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310 Mangel durch das Ucbergewicht, das die periodischen Blätter heutzutage erlangt, hinreichend erklären. Die Gewohnheit, Alles sogleich niederzu- schreibe», wie es der Augenblick eingiebl, raubt der Menge der moder nen Talente jene Energie, die erforderlich wäre, um einen Plan, ein Ganzes, ein Ensemble je zu Stande zu bringen. In keinem der von Bulwer bis jetzt hcrausgegcbenen Romane läßt sich eine bestimmte rein philosophische Idee ausstndcn, in keinem erblicken wir das Bestreben, der Welt, oder wenigstens dem Leser, irgend eine kräftige Lehre zu ge ben, »och giebl sich das Bedürfnis irgendwie zu erkennen, die ReMtäle eines an sich uubezweifclten festen Gedankens mitzutheilen. Fast alle Englische Ronianschrcibcr des heutigen Tages haben den selben Fehler gemein. Sie Hüpfen und springen einher, indem sie 'Possen und Witze reisten, gleichsam als wenn sic nur schriebt», uni da von zu leben, als wenn die Zeil ihnen mangelte, als wenn sie dem so ermüdeten und vielfach emiuyirlen Publikum nicht das Opfer einiger Stunden des ernsten Nachdenkens bringen konnten. .Walter Scott ist der letzte Romanschrciber, der noch gedacht, ehe er geschrieben. Gegen wärtig besitzt England James Hogg, Thomas Hood, Theodore Hook, Galt, Normanbv, Ainslie, Mrs. Gore, Mrs. Norton, Mist Landon und »och mehrere Andere. Aber bei allen diesen Schriftstellern findet sich ein und dasselbe Spstcm, ein und dasselbe Machwerk, nur ragt Bulwer »och über alle seine Kollege» durch seine Leichtigkeit, durch feine Cha rakter-Zeichnungen und Gemälde hervor. Sonst ergötzen sich die Einen an der falschen Autobiographie, indem sie bei ihren oft ennuyanten Zergliederungen der Charaktere und der Mensche» doch zuweile« Lie Aufmerksamkeit des Lesers zu fessel» wisse»; Andere, wie d'Israeli, ver mischen alle Gattungen bunt durch cinandcr, das Lvrischc mit dem Po- pulairc» und de» epischen Schwung mit dem Burlesken. Eine ziemlich zahlreiche Truppe von aristokratischen Erzählern gefällt sich darin, die leichten Modeblumen aufzulesen, die zierliche» Boudoirs und Putztischc detaillirt zu schilder», indem sie sich auch nicht im Geringsten darum kümmert, dast ihr Dutzend Romane, die im letzte» Vierteljahr im Schwange gewesen, nach uner Enstcnz von drei Monaten schon gänz lich in Vergessenheit gcrathcn. Alle diese verschiedenen Arte» von Schriften, so wie die des Herr» Bulwer, des Meisters der Schule imd ihres allgemeine» Musterbildes, könnte» inSgcsammt den hier folgenden Titel führen: „Fragmente und Scencn ohne Zusammenhang, vereinigt unter dem Ganzen eines Titels." Gerade so, wie gegenwärtig Herr Bulwer, traten um das Jahr Louvct und Choderlos de Laclos in Frankreich mit ihren Schrif ten auf, die eben so wenig gehaltreich und so unwürdig der bedeutungs volle» Bewegung ihrer Zeit waren. Eben so wie Herr Bulwer, waren die Girondisten elegante Radikalen; Männcr mit weilschlvciscndcn Ttzco- riccn und unausführbaren Spekulationen, angenehme und beredte Phra- scnschmicde, in ihrer Begeisterung für das Vaterland fähig zu allen heroischen und leidenschaftlichen Unternehmungen, aber besinn»», unter den Rädern des gigintischcn Wagens umzukommcn, den sie selber in Bewegung gesetzt. Als Advokaten, Schriftsteller, Männcr des aalens und geistreiche Schwätzer haben sic stets auf die Ucbcrlcgenbcit ihrer Intelligenz, auf die glänzende Geschmeidigkeit ihrer Feder und aus den harmonische» Klang ihrer Worte gerechnet. Sic waren zum grostcn Thcil in den monarchischen Sitten und Gewohnheiten auscrzogen wor den, deren Feinheit und Reiz sic an sich trugen. ce-ic vcrfaßic» lieb liche Verse und kleine Romane. Aber zu allen diesen oberflächlichen und gehaltlosen Beschäftigungen gesellt sich ein glühender Enthusiasmus von derselben Gattung oder säst von derselben Art, als zu welchem die Freunde des Herrn Bulwer sich heutiges Tages bekennen. Es ist in dic Augen fallend und kann