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311 Süd-Amerika- Paraguay, das Land und sein Charakter. Nachdem wir in einigen früheren Artikeln mehrere Aufschlusse über den Charakter des vr. Francia und seine Regierung zu geben versucht, dürfte es nicht unintereßant erscheinen, nunmehr einen kurzen Bericht über die Beschaffenheit des von ihm beherrschten, in Europa noch so wenig bekannten Landes, und die Sitten seiner Bewohner mitzu- theilen. ES ist kaum möglich, wofern man das Land nicht selbst gesehen, sich einen entsprechenden Begriff von dem Großartigen, Erhabenen und Ungeheuren zu machen, das einige Natur-Merkwürdigkeiten Süd-Ame rikas charaktcrisiri. , Wer die Gebirgskette der Ande» bereist, wird plötzlich von einem tiefen feierlichen Staunen.ergriffen, indem er sich auf einmal von jenen, dem Auge ganz unbegränzt erscheinenden GebirgSwassen eingcschloffen ficht, die mit ihren fürchterlichen Gipfeln weit in die Wolken hincin- reichcn, oder indem er beginnt, die steilen nnd abschüssigen Abhänge ohne Ende hinanzuklimmen, zu deren Ersteigung cS der mühsamsten und beschwerlichsten Tagereisen bedarf. Könnte irgend Jemand, der in jene tiefen nnd dunklen Hohlpäffc eintritt, die den Zugang zu dem Gebirge eröffnen, könnte Jemand hier gefühllos vorübergeben, ohne von dem Gedanken der Hoheit und Majestät eines über Alle erhabenen Wesens lief durchdrungen zu scpn — wahrlich, er verdiente nicht, un ter die Zahi der denkenden Menschen gerechnet zu werden. Denn hier erscheint die Natur in ihren bedeutendsten Formen, in ihrer größten Ausdehnung und wunderbarsten Schöpferkraft, Alles übersteigend, was die menschliche Phantasie je zu erfindet, verniag. Was den Plata-Strom betrifft, so ist demselben zwar nicht jener Charakter des Ungeheuren und Schauerlichen aufgedrückt, den die An den an sich tragen, aber immer würde er edel und majestätisch erschei nen, selbst wenn er jedes anderweitigen Schmuckes und besonderer Zierde entbehrte, Nun gehe man aber den Fluß auswärts und be trachte ihn an der Quelle, die mehr als zweitausend (Engl.) Meilen von der Mündung entfernt ist. Dann sehe man den Strom in seiner ganzen Pracht, wo er fast nirgends weniger als eine oder anderthalb, za oft selbst drei Meilen in der Breite sich erstreckt, und an vielen Stellen mit den schönsten ausgedehntesten Eilanden bedeckt ist. Das Ufer zu beiden.Seiten dcS Flusses verliert sich zuweilen ganz aus dem Auge, das hier oft den üppigsten wogenden Wäldern mit den herrlich sten Baumstämmen, abwechscnd mit immergrünen Sträuchern, begegnet, die in grotesken wilden Gruppen aus dem Silbcrspiegcl der Gewässer emporsteigen, von denen sie rings umgeben sind. Wenn man etwa -einen halben Tag auf dem Strome umhergefah- rcn und diese großartigen Naturerscheinungen betrachtet bat, gelangt man wiederum an das Gestade des Flusses, der oft an beiden Ufern reich mit Waldungen überdeckt ist. Zuweilen steht man sich in der Milte deS Stromes auf der einen Seite von hohen abschüssigen Felsen eingeschloffen, während auf der andern eines jener weiten Marschländer sich anSbreitet, die man die große Chaco-Landschaft nennt. Der ganze Lauf dieses majestätische» Stromes, von dem See Hayes an, auS dem er entspringt, bis zur Mündung desselben, ist durchaus schiffbar, selbst für Fahrzeuge, die eine fortwährende Tiefe von acht bis neun Fuß erfordern. ES ward einmal zu Assuncion aus Paragnapbolz ein Schiff von dreihundert Tonnen erbaut, das ohne das geringste Hin dernis! fünfzehnhundert Meilen den Strom hinab, bis in den Ocean hinein, fuhr. Der Plata-Strom wird anfänglich Paraguay genannt, so lange, bis er sich bei Corrientes, etwa neunhundert Meilen von der Quelle ab, mit einem Nebcnflluffc verbindet, der beim Hineincrgicßen breiter als der Hauplstrom selbst erscheint. Beide Ströme vereinigt, bilden ein glanzvolles und majestätisches Wasserbett, das den Namen Parana führt. Nachdem hierauf der Strom ohne