemmt Ihr unser Vaterland mit so vielen Novitäten, in Sitten nnd Literatur, so laßt uns wenigstens diese Re liquie aus der guten alten Zeit, diese ganz originelle Ergötzung, mit der keine andere zu vergleichen ist! Der Kampfplatz, die Gerüste, die ihn umziehen, die Stufen und Balkone; die Klarinetten-Konzerte; die Kostüme der Kämpfer; die Maulthiere mit ihren bunleu Fähnlein; die Scherze und Possen: Alles hat ein eigenthllmlichcs Gepräge; die allge meine Aufregung, das durchweg verbreitete Interesse, die Apselsinen- Händlcrinnen, die Bollcro's, die Kabriolets, das Volks-Getümmel: Alles leihet uns Farben zu cincm treuen Gemälde der Spanischen Na tionalität. Wir müssen doch wenigstens in Einem Punkte wir selbst bleiben. Sogar die Berichte über Sticrkampfe empfehlen sich durch eine nervige und unverfälschte Sprache, die mir viel besser klingt, als die Prosa unserer hirnvcrrücklen Melodramaliker L I» zmrmionn«. Die Phrasen solcher Artikel sind mehr unser Eigenlhum, als diejenigen, welche in den Mode-Artikeln ganz und gäbe geworden. Nieder also mit dem Antitorismus °°) und seinen Bekenner», mögen sie mni Ausländer oder unpattiotische Inländer scvn! Die Slier- gcfechte sind ein vorzugsweise Spanisches Institut, nnd dieses Ver dienst ist ihr bester Empfehlungs-Brief an die Nachwelt. (Kcvista L^gauola.) Bibliographie. Gonsillerncionon sohrn las cansas sic la Aranclera clccaclcncia tlo los rnmanas. (Betrachtungen über die Ursache» der Größe nnd des Verfalls der Römer.) Nach Montesquieu, von F V. S. Lneroein Hurgin. — Von Victor Hugo. Ist in dieser Spanischen Uebersetzung auch bereits mehrere Mal mit großem Beifall in Ma drid ausgeführt worden. Pratasta «obre la cria prapagacion <Ic las abojas. (lieber Zucht und Verbreitung der Bienen.) Von Geronimo Ferrer. LI 110^ Noro c!c ss'uloüo. (Der Mauren-König von Toledo.) Novelle. Cordova. Golicceion sie ttmAos nncionalos, eclosiastions, civilcs tnili- tares, siosüo cl siglo IV liasta prinoipüm ilol XIV. (Samm lung Spanischer National-Trachte» nnd Kostüme, vom 4tcn bis zu Anfang des klttcn Jahrhunderts.) Mit Erläuterungen vom Grafen von Clonard. Mannigfaltiges. — Das Alexandrinische Bibel-Manuskript. Aus dem Jahresbericht des Britische» Museums über die Einnahme» und Aus gabe» von 1828 ergiebt sich, daß die Gesammlkcstcn für de» Druck des Facsimile jenes alten Bibel-Kodexes, de» man das Alexandrinische Manuskript nannte, mit Einschluß der verschiedenen Summen, die an den Drucker, Kupferstecher, Herausgeber, Abschreiber und Buchbinder ansgezahlt wurden, sich auf 938l> Pfund Sterling beliefen. Nach den Berichten an das Parlament von 1833 sind nur drei vollständige Exem plare dieses großen Werkes verkauft worden; 43 Stück wurde» vmheilt, theilS uni den Vorschriften des Verlags-Gesetzes zu genügen, theils als Geschenke und zum Gebrauche für die Bibliothek; und I3'i liege» noch zum Verkaufe vorräthig. *) Der Spanier vergißt, daß auch das Boren von der vorgeschrittenen Humanität, in England nicht weniger als im Auslande, längst vervönt ist; mindestens dürste tich dort nicht leicht ein so gebildeter Apologet dafür tinden, wie ihn hier die Stiergefechtc gefunden haben. Anspielung auf tor», Stier, und nicht etwa au, Torp. Herauszczcbcn von der Redaclion dcr Allg. Preuß. Staats-Zeitung. Gedruckt bei A. W. Hayn.