Niemanden entgehen, welche ungemeine Aebnlichkeit zwischen den Romandichlcrn, die gegenwärtig in England in der Mode und zugleich Mitglieder dcs Britischen Parlamentes sind, und jenen Mode-Romaulikcrn stallsindcl, die Mitglieder der Consti-. tuanle waren. Die Eine» wie die Anderen sind populair in ihren Tbeoriecn, aber unpopulair in ihren Gewohnheiten und Sitte». ES sind Svbariten, die von ciucr Republik träumen: Lilcralore», die nicht cinschcn, daß eine Demokratie allen ihren literarischen Rang auf einmal abkorbtre» würde; als Söhne der höhere» Klassen, die fic vernichte» wollen, erscheinen sie gewissermaßen mit sich selbst im Widerspruch, und dies bizarre logische Vergehen dürfte ihnen am Ende selbst noch lbcuer zu stehen kommen. Wer erkennt nicht das Elegante, Oberflächliche und säst ganz Aristokratische in „Pelham", „Ocveicur", „Eugene Aram" und in dem „verleugneten Sohn" s In diesen Schriften sucht man vergeb lich nach dem schulmeisterischcn Ton und der dogmatischen Spräche, ivel.he sonst die wahrhaft radikalen Schriftsteller bezeichnet; vergeblich sticht man hier die Sprache eines Godwin's, dessen Wort die Englische Gesellschaft wie ein eiserner Hammer eine alte Mauer erschüttert: nein, hier findest Du nichts als Feinheit und Bildung, leise oberflächliche Blicke, muntere Scherze, popuiairc Scencn in einen glanzenden Rahme» gefaßt, poetische und literarische Spielereien, Epigramme, dic mehr scharf als tief und, eindringlich sind, und endlich alle Charaktere und Formen des Salou - Talent? und des gewandten Schöngeistes. Das letzte Werk des Herrn Bulwer, der Student, besteht aus einer Sammlung von Bruchstücken, die schon früher in mehrere» Rc- vicwS, dic der Autor der Reitze »ach dirigirt, einzeln erschienen sind. Es ist dies eine Form, die seinem so episodischen Geiste völlig zusagl, indem er kaum im Stande wäre, irgendwie einmal zu konzentriren, zu- saminenjufassen und ein Ganzes tzcrvorzubringcm Dic letztc » Tage von Pompeji, ein ganz anspruchsvolles Werk, beweist cbcntalls die augedcu,etc Unfähigkeit des Verfassers; es enthält viele glanzende Stucke und hier u„d da zerstreute glückliche Bcschretbungm; allein der Plan ist mangelhaft, „nd es ist den, Autor nicht gelungen, dic alte, unter der Asche und der Lava deS Vesuvs umergegangcne Welt neu zu beleben. Der Herausgeber des in Nord-Amerika erscheinenden illontlil^ Vn... Herr Fairfield, hat bei Gelegenheit dieses Werkes folgende ganz merkwürdige öierlamstion erhoben: „Ich habe", sagt er, „dem Herrn Bulwer eine Kopie meines Gedichtes unter dem Titel: Die letzte Nacht von Pompeji, zustellen lassen. Derselbe Hal, ohne seiner Quelle auch nur im Geringsten Erwähnung zu Ihun, den ganze» Plan, alle Ereignisse und dic ganze Reihe der dramatische» Begebenheiten seines Romans »h ovo usczuv ad mala jenem Gedichte entlehnt, es sey denn, das; er an der Zeit und an den Personen einiges abgeändert. Was den letzteren Punkt betrifft, so verdient er nur Tadels denn Lie Per sonen handelten nicht anders, als unter dem Einfluß der Begeben heiten, die dazu erfunden worden, um sie mit harmonischcr Einheit aus die Scene zu bringen. Der Englische Schriftsteller hätte seine Schuldigkeit thuii und seinem Amerikanischen Mustcrbilde die gebüh rende Anerkennung zu Theil werden lassen sollen, die der Britischen Lo yalität wohl besser zugesagt hätte." Die Aktenstücke liegen uns nicht vor Augen, und wir können uns demnach in keinem Fall zu Schiedsrichtern in der Sache auswerfen. Aber so viel ist gewiß, daß die Kraft unseres Bulwer nicht eben in der Erfindungsgabe besteht. Auch „Eugene Aram" ist nichts als die ge wandte Entwickelung eines Kriminal-Prozesses, von dem die Tribunale vielseitig wiederhallicn. Dic schönsten Seiten und die kräftigsten Si tuationen des Romans finde» sich in den Journalen jener Zeit alle vor. Und eben so gehen die übrige» Werke Bulwer's zum größten Thcil von bekannten Lhalsachcu aus, gleich als weil» seine