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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PrännmerntionS- PreiS 22^ Sgr. «z Thlr.j vierteljährlich, 3 Thlr. für Las ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumerirt aus diese» Bciblatt der ANg. Pr. StaatS- Zeitnng in Berlin in der Expedition fMohren - Straße No. 34>; in der Provinz so wie im Auslande bei den Wohllöbl. PoN- Aemtern. Literatur des Auslandes. 39. Berlin, Mittwoch den 1. April 1833. MWM Belgien. Belgiens öffentliche Charaktere. Es ist hier nicht die Absicht, die Ursachen auszusuchen, welche die Scheidung Belgiens von Holland hcrbeigeführt haben. Jeder Kundige konnte leicht vorhersehcn, daß jene Bereinigung zweier Bölker verschiedenen Glaubens auf die Länge nicht Stand halten wurde. Nach fünfzehnjährigen schweren Gcburtswchcn kam eine Ne- volution zur Welt; mochte dieses Ereignis! mehr oder weniger lief be gründet scpn, immer bleibt es für die "Zukunft von großer Bedeutung. Ein neuer Planet ist an dem gcwillerschwangern Himmel der Europäi schen Politik aufgegangcn; ein Belgisches Königreich ist ins Leben getreten. Sey es aber Unwissenheit oder böser Wille, genug, fast alle Publi zisten leugnen hartnäckig die Wichtigkeit dieser Schöpfung. Kaum ge ruhen sie, die Umrisse des kleinen Staates auf der politischen Karte zu verzeichnen, wie man öde Eilande verzeichnet, die ein Vulkan mitten im Ocean emporsteigcn läßt. Lin Land, dessen erfinderischer Gewcrb- fleiß noch jetzt Großbritanicn als Muster dient; ein Land, dessen Kon kurrenz im Fabrikwest» Staaten, die achtmal größer sind, lebhafte Besorgnisse einslößt; ein Land, das 120,000 Soldaten stellen kann: rin solches Land, sage ich, sollte auf der Europäischen Wagscbale doch etwas mehr Gewicht haben. Ein umfassendes Studium dieses Landes wäre langwierig, und ganze Bände wären nöthig, um Belgien in jeder Beziehung zu erforschen. Ich will in diesem Artikel nur verschiedene ^Punkte aufhellen, die meinen Gegenstand unmittelbar berühren, d. h., die zur Kenntniß der vornehmsten Personen des politischen Dramas, dessen Schauplatz Belgien seit 1830 gewesen ist, Etwas beitragen. Fast alle diese Männer sind von neuem Datum, und von ihrem früheren Wirken hat nur wenig verlautet. Es cristirt nicht einmal ein Buch, in welchem der Antheil gewürdigt wäre, den jeder derselben seit vier Jahren an den Staatsgeschäftcn hat. Eine Lebensbeschreibung der politischen Männer Belgiens ist also ein Aktenstück, welches der Ge schichte unserer Zeit fehlt: es ist eine Lücke, die ich jetzt auszufüllen versuche. Ma» glaube nicht, daß Belgiens Parteien darüber mit einander streiten, ob diese oder jene Dynastie regieren soll. Die berühmte Union der Katholiken und der Liberalen glich jenen Indischen Wassen, welche ans zwei Degen in derselben Scheide bestehen. Jedes der beiden Prinzipien, die, zusammen kämpfend, den Sieg erfochten, hat den sei- nigcn gezogen, und das Duell beginnt nun von Neuem. Wer von beiden wird das Feld behaupten, die Liberalen oder die Katholiken? Dies ist die Frage des Augenblicks. Später wird cs in dem ewig gäh- renden Lande noch andere Kämpfe geben, Kämpfe der Kommunen ge gen die Prinzipien der verfassungsmäßigen Einheit, d. h. gegen die Königswürdc. Allein diese gehören der Zukunst an. Die erste sehr markirie Erdschicht, welche auf dem Boden der öffentlichen Meinung in Belgien ruht, besteht aus einem Amalgam jener zwei streitenden Prinzipien, des Liberalismus und de» Katholizis mus. Gräbt man aber tiefer, so zerfallt jede dieser zwei Ablhei- lungen wieder in zwcj andere Kategoriecn, und jede dieser Katego- ricen bildet eine politische Partei, die ihre Standarte, ihre Soldaten, ihr Fcldgcschrej hat. Die Kammer der Belgischen Repräsentanten, welche der öffentlichen Meinung ihre Sprache leihen soll, besteht dem nach aus folgenden vier Klassen: I) einer katholisch-aristokratischen Partei; 2) einer katholischen opponirenden Partei; Z) einer libe ralen verfassungsmäßigen, und 4) einer liberalen Opposition»-Partei. Die katholischen Aristokraten haben sich mit einem kleinen Theile der Liberalen verbündet, und ihre Vereinigung bildet die parlamentari sche Mehrheit, durch welche Leopold s Regierung aufrecht erhallen wird. Diese Majorität umfaßt drei Fünstbeile der Kammer. Die Opposition hat von zweihundert Stimmen nur achtzehn ganz für sich. Wir wer den jetzt die Männer, welche jeder dieser vier Parteien — sowohl in den beiden Kammern als außer den parlamentarischen Verhandlungen — angchören, eine Musterung passiren lassen. Dabei beschränken wir uns jedoch ganz ans Biographisches und Anekdotische». I. Katholisch-aristokratische Partei. Diejenigen, welche in der rcvolntionnairen Bewegung Belgien» den geistlichen Einfluß erkannten, mochten nicht wenig darüber" staunen, als dieses Volk, das an Messen und Prozessionen so großen Geschmack findet, durch die Stimme eines Kongresses einen