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306 sich bis zum Bois de Boulogne zu crtendiren, alle Stutzer, die weder Wagen noch Pferde baden, die Infanterie der Dandy-Welt. Diejenige» unter ihnen, die jährlich zweimal, bei der Fahrt nach LougchampS und am Mardi-gras, einen Philister reiten, sind an ihren langen Sporen erkenntlich und der Reitpeitsche von Verdier, die sie mit unendlicher Grazie zu tragen wissen. Gegen fünf Uhr ist die Sitzung der Kammer aus, und dann bewegen sich durch die müßiggängerische Welt einzelne ernsthafte Repräsentanten- Gestalten. Die Depulirten spazieren in einzelnen Gruppen umher, die hier die Sitzung sortsetzcn und die unterbrochene Diskussion wieder ausneh men und weiter sichren. Die Berühmtesten unter ihnen werden dem Neugierigen von dienstsertigen Ciceronis mit sehr lautem selbstzufriedenem Tone gewiesen: „Das ist Herr Odilon-Barrot! Herr Berryer! Herr von Lamartine!" Die Cclebriläten des Centrums sind leicht erkenntlich aus den Portraits der 6aricature und des Oirarivari. Einzelnen hat die Lithographie eine gewaltige Popularität gegeben, unter Anderen dem züchtigen Ecnsor des „Antoni," der jedesmal, wenn er aus der Kammer, von der er Bice-Präsident ist, kommt, die Alleen der Tuilerieen an veai 3oconüe durchstreift, bis der Augenblick heranrückt, wo er sich nach dem Dommo-Klubb begiebt. Die Speisestunde, die vom z>av!IInn ü« l llorluge ertönt, kehrt den Garten der Tuilerieen fast ganz leer; aber gegen Sieben in der schönen Jahreszeit finden sich die Spaziergänger wieder ein; und zwar »st es ein durchaus neues Publikum, welches sich nun einstellt; es find die Leute, die den Tag über beschäftigt sind und am Abend frische Luft schöpfen wollen. Abends, nachdem abwechselnd die Poesie, die Journale, die Kindes- Spiele, die Mode in dem Garten der Tuilerieen geherrscht, kehrt die Musik darin ein. In den Annalen der Harmonie steht er glorreich eingeschrieben durch das erste jener ungeheuren Konzerte, wie Paris noch keines gehört halte, das zur Feier der Juli-Tage darin gegeben wurde. Auf dieses Konzert sind andere gefolgt in kleineren und passenderen Verhältnissen, — die Militair-Musik, die tagtäglich vor dem Schlosse ausgesührt wird und die Schaar der üilotlanti versammelt. Man fängt an, diese Serenade „Goncert 6« 8j>srtgou«" zu nennen, von der be kannten Statue her, in deren Nähe sie erekulirt wird. Sobald es finster geworden, wird man chon der Schloßwache, die in himmelblauer Montur, größtentheils mit dem croix ü'hnnncui ge schmückt, den Garten durchstreift, höflichst ersucht — die Höflichkeit erhält durch einen Korporal und vier Mann ihren Nachdruck, — sich zu entfernen. Dann muß man also aus dem Garten hinaus, kann aber am anderen Tage wiederkommen. So hat man, wenn man einen Tag in den Tuilerieen zugebracht, die Literaten, die Politiker, die Deputirlen, die Kinder, die Dandys, die Schönen, die Dilettanti, die Armee und die Pariser National-Garde gesehen. Und heißt das nicht ganz Paris? Außer den Genannten wird der Garten der Tuilerieen noch außer dem zu jeder Stunde des Tages von Neugierigen und anderen Spazier gängern, die sich nicht unter die angegebenen Karegorieen bringen lassen, besucht. Da kommen die Liebhaber des Gartenbaus, die Rentiers, die die kleinen Vögel und die Goldfische mit Brod füttern, und eine Unzahl anderer Originale. Die zahlreichen Statuen, die den Garten zieren, sind ein beständiger Gegenstand des Interesses; vo. einzelnen alten Meister werken stehen die Künstler betrachtend still; die feine Welt schenkt ihre Aufmerksamkeit nur den neuen Werken, die jungen Mädchen betrachten mit flüchtigen Blicken den Apoll und Meleager, die Frauen, schon dreister, beschauen den Farnesischen Herkules, und die Bewohner der Pctite-I'ro- vonc« stehen am großen Bassin und bewundern die Statuen der vier Flüsse, den Nil mit seinen Krokodillen, die Tiber, den Rhein, und die Rhone, aus deren Knicen die Saone fitzt, die hier in Gestalt einer jun