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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeratio»-- PreiS 22^ Sgr. sj Thlrst vierteljährlich, 3 Tbtr. für da- ganze Jahr, ohne Er höhung, in alle» Theilen der Preußischen Monarchie. a g a für die Man pränumerirt auf diese« Beiblatt der Allg. Pr. StaatS- Zeitung in Berlin in der Expedition (Mohren-Ctraß« No. Z4); in der Provinz so wie im Auslände bei den Wohllöbl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. 63. Berlin, Mittwoch den 27. Mai 1833. Nord-Amerika. ^buotsknrcl uncl I^evcsteuck-Xhhvz-. (Abbotsford und dtew- stead-Abtei.) Als zweiter Band des unter dem gemeinsamen Titel Mseelltlllivs erschienenen Wanderbuches. °) Bon Wa shington Irving. New-Jork und London, 1825. Ein anziehender Stoff erhält neuen Reiz für das Publikum, wenn die Zeder eine- beliebten Schriftsteller- ihn bearbeitet; und so darf man gewiß nur Scott und Byron al- den Gegenstand und Washington Ir ving als den Verfasser des vorliegenden Buch- nennen, nm dasselbe jedem Leser zu empfehlen. E- enthält die Erinnerungen an einen Besuch, den der Verfasser vor fast zwanzig Jahren, nämlich 1816, dem großen Unbekannten in Abbotsford abftattele, al- dieser noch in bescheidener Zurückgezogenheit lebte und sich noch nicht da- Herrenhau- erbaut hatte, welches er spälcr bewohnlc; so wie die Erinnerungen an einen neueren Aufenlhall zu Newstead, als diese Ablei nicht mehr ihrem edlen Erben gehörte, son dern bereit- in den Besitz des Oberst Wildman übcrgegangcn war. Die Schilderung Waller Scoll's in seinem häuslichen Kreise ist voller Anmulh und Schönheit. Washington Irving wurde aus'- herz lichste von ihm empfangen und blieb mehrere Tage dort. Hören wir ihn selbst: . ' - , „Scott sprach viel von den Plänen, die er mit Abbotsford vor- halte. Es wäre ein Glück für ihn gewesen, halte er sich mit seiner köstlichen, von Wein umrankten Hütte begnügen können, und mit der einfachen, aber frohen, und gastfreundlichen Lebensweise, in der ich ibn zur Zeit meine- Besuches sand. Das ungeheure Gebäude zu Abbots- sord und der gewaltige Aufwand an Dienerschaft, Gefolge, Gästen und üblichem Prunk, zu dem es ihn nöihigle, zehrte seinen Geldbeutel au-, machte ihm Sorge und Mühe und wälzte eine Last auf seinen Geist, die ihn zuletzt zermalmte. Damals jedoch lag noch Alles in weiter Ferne, in matten Umrissen angedeutet, und Scott fand Vergnügen daran, sich seinen künftigen Wohnort gleich einem der Phantasie-Ge bilde seiner Romane au-zumalen. Es sep eines von seinen Lust schlössern, pflegte er zu sagen, da- er in festen Stein und Mörtel ver wandle. Um den Platz zerstreut lagen mancherlei Bruchstücke von den Trummern der Melrose-Abtei, und diese wollte er seiner Wohnung ein verleibe». Ec Halle bereit- aus solchen Materialien eine Art von Go rdischer Blende über eine Quelle gebaut und einen kleinen steinernen Becher darauf gestellt." „Ich muß hier eines sonderbaren Umstandes erwähnen, der mir damals noch nicht bekannt war; Scott war nämlich mit seinen eigenen Schriften äußerst zurückhaltend gegen seine Kinder, und es war idm sogar unangencbm, wenn sie seine romantischen Dichtungen lazen. Ich erfuhr dies einige Zeit nachher au- einer Stelle in einem seiner Briese an mich, wo er'eine- Geschenkes gedachte, da- ich bei meiner Rückkehr »ach England einer der jungen