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359 Literatur werde ich aber mit dem Werke des General-Lieutenant Iwan Nikititsch Skobelcfs: Geschenk an meine Kameraden oder Briefwechsel Russischer Soldaten, beschließe». Sie haben ge wiß und mit Vergnügen Balzacs Erzählungen des Französischen Sol daten von Napoleon'» Leben gelesene Wir haben letzt ein ähnliche» oder vielmehr noch bessere» Produkt tiefer Art in dem vorerwähnten Briefwechsel. Dieses Buch ist keine Kopie oder Nachahmung des sogenannten-Soldaten Etile», sondern geradezu ein wahres Soldaten Gespräch mit allen Traditionen, Sagen, Sprüchwörtcrn, Han <n»G, und Original-Redensarten des Russischen Kriegers. Außerdem enthält dieser Briefwechsel, unter der Form der Unterhaltung, Belehrung über alle Pflichten des Menschen und insbesondere des Soldaten, so daß das Werk in der Thal bei uns die erste Bolksschrift ist. (Schluß folgt.) England. Anfänge des Englischen Roman». (Schluß.) Nach vielen fruchtlosen Versuchen gelingt cs Musidor endlich, sich Pamela zu entdecken und sic dahin zn bringen, daß sie mit ihm ent flieht. Aber, o Naivetät dieser heroischen Zeiten, kaum haben sic ein Stück Weges gemacht und dürfen sich vor Verfolgung sicher glauben, al» sie auch schon Sonnelte in die Rinden der Bäume schneiden. Unterdessen bemühe» sich König und Königin um Zclmonc. Ih rer Bestürmungen müde, sagt diese endlich dem Einen wie der Ande ren ein Rendezvous in einer und derselben Grotte um ein und die selbe Mitternachtsstunde zu. Wie sie vorausgcschcn, erkennt der König die Königin in der Dunkelheit der Grotte und dec Nacht nicht, und erfüllt so die letzte räthselhaslcstc Prophezeiung des Del phischen Orakels. Gvnecia hat einen Liebestrank milgebrachl, um sich der Liebe Jelmone's in möglichst gesteigertem Maaße zu erfreuen; Der König ist durstig, begehrt zu trinken, und leert den Kelch, unwis send, was er enthält, mit einem Zuge: aber alsbald sinkt er bewußtlos und wft vergiftet nieder. Mittlerweile giebt sich Zclmonc scincr Ge liebten als Pprocles, Prinz von Makedonien, zu erkennen; er beredet sie ebenfalls, mit ihm zu entfliehen; indeß nach vielem Hin- und Hcr- rcden über diesen Gegenstand überwältigt beide der Schlaf, so daß der Prinz am Morgen in Pbiloclea'S Zimmer in seiner wahren Prinzlick,cn Gestalt betroffen wird. Auch Pamela und ihrem Geliebten geht cs mit ihrer Flucht nicht besser; sie verlieren die Zeit mit Eiaschncidcn schlech ter Sonnette, und werden von Soldaten ergriffen und zurückgebrachl. Da der König aus seinem todesähnlichen Zustand nicht erwacht, so klagt sich Gvnecia verzwcislungsvoll selber an. Die größte Ver wirrung tritt nun in Arkadien ein. Gleichzeitig kommt der König von Makedonien zufällig an die Küste. Philanan, der Protektor von Ar kadien, ersucht ibn . das Richlcraml in dem Prozesse, der eben vorlicgt, zu übernehmen, und räumt ihm zu diesem Endzweck den Königlichen Thron ein, wodurch wieder ei» Theil des Orakels in Ersllllung gehl. Gvnecia wird verurtbrilt, lebendig mit dem Körper ihres, wie sic selber gesicht, von ihr vergifteten Gatten verbrannt zu werden; Pprocles soll sich von der Höhe eines Thurmes bcrabstürzcn und sein Vetter enthaup tet werden; beide Uctheils-Sprüchc werden vom König von Makedonien bestätigt, vlglcich er in den Vcrurthciltcn seinen Sohn und seinen Nef fen erkennt. Da erbebt sich plötzlich Basilius vor der ganzen Gcrichls- Bcrsannnlung aus seinem Sarge, nachdem die bclänbcudc Wirkung des Trankes vorübergegangcn. Das Orakel ist vollständig erfüllt, und die Liebes-Paare werden vereinigt. Die« ist ungefähr der Inhalt des Romans. DaS Haupt-Interesse des Werks besteht in dem Gewählten und Sckwungrcichcn der Sprache und der anmuthigen Schönheit, die sic an vielen Stellen erreicht. „In den Revolutionen des Geschmacks und der Sprache", sagt der Bischos Hurd (Moralische und politische Dialoge, Pag. IÜ7), „giebt cs cinen gewissen Punkt, der mehr als jeder andere dem Zweck der Poesie, und der