ge» sauste» anmuthig lächelnden Frau dargestellt ist. Wer den Garten der Tuilerieen im vollen Glanze seiner Poesie seben will, muß sich hüten, ihn an einem Sonntage zu besuchen. Denn bann geht Alles drunter und drüber, und ein vollkommen revolutionnairer Zustand tritt ein. Die Literatur und die Politik wagen sich nicht hin ein, die Deputirtenkammcr hat dann nichts drin zu suchen, die Kinder fürchten, sich im Getümmel zu verliere», und die Mode Hal Angst, zer quetscht zu werden. Alles, was sich sonst hier ergeht, macht an diesem Tage der arbeitenden Klasse Platz. Die ganze Straße Saint-Denis findet sich dann mit majestätischen Schritten ein, alle Comptoir-Gehülfen und Ladendicner führen dann ihre Sonntagskleider hier spazieren. Das Beste, was man dann sehen kann, ist der Pariser Bürger mit zufriede- ner geduldiger Miene, im kastanienbraunen Rock und vcrlgraneu Paula« lonS, ihm zur Seite feine Frau, mächtig aufgepntzt, ein Ansehen von fünf- undvierzig Jahren, etwas kupfcrig, auch ein Bärtchen dazu, und eine Guirland'e von frische» Rosen ins Haar gewunden — ihr Knäblein in einem Anilleristen-Habit, die Töchter eine wie die andere gekleidet, den Kopf heraus, die Augen niedergeschlagen, linkisch zum Entzücken. Die Tuilerieen sind an diesem Tage für Granville und Pigalle gemacht. Und nicht nur der Garten der Tuilerieen ist es, der am Sonntag diese Metamorphose zu erleiden bat; überall herrschen dann die Satur- »alien, auf den Boulevards, im Bois de Boulogne, aus den Kaffee häusern, in den Theatern — der Sonntag ist i» Paris ein Tag, wo Jeder, der einen delikaten Geschmack und schwache Nerven hat, i» sei nen vier Pfählen bleiben muß. Bibliographie. Do I» pcnsee. — Von Toussaint. 7 Fr. I,« Due-Koi, nn les Insurxes briannais. Ilistoiro normanüe sie 1124. — Bon A. Guilmeth. klavien, ou fle.Iiomo au äesert. — Von M. A Guiraud. 3 Bde. flenn t-rez'. kpisosto sie I'lüstoire äKozleterre. — Von A. Brot. 4 Bdchcn. 12 Fr. fleune et Vieille. — Bon Madam» Laya. L Bde. 18 Fr. I-uir üe 8oura. — Von F. Denis. 2 Bde. 18 Fr. Nile, sie Valville. — Von Madame Laure Bernard. 7^ Fr. Nazssin fies Pees, ou Oontes cles Lees, <le Perrault, etc. — 1,» lieuauüie, ou la (^anjuration fl'Kmiioise. (j!Iirooi<zue äe 1560. — Von A. Moreau. 2 Bde. 13 Fr. Nord-Amerika. Cincinnati und die heutigen Nord-Amerikaner. Cincinnati ist durch Mistreß Trollope berühmt geworden, deren aristokratisches Gefühl sich gegen den Handel mit Pökelfleisch empörte, der dort in großer Ausdehnung getrieben wird. Auf ihr Wort haben viele Leute geglaubt, Lie Einwohner von Cincinnati feyen sämmtiich Schweinehändler und ihre Stadt ein Schlachthaus. Cincinnati ist aber in Wahrheit eine große und schone Stadt, die in einer jener Biegun gen, welche der „ungern entfliehende" Ohio beschreibt, eine ganz herr liche Lage hat. ES scheint, als hätten die Gebirge, welche diese» ma jestätischen Strom aus seinem ganzen Lauf beglänzen, hier etwas zu- rückweichcn wollen, um ein hohes und ebenes Plateau am Ufer frei zu lassen, dem sie von allen Seiten als Mauern dienen, wo ihm der Ohio nicht statt Gräben dient, damit die Menschen eine vor den furchtbaren Ileberschwcmmungen des Flusses geschützte Stadt daselbst erbauen könn ten. Das Anwachsen des Ohio ist ungeheuer. Im Februar 1832 stieg er V8 Fuß über das Niveau des niedrigen Wasserstandes. Mehrere Tage lang fuhr man damals in einigen Straßen von Cincinnati auf Dampfbötcn. Me Geologen, die an die Freundlichkeit der mythologi schen Oreaden nicht glauben, werde» ganz einfach sage», daß dieses Plateau eine Folge der Aushöhlung sev, die in de» Zeiten der Sünd- fluth in dem Gebirqsstock durch den Andrang der Gewässer eines jetzt fehr friedlichen Flusses, des Licking, bewirkt worden, der von den Ho hen Kentucky'S herabkömmt und Cincinnati gegenüber in den Ohio fallt. Wie dem auch scy» mag, es gab an dem ganzen Strome entlang keinen einzigen für die Gründer einer Stadt so anziehend gelegenen Ort. In architektonischer Hinsicht