Unterbrechung auf tausend Meilen fortläuft, ergießt er sei» klares und gesundes Gewässer i» den Plata, wie der Fluß etwas oberhalb Buenos-Ayres genannt wird, Bon hier an wird er immer tiefer und weiter, bis er, nur hier und da von Sandbänken und Untiefen unterbrochen, nach einem Laufe von un gefähr noch zweihundert Meile», endlich in einer Breite von fast drei hundert Meilen in das Atlantische Meer ausfließt. Zu BuenoS-AyrcS läßt sich schon die Ebbe und Fluch des Meeres an dem Flusse sichtbar unterscheiden, und das Gewässer des Plata erhält, nachdem es mit dem des Oceans geschwängert ist, in einer Entfernung von hundert Meilen von demselben auch einen salzigen Geschmack. Die Art und Weise, wie die Eingebornen, wenn die Strömung heftig und die Ufer mit Wald bedeckt sind, stromaufwärts fahren, ist besonders merkwürdig. Die Paraguayschcn Matrosen riehen sich ganz nackt aus, und stürzen sich ins Wasser, indem sie ein Tau in de» Mund nehmen. Dasselbe wird von einen derselben in einiger Entfer nung oberhalb des Schiffes an einen Baum angebunden, während die übrigen am Bord das Fahrzeug erheben und gegen den Strom forl- ziehen. Unterdessen, während das Schiff nach der Stelle zusteucrt, wo der erste Matrose das Tau befestigt, hat schon ein anderer auf dieselbe Weise ein anderes Seil weiter hinauf fest gebunden, so daß das Fahr zeug, ohne allen Verzug, hinter einander fortgeschleppt und gezogen wird. Auf eben die beschriebene Art verfahren sie bei einer Windstille, wo kein zugängliches Land in der Nähe zu finden ist; dann schwimmen und arbeiten sie oft Stunden lang hinter einander, ohne zu rasten, bis sie nach einem langen und ermüdenden Wege und nach unermeßlichen Anstrengungen in dem Hafen angekommen sind, den sie zum Ziel ihrer Reift gewacht haben. Wir müssen cS bewundern und bemitleiden zugleich, wenn wir feben, mit welcher Geduld und Beharrlichkeit diese Leute alle die Mü hen und Strapazen ohne Murren ertragen. Die ungeheure Anstren gung ihrer Arbeit und die geringe Belohnung und die einfache rohe Kost, mit der sie sich begnügen, Alles dies wurde selbst in den Augen eines Londoner Kohlenträger nicht nur Erstaunen erregen, sondern viel leicht sogar eine gewisse Art von Verachtung erzeugen, indem der Letz tere, ohne halb so viel zu arbeite», gleichwohl viermal mehr Tagelohn erhält, als dcr Matrose von Paraguay. Obgleich ein Fahrzeug oft drei Monate laug unterwegeS zubriugt, ehe es von Buenos-Ayres stromaufwärts bis zur Hauptstadt von Pa raguay gelangt, so erhalten doch nur sehr wenige von den Matrosen etwas »sehr, als zwei oder drei Pfund für die ganze Reise, und manche unter ihnen dienen bloß für die einfache Kost. Diese besteht nämlich aus Rindfleisch, das in Streife» geschnitten und an der Sonne getrock net wird. Sie bekommen nie Brod und oft nicht einmal Salz dazu. Auch wird ihnen nie etwas Branntwein oder Wein verabreicht. Und doch, sieht man diese Leute, wie sie um ihr Feuer herum sitzen, das sie an der Küste angezündet, um ihr trockenes, Harles und unschmack- haftcS Mahl zu rösten, so schlimm es auch immer mit ihren Kleidung«, stücken bestellt und so groß auch die Anstrengung gewesen scy» mag, die sie während des Tages zu erdulden gehabt, so ist doch immer auf ihren Gesichtern nichts als Heiterkeit und Zufriedenheit zu lesen. Ich habe oft an dem User des Platastromes das muntere Feuer gesehen, das ein Dutzend jener gebräunten Phystognomieen beleuchtete und das uns zeigte, wie sie über den Scherz eines ihrer Gefährten in ein fröhliches Gelach ter ausbrachen, oder wie sic im engen Kreise dicht an einander gedrängt mit heiterer Zufriedenheit ihre Aufmerksamkeit einer vaterländischen Ge schichte zuwaudlen, die ein begabter Sprecher aus ihrer Milte ihnen vortrug. Endlich nachdem sie ihr frugales und selbst schales Mahl, das aber durch den munteren Scherz und die frohe Unterhaltung gewürzt ward, beendet, nachdem sie, die ermüdete Natur