poetischen Prosa, wie man noch biuzufetzen kann, günstig ist. Es ist schwierig, diesen Punkt genau zu begräuzen und mit Sicherheit an- zugcben. Ec liegt in der Mitte zwischen den wilden Versuchen einer ungezügelten Einbildungskraft und der übertriebenen Verfeinerung in Wisse» und Kunst. Für einen solchen Punkt mittleren Maaßcs für die Englische Sprache sehe ich ihre Beschaffenheit im Zeitalter der Elisabeth an. Sie war rein, kräftig, die Gegenstände durchdringend und von Affcctation frei. In gleicher Zeit waren die grandiosen Bilder, welche die Sprache so eigenthümlich dem dichterischen Gebrauche zubildcn, noch nicht durch den prosaischen Geist der Kritiker und modernen Philologen geregelt." In dieser Epoche, von welcher der Bischof spricht, waren die Ila- liäncr Gegenstand der Nachahmung sür England, wie später die Fran zosen. Sidney s und seiner Zeitgenossen Stil ist voller Emphase und Eoncetti's, aber auch farbenreich, prachtvoll, großartig in Bau und Gliederung. Man könnte eine große Menge glänzender Beschreibungen auS der Ärkadia anführen^ wie zum Beispiel die berühmte Stelle im zweiten Buche, wo Musidop cinrn Renner bändigt. Ein Neidi scher wird einmal solgcndergcstalt beschrieben: „Es wär der neidischste Meysch, glaube ich, der je mit seinem Athen, die Luft verdorben bat; seine Augen konntcn einen glücklichen Menschen nickt gerade anseben, seine Obren nicht da« Lob eines Anderen ertragen. Glück machte ihn unglücklich und gute Nachrichten traurig. Mit einem Wort, nur dann war ihm wobt, wenn er Alles um sich her in kläglichem und erbärmli chem Zustande sah." Eine Nachahmung und Erweiterung dieses Cha rakters ist in der tüten Nummer des Zuschauers zu flnden. Die. Beschreibung der Pamela am Stickrahmen thcilcn wir als eine Probe der Concetlis, von denen das Wert wimmelt, mit. * Die Blumen, die sie gearbeitet halte, waren so natürlich und voller Leben, daß der geschickteste Maler von ihrer Nadel hätte lernen können; hierhin und dorthin lies die gewandte Nadel durch den CanrvaS, und gleichsam, als thälc es ihr leid, sich von einer solchen Hcrrin zu ent fernen, floh sie so schnell als möglich zu ihr zurück. Es war, als wen» der Canovas voller Augen wäre/sic anzublickcn, und die Wunden, die er von ihr empfing, mit Lust cm seinen Busen drückte. Die Knäule schienen cs kaum crwarlen zu können, immer neue Seide zu liefern, und wenn sic den Faden zuweilen abbiß, so kam einem unwillkürlich der Gedanke, sic bilde für eium Moment mit ihren Lippen die Rose, die ihre Finger kurz vorher hatten ausblühen lassen. Die Lilien schie- nen ihre Weiße vielmehr der Hand, die sie schuf, als dem Stoff, aus dem sie geschaffen wurden, zu verdanken; die Augen der Meisterin wa ren die Sonne, in der sie wuchsen, und in dem balsamischen Zephyr ihres Odems oder auch dann und wann eines unwillkürlichen Seufzers blieben sic kühl und frisch." - Die komische Partie der Arkadia, der Spott über Damclas, über seine Passion zum Ackerbau und die Dummheit scincr Frau und Tochter, ist durchaus mißlungen zu nennen. Am Schluß jedes Buches tritt eine Schaar von Schäfern auf, die dem Basilius zu Ehren, einzeln und im Chor Gesänge über Liebe und ländliche Gegenstände anstimmcn. So sind die besten Produclioncn eines Autors beschaffen, den Sir William Temple sich nicht entblödcte, vor einer Nation, die schon Sha kespeare, Spencer und Milton besaß „als den größten Dichter und das erste Genie der älteren und neueren Zeit" zu begrüßen. Auch von Waller und Cowley ist von der Arkadia ungemein viel Rühmens gemacht, und sie ist von den ersten dramatischen Dichtern Englands vielfach nach- geahmt und benutzt worden. Milton theilt uns die Nokiz mit, daß sie Karl I. in seinem Gefängniß Gesellschaft geleistet bade. Die Eliana, die im Jahre 1661 herauckam, mag, der Affcctation wegen, die darin, wie in den Romanen aus der Schule des Enphucs, obwohl in einer anderen Weise herrscht, namenliich hier angeführt werden. Die berühmte Herzogin von Newcastle, aus