hat Cincinnati fast dieselbe Physiog nomie, wie die neuen Viertel der Englischen Städte; meistens Häuser von Mauerziegel», gewöhnlich zwei Stock hoch, mit spiegelklaren Fenster scheiben, ein jedes süc eine einzige Familie eingerichtet und nach der Schnur die schön gepflasterten und 66 Englische Fuß oder 20 Metres breiten Straßen entlang gebaut. Hier und da wird die Einförmigkeit dieser Bauart durch Gebäude von dauernderem Ansehen unterbrochen. Dice sind entweder Häuser aus Quaderstein, äußerst geschmackvoll, wahre kleine Paläste mit einem verkürzten Portikus, welche die Aristokratie von Mistreß Trollope's Schweinehändlern bewohnt, oder kleine mit Gärten und Terrassen umgebene Behausungen, oder auch die Gemeinde- Schulen, in denen Mädchen und Knaben gemeinschaftlich unter der gleichzeitigen Leitung eines Lehrers und einer Lehrerin im Lesen, Schrei ben, Rechnen und in der Geographie unterrichtet werden. Diese Schulen werden vermittelst einer den Französischen Zusatz- Centimen entsprechenden Steuer erhalten. Der gemeinsame Unterricht wird hier der Methode des gegenseitigen Unterrichts vorgezogen. Sie befinden sich in großen im Quadrat gebauten Häusern, auf welchen mit goldenen Buchstaben der Name des Stadtviertels angebracht ist. Nach dem amtlichen Bericht der Administratoren und Aufseher vom 30. Juli 1833 zählte Cincinnati damals 6000 Kinder von 6 bis 16 Jahren, wobei 230 farbige Kinder nicht mit eingerechnet sind, für die eine be sondere Schule eingerichtet ist. Ungefähr 2300 Kinder besuchten die Gemeinde-Schulen und 1700 die Privat-Schulen. Die Zahl der Ge meinde-Schule» beläuft sich aus 18, die Zahl der Lehrer aus 12, der Unterlehrcr auf S, der Lehrerinnen auf 6 und der Unter-Lehrerinnen auf 7. Die Lehrer erhalten 400 Dollars, die Unierlebrer 230, die Lehre rinnen 216 und die Unter-Lehrerinnen 168. Diese Gehalte werde» all gemein für zu gering betrachtet. Auf anderen Punkten der Stadt erblickt man kleine, enge, einfache Kirchen, ohne Sknlpturwerk und Malerei, ohne farbige Fensterscheiben und Gothische Bogen, aber wohl verwahrt, mit dicken Teppichen be hängt und mit vortrefflichen Erwärmungs-Anstalten versehen, damit die Gläubigen bei dem langen und eintönigen Sonntags-Gottesdienst nicht frieren. Cincinnati hat, wie alle Städte in den Bereinigten Staaten, eine Menge von Kirchen; man findet deren dort für alle Sekten, von den Bischöflichen, die den Reichlhum des Landes unter ihrem Panier haben, bis zu den Baptisten und Methodisten, zu denen die Arbeiter und Neger gehören. Es giebt auch eine ziemliche Anzahl Katholiken in Cincinnäti. Dies sind Irländische oder Deutsche Ausgewanderte; meistens arme Leute. Ich hörte von dem Bischof vo» Cincinnati, daß sich unter der Bevölkerung des Staates Ohio, die 1,200,000 Seelen beträgt, un gefähr 20,000 Katholiken befänden. Wieder an anderen Punkten stößt man aus. eine» gewaltig großen Gasthof, de» man von außen für eine Königliche Residenz Lasten kömite, worin mm aber, wie ich versichern kann, keine fürstliche Beherbergung findet; oder auf ei» Museum, welches, wie alle Amerikanische Museen, ein Privat-Unternehmen ist und gewisse hergebrachte Gegenstände in sich schließt, nämlich einige Crystallisationen, ein paar Mammutbs- knochen, woran die Bereinigten Staaten sehr reich j»,p, rinc Aegyptische - Mumie, Kleidungsstücke und Rüstungen von Indianer», ei» halbes Dutzend Wachsfiguren, worunter gewöhnlich Washington, der General Jackson und die Indianer-Häuptlinge Tckumseb und der Schwarze Falke zu finden sind; dann eine Statue Napoleons, entweder zu Fuß oder zu Pferde, ein Französischer Küraß aus der Schlacht bei Water loo, eine Sammlung von Portraits allgemein berühmter Amerikaner, wozu auch Lafayette gerechnet wird, und einiger Stadt-Notabililätcn, eine Sammlung ausgestopster Bögel, in Weingeist aufbcwahrte Schlan gen und namentlich' eine große lebendige Boa Constrictoc oder Ana.,, conda. Eine» der Museell Cincinnati'» zeichnet sich jedoch durch merk-