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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PkänumerationS- Preis 22^ Sgr. Tdlr.j vierteljährlich, 3 Thlr. für das ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pranumerirt auf diese- Beiblatt der Allg. Pr. StaaiS Zeitung in Berlin in der Expedition (Mohren - Straße No. 34); in der Provinz so wie im Anslande bei den Wohllöbl. Pvsl-Aemtern. Literatur des Auslandes. 3z. Berlin, Mittwoch den 18. Mär; 1835. England. Die Londoner Zeitungen und ihre Herausgeber. (Aus l'sit'.'» Ldioburxl, „Wenn ich nach London zurnckkehre", sagte Herr O'Connell in einer Siede, die er im November 1834 ;u Dublin hielt, „will ich die sen Zeitungsschreibern die Maske herunterrcißen; ich werde der Welt zeigen, was sür Leute das sind, die sich anmaßen, sie unter der Hiille des geheimnißvollen Wir zu regieren." Wohl gesprochen, Herr O'Connell! Die Gerechtigkeit, die Ehre, die Freiheit und der hochherzige Charakter der Englischen Nation er heischen es, daß diese Leute entlarvt werden. Da die Presse einen so mächtigen Einfluß ausiibt, so ist cs eine Schmach, daß ihre Mord- földner mit geschlossenem Bisir einhcrgehen und sich ihren Standpunkt aussuchen können, nm die chrenwerthestcn unserer Staatsmänner, die mit offenem Antlitz kämpsen, hinterrücks zu erdolchen. Ein so unritter licher Krieg kleidet diesen Kämpen, die unaufhörlich mit ihrer Loyalität und Unabhängigkeit prahlen, schlecht genug; es kann nicht länger so bleiben, man muß endlich einmal den Schleier lüsten, der diese Namen losen verhüllt. Wir haben Gelegenheit gehabt, das Personal der Londoner Presse genau kennen zu lernen, und wir wolle» unsere Ent deckungen der guten Sache zum Besten geben. So kommen wir Ihnen, Herr O'Connell, zu Hülfe und thun für Sie und für Jedermann, was weder Sie noch sonst Jemand ohne unseren Beistand vermocht hätten. Bor allen Dingen möge in der Musterung, die wir über die JeitungS- Redacleure halten wollen, die gehörige Ordnung vorwalten, und so lassen Sie uns denn ihre Schlachtrcihen so verführen, wie sie sich vor Leu Augen des Publikums entfalten. Die erste Reihe nehmen die täglich erscheinenden Morgcnblättcr «in, die zweite die Abendzeitungen, die dritte die endlose Zahl der Wochenblätter. Ausgcmcrkt! der Borhang rollt in die Hohe, und cs zeigen sich zuerst die Arbeiter an den Morgcnblättern. Die Königin der periodi schen Literatur, die allgewaltige Times, eröffnet den Reigen. Die Times ist ein gemeinschaftliches Unternehmen; das Eigenthum der Gesellschaft, welche darüber gebietet, ist in 24 Actien gcthcilt, welche zu Lebzeiten des weiland Herr» Walter, Waters des jetzige» chrenwcr- the» Repräsentanten von Berkshire, eine jede für die bescheidene Summe von 100 Pfund Sterling verkauft wurden. Den Anstrengungen dieses talentvollen Mannes, dieses so ost verfolgten edlen Charakters, dem Fleiß und der geschickten Leitung seines Sohnes gelang es, die Times nach und nach zu dem außerordentliche» Kredit und dem hohe» Anse hen zu erbeben, deren sie sich jetzt in der politischen Welt erfreut, so daß ihre Actirn gegenwärtig nicht weniger als 12,000 Pfd. Sterling eine jede gellen. Bon diesen 24 Actien gehören IK, also 2 Drittel, Herrn Walter selbst; diese bringen ihm eine jährliche Einnahme von 20,000 Pfd., eine Einnahme, die sich nicht etwa vermindert, sondern von Tag zu Tage steigt. Lange Zeit hindurch-war Herr Walter nicht bloß Haupl-Eigenthümer, sondern auch Rcdactcur der Times. Damals erhielt er sür seine Arbeiten noch eine jährliche Entschädigung von 2000 Pfd.; nachdem er sich aber auf diese Weise ein unerhörtes Bermögen zusam- ' mengcscharrt, hat er sich von Prinling-Housc-Equare zurückgezogen und auf dem Lande niedergelassen, wo er nun wie ein Magnat lebt. Er hat jetzt mit der Redaktion und der Leitung der Times gar nichts mehr zu thun. Sein schönes Landgut liegt in der Nähe von'Windsor. Das Hauptgeschütz des Jnstitus ist gegenwärtig Herr Sterling. Dieser Mann war Capitain, und diente als solcher während des Krie ges auf der Halbinsel in der Englischen Armee. Er ist ein guter Be kannter des Herzogs von Wellington, nnd obgleich er mit dem Armee dienst nichts mehr zu schassen hat, jo wohnt er doch doch noch immer zu Knightsbridge, der Kavallerie-Kaserne gegenüber, und geht fortwäh rend mit Offizieren um. Dieser Herr Sterling ist es, der die Hgnpt- qrtikel in der