die Charles Lamb so viel hielt, beschäftigte sich auch mit ähnlichen Composilionen. Aber der einzige Roman in diesem Genre, der einige Berühmtheit erlangte, ist die Parthenifsa, von Roger Boyle, Grafe» von Orrcri, die im Jahre >664 hcranskam und ganz im Stil der Französischen Romane aus der Schule von La Calprenödc und dcs Fräuleins von Scudüry. Er blieb Unvollendet: die allgemeine Stimme fiug schon an, sich gegen diese Art Compositioncn zu erklären; sie paßten zur steifen Galanterie des Tones am Hofe Ludwig s XI V., aber in England, zur Zeit Karl's l!. und scincs freien leichtfertigen glänzenden Hofes war das Bcdürfniß ei» anderes. Man wollte etwas Leichteres, minder Heroisches und Grandioses, mit cincm Wort etwas Menschlicheres. In diese Zeit fallen die Anfänge des mehr natürlichen Genre, das sich mir der Zcil vervollkommnet und zum eigentlichen Englischen Roman entwickelt hat. Damals erschien die Ata laute von Mistreß Manley, der Pope, unvorsichtig genug, eine» unsterblichen Ruhm versprach. Die Romane bon Mistreß Behn, die im Jahre 1689 starb, wur den größtcnthelis gegen das Ende der Regierung Kari's II. geschrieben. Sir R. Steele sagte von ihr, daß sie die Praxis der Liebe besser ver stände, als die Theorie. Ihre Schriften sind dem Einfluß der immo ralischen Tendenz, die wie ein Miasma durch die ganze Literatur jener Zeit verbreitct ist, nicht entgangen. Oroonoko ist der interessanteste ihrer Romane, und diesen muß man von den Beschuldigungen, welche die anderen größtcnlhcils treffen, srcisprcchen. Er liefert ein getreues Bild der Natur; die Verfasserin schrieb ibn, als sie ihren Vatcr nach Surinam begleitete, und Southern bat den Plan eines seiner rührend sten Trauerspiele daraus entnommen. Mistreß Behn wurde von Mistreß Heywood nachgcahmt, die 1696 geboren wurde und I7S8 starb. Ihre ersten Romane: die Verir rungen der Liebe, die Klausnerin, der beschimpfte Gatte, in denen sie die schlüpfrigsten Details behandelt und die bedenklichsten Inlrigucn ohne Schleier zeigt, verstoßen gegen die Moral in demselben Grade und noch mehr wie die vorhergehenden Productionen; ihre tnäuu- lichen Charaktere sind ausschweifend bis zum äußersten Grade, und ihre Frauen so wild, wie die Sarazenischen Prinzcsfinucn in den Ritter-Ro manen. AIS ein neueres und bedcntendcrcs Werk von derselben Ver fasserin, das, wenn auch nicht ganz von den gerügten Fehlern >rci, doch einer lobenderen Erwähnung würdig ist, nennen wir „die Geschichte der Miß Beisy Thoughttcß", die, wie cs scheint, Miß Buruey das Sujet zu ihrer Evelina geliefert hat. In dem Romane der Mistreß Hevwood wird ein junges Mädchen und ihr Eintritt in die große Welt, in London, geschildert. Sic wohnt im Hause und unter der Aufsicht der Lady Mellasin, einer Frau von niederer Herkunft, ordinaircn Manieren und schlechten Sitten, deren Mann der Vormund der Miß Thoughlleß ist. Die HAdin hat von der Ladp und ihrer Tochter, Miß Flora, einen, aufgeblasenen böswilligen Wesen, viel zu leiden. Geistreich und verständig, von reinem Gcmüth und edlem guten Herzen, wird sic durch ihre geringe Sorgfalt für den äußeren Schein, durch ihre Uubckannlschaft mit der Welt und ihren rauscnd Fallstricken in die gesäbrlichsten und erniedrigendsten Lage» ver wickel«. Das Ende aller dieser Unklttghcitcn ist, daß das Zartgefühl eines Maunes, der sic wahrhaft licbt, dadurch beleidigt und cr ihr für immer entfremdet wird. Evciiua befindet sich iy einer ähnlichen Lage. Was Master True- »orth, den Liebhaber der Miß Tboughtleß, zumeist verdrießt und ab stößt, ist. daß er ihr in Gesellschaft der Miß Forward, mit der sic frü her in Ler Pension zusammen gewesen, und von deren gegenwärtiger Verworfenheit sie nichts ahnt, begegnet. Auf dieselbe Weise wird Lord Orville gegen seine Evelina eingenommen, als er sie in Vauxhall in ähnlicher Gesellschaft findet. Uud nicht nur dem Plan nach ist die Ebdlina der Betsv Thonghtleß nachgebildet, sonder» auch dieselben Beziehungen uud Verhältnisse der