Einbildungs kraft immer noch eines besonderen Anhaltpunktcs von Außen be dürfte. In seiner parlamentarischen Karriere bat sich Bulwer, wie wir be reits angcdeutcl, hauptsächlich darin gefallen, dic Rechte und Privile gien der Litcratorcn zu reklamiren und gellend zu machen; allein er Hal dabei vergessen, Laß der Literat, wenn er nützlich scyn will, keine besondere Kläffe, keine Kaste und keine Corporation bilden darf; daß Ailes, was denkt und seine Gedanke» der Welt mitzutheilen versteht, eben dadurch schon an und für sich ein Literat ist, und daß endlich die Gesellschaft dem Schriftsteller gar keinen anderen Schutz gewähren kann, als daß sie ihm die Schranke» öffnet und feinen Gedanken freien Lauf läßt. Wer das Schreiben zu feinem Handwerke macht, verdient darum nicht etwa mehr Achtung, als jeder andere Bürger. Denn wen» auch seine Bahn einer größere» Gefahr unterliegt, so ist sie doch auch schö ner, und wird ihr stets an und für sich selbst eine höhere Belohnung zu Ttzcil. Da, wo man dem Denker von Profession lind dem Schriftstel ler einen besondere» Rang angewiesen, baden sich immer die dcut. lichstc» Spuren dcs Verfalls kund gegeben. Als Cervantes, Ra belais, Montaigne und Shakespeare ihre Meisterwerke verfaßten, da maiigeltc cs kcr Menschheit keincswcges an Genie; aber man bcci- fertc sich nicht, ein besonderes Heer oder eine besondere Klasse aus den Literale» zu formircn. Hingegen zur Zeit des Sinken? dcS Rö mische» Reichs, wer war da geehrter, als ei» Sophist? Wer genoß mehr Auszeichnung, als er ? Alle dic großen Aemlcr des Palastes waren damals mit Rhetoren besetzt: man erinnerte sich daran, daß viele Leute von Genie der Welt von jeher große Dienste geleistet, ohne dafür ge bührend belohnt zu seyu, und so wollte man endlich eine Schuld ablra- gen, die man gegen das Genie cingegangcn zu scyn schien. Dic Schrift steller bildeten zu der Zeit den allerersten Rang. Allein was war die Folge davon ? Anna Comncna machte sich eine Ehre daraus, die Anna len ihrer Epoche zu schreiben; aber diese ganz literarische Cioilisalio», zu was sützrtc sic? Was war Las letzte und höchste Resultat davon ? Dic partamcntarischcn Bemühungen Bulwer's sind eng verschwistert mit den Klage», die derselbe Schriftsteller in seinem Buche: England und die Engländer laut werde» ließ; Klagen, die sich zu den bit terste» Vorwürfen erbebe», und die den Englischen Handclsgeist, die philosophische Schwäche, dic Liebc zu Gemeinplätze» und dic zu geringe Beachtung der spekulative» Thcorice» zum Gegenstände habe». Allein wie! sollte etwa Großbritanicn sei» Glück und seinen Rubin, den es lediglich seiner ganz posiliben Tendenz zu verdanken hat, aufgeben, sollte cs auf einmal diese Bab» verlassen, Lie ihm bisher so günstig gewesen ? Oder sind etwa diejenigen Länder, Lie Ucberfluß cm Mctapbvslkcr» Ha bel:, zu gleicher Zeil dic gcwcrbsamstcn, reichsten und blühendsten'? Ist es nicht nöttzig, daß man jedem Volke seine Eigenheiten lasse? Nud wäre England nicht durch seine Lage sowohl als durch seine ursprüngli che,: Sillen, durch die natürliche Notbwrndigkcit und seinen ursprüng lichen Geschmack auf den Handel und dic weite See bingcwicscnk Ein echter Politiker dürste solche Fragen erst gar nicht aussiellen. In un- scrcii Augen Hal Herr Bulwer nur auf einen reellen Titel Anspruch zu machen, und da? ist der des glänzendsten Roman-Dichter? und des geschmeidigsten Schriftstellers unserer Zeit, deren fortschreitende Bewe gungen er begünstigt, deren Verletz: ttzeilcn und Grillen er aber nicht minder thcilt. (fflonthl)' Oitorar)' fflaZnrino.) Bibliographie. IVcuormua ns ?iorth - ÜV.fte«. — bi Stz K Oac!^ « Lift, ne evoinan 25 «ho aught ln he. (Das Weib, wir es sep» sollte.) Bo» Jane Stamford. S Stz. PraccI« in I-KInn,»'.,. (Reisen in Aechiopien.) Bon Hosbie. 4. 3 Pfd. I3> Sh. P>eati«o »„ lho <li«oa«c« ol ltzo «hi«. zllcbcr Haulkrankhcilcn.) 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