protestantischen Fürsten auf seinen Thron rief; und mußte diese Verwunderung nicht steigen, als man den neuen schismatischen Thron durch eine katholische Majo rität geschützt sah ? Aber die Aristokraten dec katholischen Partei fürch teten das Umsichgreifen des populairen Elemente», und urtheilten des. halb auf den ersten Blick, daß man diese» zärtlichen Sprößling des monarchischen Baume» um jeden Preis beschützen müsse, damit er eines Tages die goldiien Früchte trüge, die sie sich davon versprachen. Die neue Regierung, von ihrer Seite, entsagte zwar nicht dem Glauben der Väter, wie Heinrich IV. von Frankreich, wohl aber verbrüderte sie sich aristokratisch mit der Flamändischcn Orthodoxie, die ihr voll Treu herzigkeit entgegen kam. Die katholischen Aristokraten, welche jetzt in der Person ihrer vor nehmsten Chcss die Gewalt in Händen haben, und denen nichts so sehr am Herzen liegt, als Bekämpfung des demokratischen Elemente», liegen mit einer kleineren katholischen Partei in lebhaftem Streite. Diese Par tei möchte die Freiheit mit den Lehren des Evangelium» vereinigen, und zählt mehrere junge Abbü'S, die Talent und glühende Beredtsamkeit auszeichnet, unter ihren Mitgliedern. Allein ihr Gebiet liegt fast ganz außerhalb der Repräsentanten-Kammer, und so werden viele ihrer An strengungen vereitelt. Man hüte sich jedoch, aus dem Gesagten abzunehmen, daß die ka tholische Partei in Belgien unumschränkt walte. Wenn die beiden Flan dern, wenn Limburg, Antwerpen, ein Theil von Brabant und dem Hen negau Männer in die Kammer schicke», die dem katholische» Prinzip ergeben sind, so ernennen Brüssel, Namur, Lüttich, und das Luxembur gische dagegen liberale Dcpulirte. Was vornehmlich dazu beiträgt, den Ersteren die Majorität zu sichern, ist die Art und Weise, wie die Wah len geschehen. Man hat das indirekte Votum, wie cs im alten König reich der Niederlande bestand, mit dem direkten, in constitutionnellc» Ländern gebräuchlichen Volum kombinirt, und ist auf diese Weise zu einer ungenauen Repräsentation gekommen. Unter der alte» Regierung z. B. geschah die Wahl durch die Proviuzialstände, welche Deputirte des Adels von Stadt und Land waren. Die Städte wurden besonders rcpräsenlirt. Der Wahl-Census derselben stand zu dem der Land-Ee- meindcii in keiner Beziehung, und da die Gemeinden nach Kantonen volirten, so blieb der Census eine» Kantons von dem des benachbarten Kantons unabhängig. Die Quo la gestalteten sich demnach so, daß bei jeder Wahl eine hinreichende Anzahl von Wählern sich einfand, und daß ein zu großer Eoncurs vermieden wurde. So konnte sich der Census einer großen Stadl auf 400, und der eines Dorfes nur auf 28 Franken belaufen. In dem neuen Wahl-Gesetz Hal man diese Verschiedenheit des Census bcibchallcn und die Wahl durch Zusammenkunft aller Wäh ler eines Distriktes direkt gemacht. Die Belgischen Gesetzgeber Haden dieses falsche Prinzip au» dem Beschlusse der provisorischen Negierung geschöpft, welcher die Wahlen auf dem Kongresse leitete. Besonders in Flandern' bemcistcrt sich die katholische Partei der Wahlen und zwar vermöge des Einflüsse», den sie auf die Landbewohner ausübt. Diese ergebenen und blinden Vota bilden eine kompakte und unerschütterliche Mehrheit, an welcher da» Votum der Städte scheitert. Ist der Tag der Wahlen gekommen, so sehen die vornehmsten Orte au» alle» vier Wcltgegcnden kleine Trupp» von Bauern in ihre Thore strömen. Jedem Hausen geht ein Mann im Chorrock voran, mit strah lender Stirn und einem Stabe in der Hand. ES sind dies die Dörfer, welche mit ihren Pfarrherrcn an der Spitze zum Votiren kommen. Ist man in die Versammlungs-Säle gelangt, so stellt der Pfarrer seine Beichtkinder in Reihe und Glied, wie ei» Sergeant seine Rekruten. Dan» wiederholt er die Anrede von gestern Abend, und vertheilt Karten unter sie, auf welchen der Name der zu wählenden Kanditatcn steht. Bei Gelegenheit der letzten Wahlen versuchten cs einige Liberale, diese rohen Kräfte mit List auf ihre Seile zu bringen. Demzufolge stellten sie sich am frühen Morgen an die Thore der Stadt, und er warteten die Ankunft der Bauern. Als diese in gewohnter Ordnung einzogcn, stahlen sich die constilulionuellen Wölfe, in katholische Schase- felle gekleidet, vcrrälherischer Weise mitten in die schuldlosen Heerden. Sie stellten sich als volirtcu sie auch für de» Kaiididaten der Pfarrer, schafften aber die katholische Karte geschickt auf Seite, und substituirten eine andere ähnliche Karte, welche den Namen des Kandidaten der Ge genpartei trug. Allein das Manöver blieb erfolglos. Die vornehmsten Name», denen man an der Spitze der katholischen Partei begegnet, sind die des Herrn van Bommel, Bischofs von Lüttich, und de» Herrn Slcrr, Erzbischof» von Mechel». Beide nehmen zwar allerdings keinen thätigen und eingcstandenen Antheil an den Regierung»-Geschäften; allein man betrachtet sie als die Seele der Synode. Die anderen geist-