Damen mit der Amerikanischen Mi- nialnr-Ausgabe seiner Gedichte gemacht halte. „„In meiner Eile"", schreibt er, „„habe ich vergessen, Ihnen in Sophiens Namen für die freundliche Aufmerksamkeit zu danken, die Sie ihr mit dem Amerikani schen Bändchen erwiesen habet,. Ich weiß nicht recht, ob ich auch meinen Dank hinzusügcn darf; denn Sie haben sic mit mehr Tbor- hcitcn ihre- Papa - bekannt gemacht, als sic sonst erfahren hätte, weil ich stets eifrig besorgt war, ihnen in ihren frühen Jugcndjahrcn nie etwa- von diesen Dingen zu Gesicht kommen zu lassen."" „An einem schaurigen Tage war Scott von cincm seiner Diener begleitet, der seinen Mantel trug. Dieser Mensch, der Gcorge hieß, wie ich glaube, verdient besondere Erwähnung. Sophie Scott pflegte ihn ihres Vaters Großwcsir zu nennen, und eines Abends, als sie am Arm ihre- Vaters hing, schilderte sie höchst launig die Bcrathungcn, die er und Gcorge gewöhnlich über Landwirlhschafts-Angelegenheiten zusammen hielten. George war sehr zähe in seinen Ansichten, und cr und Scott batten manchmal vor der Thür des Hauscs über irgend etwas, da- auf dem Gute zu verrichten war, lange Debatten mit ein ander, bis der Letztere am Ende ganz ermüdet seine Behauptungen fah ren ließ und mit dem Ausruf „„Gut, gut, George, so mach, was Du willst"", da- Feld räumte. Nach einer Weile aber pflegte dann George sich an der Thür des Sprechzimmers blicken zu lassen und zu sagen: »„Ich habe mir die Sache überlegt und denke, ich werde im Ganzen *) S. Nr. M des Magazin- von d I. Eine vollständige llebersekung nuch diese- zweiten Bandes erscheint in der Buchhandlung der Herren Beir u, Comp. in Berlin. dost) Ew. Edlen Ralh befolgen."" Scolf lachte herzlich über diese Erzählung. ES scy mit ihm und George, meinte cr, wie mit cincm altcn Laird und einem Licblingsdicncr, dem cr so lange nachgegeben hatte, bis e- gar nicht mehr zum Ertragen war. „„Das gehl nicht"", schrie der alte Herr in einem Anfall von Zorn, „„wir können nicht länger zusammen leben, wir müssen »nS trennen."" — „„Na, wo Teufel, wollen Ew. Edlen denn hin?"" antwortete der Andere." „Scott's Unterhaltung war offen, herzlich, pittoresk und drama tisch. Ein kräftiger, kluger und gesunder Sinn strahlte stets hindurch, wie in allen seinen Schriften, wurde aber fortwährend von gefühlvollen, phantasiercichcn und humoristischen Zügen belebt und verschönert. Ich habe dem ergiebigen Fluß ernster Gedanken, die sich so oft in sein Ge spräch mischten, bei weitem nicht die gebührende Gerechtigkeit angelhan, denn von so ferner Zeit ist mir wenicz im Gcdächtniß geblichen, außer tref fenden Einfällen und kleinen wunderlichen, aber charakteristischen Anekdoten. Er schien auch in der That während der ganzen Zeit meines Besuches in einer äußerst munteren Laune, und seine Bemerkungen und Eeschich- ten »eigtcn sich mehr zum Komischen als zum Ernsten hin. Man sagte mir jedoch, so pflege er im gesellschaftlichen Umgänge gewöhnlich gestimmt zu scyn. Er lieble einen Spaß oder lustigen Scherz und konnte recht von Herzen lachen. Niemals sprach Stott, um sich zu zeigen und zu glanzen, sondern immer aus innerem Drange seines Geiste-, aus reichem Gcdächtniß und au- lebhafter Phantasie. Er Halle eine angeborene Gabe zum Erzählen, und seine Erzählungen und Schil derungen waren "ohne Prunk, aber außerordentlich malerifch. Er