zur Ruhe einlud, berei teten sie sich zum Schlafe vor. Mau streckte sich hin nm die Glut des Feuers herum, und hüllte sich in die Ponchos, und so unter dem Schutze der Acste und Bäume und unter der Lecke des freien Himmels, fanden sie bald die süße Ruhe, die so oft diejenigen flieht, die Alles aufbieten, um sie herbeizulocke» und vergeblich die künstlichsten Vorbe reitungen treffen, um sie heraufzubcschwörc». ES giebt sich bei den Eingebornen von Paraguay eine große Hin neigung für ihren Stamm und ihre Familie, sowie eine gewaltige Liebe zn ihrem Batcrlande kund. Wenn sie im Auslande (wie sie auch Bue- »oS-AvreS als solches betrachten) einander begegnen, so sind.sic nichr nur unzertrennlich, sondern selbst unermüdlich in ihrem zuvorkommenden Benehmen und in ihren Gefälligkeiten gegen einander. Hier kannst Du auch Arbeiter aus ihrer Mitte für einen weit geringeren Lohn, als ge wöhnlich gegeben wird, erhalten, wen» Du ihnen nur versprichst, daß sic in Gesellschaft „mit ihren Laiidslcnten" zusammen arbeiten werden. Auch wirst Du selten Jemand unter ihnen, oder vielmehr Du wirst Niemande» finden, Ler, wenn es ihm irgendwie möglich ist, in seine Hcimalh zurückzukehren, sich je außerhalb Paraguay iiiederlaffen würde. Das eigentliche Paraguay ist g..nz verschieden von der Provinz BuenoS-AyrcS, mit welchem Namen man zuweilen das Ganze bezeichnete. Paraguay bildete ehemals einen Theil des Vice-Königreichs BucnoS- Ayres, und zwar den reichsten, werthvollflen und volkreichsten Theil desselben. Es war als ein BiSthum eingerichtet und wurde als Gebiet, dem des Vice-KönigS selbst gleich geschätzt. Betritt man das Land zum ersten Mal, so fühlt man sich am an genehmsten überrascht beim Anblick der herrlichen Baum-Alleen, die uns vier überall entgegen zu komme» scheinen; überall befindet man sich hier in freundlichen und fruchtbaren Landesstrichcn, die entweder ange- banl oder von Natur mit der reichsten Weide bedeckt sind. Du hast hier die schönsic^Abwcchsetung von Hügel und Thal. Die Seen breite» ibre herrlichen Silbcrspiegcl in den Thälcrn vor Dir aus, und die Wäl der erbleichen hier nicht, wie anderswo, je in herbstliche Farben, sondern sind das ganze Jahr hindurch mit dem reichsten, mannigfachen und grünen Laube bedeckt. Die Quellen senden ihre krystallenen Wasser in allen Richtungen die sausten Abhänge der Hügel herab und bewässern das untenliegende Thal. Landhäuser, zwar dürftig im Inneren, aber sauber und in großer Zahl, blicken aus den romantischen Gegenden hervor, umgeben von rei chen wogenden Feldern, die mit Zuckerrohr, Banmwollcnstaudcn, Man- dima und Taback besetzt sind; während Gruppe» von Palmbäumcn die Hügel umschatten oder die glänzendste» Alleen in dcr Ebene bilden. Will man aber Paraguay in seiner ganzen Pracht und Herrlichkeit erblicken, so ist cs nöthig, daß man sich aus einen jener Hügel begebe, in dcr Nabe des große» Stromes, dcr sich durch die ganze Provinz hinschlängelt und dann überschaue man die friedliche, breite und hell glänzende Waffcrmaffc, die das Land befruchtet, welches sie bespült und hie zu gleicher Zeit Lie handelsbeflissencn, emsigen Barken mit ausge- breittten Segeln auf ihrem Rücken trägt, um sie von dem einen Punkte ihrer blühenden, herrlichen Ufern nach einem andern zu versetzen. (Schluß folgt.) Armenien. Trümmer einer Armenischen Königsstadt. (Nach Armenischen Berichten.) Mitten unter den zahllosen Trümmern der riesenhaften.Köniasstadt Ani") haben sich »och viele Paläste und Kirche» unversehrt erhalten. Unter den letzteren verdient besonders die große, aus rothem Marmor vom König Gagik I. an dem Flusse Achurean erbaute, erwähnt zu wcr- den.") Steuere Reisende, welche die Ruinen von Ani selbst untersuch- "> Bergt. No. 128—ZO des Magazins v. I 1BS *') Der Name dieses Königs ist in Len Felsen gehauen, und hier und La findet fich noch ein Kreuz mit der Aufschrift: Pahapan Thagavoray, L. i. „Wachter dcr Könige."