wußte Einem die ganze Scene wie ein Gemälde vor Augen zu führen, er gab den Dialog in der ihm angemessenen Mundart und mit allen Eigcutbümlichkeitcn und schilderte da- Acußcrc und den Charakter scincr Personen mit dem Geist und Glück, wie in seinen Schriften. Auch erinnerten mich seine Unterhaltungen beständig an seine Romane, und es war mir, al- hätte cr in der Zcit mcincs Aufenthalts bei ihm so viel gesprochen, um ganze Bände damit zu füllen, die gewiß nicht köstlicher halten gefüllt werden können. Er war aber ein eben so guter Zuhörer als Erzähler, würdigte Alles, was Andere sagten, so niedrig auch ihr Rang und ihre Ansprüche scyn mochten, und folgte mit leb hafter Aufmerksamkeit jedem Punkt ihre- Gesprächs. Er zeigte nie die geringste Anmaßung, sondern war vollkommen bescheiden und an spruchslos, indem cr mit ganzer Seele auf jede Sache, auf jedes Ver gnügen, oder, ich hätte fast gesagt, auf jede Thorhcil einging, wie sie die Stunde und die Gesellschaft gab. Niemandes Beschäftigungen, Niemandes Gedanken und Meinungen, Niemandes Geschmack und Er götzungen schienen ihm zu gering. Er machte steh so ganz zum Ge sellen derer, mit denen er gerade zusammen war, daß sic eine Feil lang seine gewaltige llcbcrlegcuhcil vergaßen und erst, wenn Alles vor über war, sich erinnerten und wunderten, daß es Scott gewesen, mit dem sic a»r so vertraulichcm Fuß gcstandcn, und in dessen Gesellschaft sie sich so völlig hatten gehen lassen. ES war eine Freude, den wohl wollenden Ton zu hören, in welchem cr von allen seinen literarischen Zeitgenossen sprach, wie cr die Schönheiten in ihren Werken hcrvor- hob und ihre Verdienste nachwies, und wie er dabei auch denjenigen Achtung bezeigte, mit denen man ihm wohl in Literatur und Politik in Streit glauben konnte. Jeffrey hatte, so hieß es, in eincr seiner Rc- zensioncn an seinem Gefieder gerupft, und doch sprach Scott von ihm, sowohl als Autor wie als Mensch, mit großen, und warmem Lobe. Sein Humor war in seiner Unterhaltung, wie in allen seinen Werken, immer genial und frei von allem Stechenden. Er hatte ein feines Ge fühl für Fehler und Schwächen, aber cr betrachtete die arme menschliche Natur mit nachsichtigem Auge, des Guten und Schönen sich erfreuend, das Mangelhafte duldend und das Schlechte bedauernd. Diese wohl wollende Gesinnung ist cs, wclche Scott's Humor in allen seinen Wer ken einen solchen Anstrich von Gutmüthiakeit gicbt. Er spielte mit den Schwächen und Irrthümern seiner Menschen und stellte sic von lausend wundcrlichcn und charakteristischen Seiten bar; aber seine natürliche Güte und Menschenfreundlichkeit milderte die Schärfe scmes Witzes und ließ ihn nie zum Satiriker werden. Ich erinnere mich, nie einen spöt tischen Zng im Gespräch mit ihm bemerkt zu haben, eben sv wenig wie in seinen Werken. Ich habe hier einen fluchtigen Entwurf von Scott's Charakter gegeben, wie ich ihn im Privatleben, nicht nur während mcincs hier erzählten Besuchs, sondern auch bei wiederholtem Zusammentreffen mit ihm in später» Jahren gesehen, lleber seinen Charakter und seine Verdienste in der Welt kann Jedermann urtheilcn. Seine Werke hatten sich ein Viertcljabrhundert hmdurch mit den Gedanken und Beschäfti gungen der civilisirtcn Welt verschmolzen und haben einen herrschen den Einfluß über da- Zeitalter au-geübt, in welchem er lebte. Wan»