Times schreibt; schon seit mehreren Jahren ist Alles, was in diesem Blaue Aufsehen erregte, aus seiner Feder geflossen. Herr Sterling machte sich dem Haupt - Redacteur zuerst durch Einsendung einer Reihe von Briesen mit der Unterschrift „Votus" bekannt, deren glänzende Gedanken ihm ci» festes Gehalt verschafften, welches bis auf 1300 Pfund — diese ungeheure Summe bezieht er jetzt jährlich — gestiegen ist. Ucbrigens bekümmert sich Herr Sterling nicht im minde sten um die allgemeine Geschäftsführung des Blattes. Die ILOO Pfund empfängt er bloß siir den Hauptartikel, den ec täglich aus seiner Be hausung einscndct. Dieser Schriftsteller besitzt das Talent, mit unge wöhnlicher Leichtigkeit und Schnelle zu arbeiten; in weniger als einer Stunde schreibt er ost eine ganze Spalte tusammcn. Gewiß bat seit Swift unsere politische Literatur nichts aukzuweiscn, was seinen Artikel» zu vergleichen wäre. Besonders zeichnet sich Herr Sterling durch seinen Stil auS, denn bei seiner Wärme und Leidenschaftlichkeit entfernt er sich oft von seinen Grundsätzen, kömmt wieder darauf zurück, läßt sie »och einmal fahren, und so rasch hinter einander, daß die Politik der Times dadurch ein entschiedenes Gepräge der Jnkonscgucnz erhält. Die Eigcnihümcr haben dies mehrmals bemerkt, aber cs liegt etwas so Kriegerisches in den Sitten, Gewohnheiten und politischen Raisonnemcnts des Herrn Sterling, er ist ein so stolzer, so ungefügiger Mann, daß sie sich genöthigt sahen, ihm aus Rücksicht auf das Gewicht seiner Artikel, auf die Lebendigkeit und den Glanz seines Stils, Bieles durchgehen zu lassen. So reißt Herr Sterling die Times mit sich fort, wohin es ihm gefällt. Wenn dieses Blatt jetzt das Ministerium des Herzogs von Wellington nnlcrstützt, so ist dies Herrn Sterling zuzuschreiben, aber deshalb kann man ihm keine eigennützige Beweggründe Schuld geben; Herr Sterling würde es nie über sich vermögen, für Gold der Herr schaft selbst des mächtigsten Monarchen der Welt zu dienen. Gewiß, lr ist nicht der Mann dazu, sich einer Partei als Sklave hinzugcben, oder sich der Macht zu berauben, alle die zu zermalmen, welche es wa ge» sollten, sich gcgen seinen despotischen Willen ausznlchncn. So bat er aus Wuth darüber, daß es ihm trotz aller seiner Bemühungen nicht gelang, die Armenbill zu hintertreiben, dem Gaukler von Vauxhall °) mi seiner Keule ohne Erbarmen den Kops zerschmettert. Aus der Feder dieses Mannes mit der eisernen Maske flossen die biutalen Angriffe gegen Herrn O'Connell wegen seiner WählbarkeitS- Rmle, welches doch eine reine Privatangelegenheit zwischen Letzterem und denjenigen war, die seine Dienste dem Lande erhalten wollten; eben jene Feier schrieb die verächtlichen Acußrrungcn gegen de» bekann ten Freund von Ersparnissen, den sie gewöhnlich „cm Herr Joscpb Hume" timlirt; dieselbe Feder, welche mianfbörlich gegen jenen andern Staatsmann, „drn gelehrten Roebuck," zu Felde zieht, weil derselbe sich erkühnte, den Willen des Herrn Sterling zn durchkreuzen, und cinm Torv von der Repräsentation der Stadl Bath zu verdrängen; cbci die Feder, die so freigebig ist mit den Worten: „schmutzige Radi kale, Fleischer von Kensington, nnd Hampden von Brummagen." So groß ist die Macht dieses Mannes zum Bösen und zum Guten, so ver wegenen Mißbrauch Hal er in der letzten Zeit mil seinem Talente ge- tricken, daß cs wohl endlich Zeit ist sür das Englische Volk, den Stand um Charakter desjenigen kennen zn lernen, der sich ans diese Weise annaßt, von seinem Hause zu Knightsbridge aus Minister zu stürzen, und den Staat zu regieren oder zn verwirren. Nach Herrn Sterling ist der bedeutendste unter de» Rcdacteuren der Times Herr Barnes, Ler den Posten eines verantwortlichen Heraus- gebns bekleidet. Man hat ihm oft mit Unrecht die donnernden Artikel des Herrn Sterling zugeschri eben, während er doch gewöhnlich nur über literarische und Kunst-Gegenstände schreibt. Er ist ein vortrefflicher Sprachkenner, ein Mann von gelehrten Studien und ein unermüdlicher Arbeiter, den man stets auf dc» Beinen sicht, bci Nacht wie bei Tage. Sein Ec- halt beträgt 1000 Pfd. Sterling jährlich, und er ist jetzt auch Eigcn- thütner von einer halben Actie des UnlcrnchmcnS. Da Hcrr Barnes die tüchtigsten Geschäfts-Kenntnisse mit der lebhaftesten Regsamkeit ver bindet, so leitet er das ungeheure Getriebe zu Printinq-House-Sguare auf eine sehr geschickte Weise. Seine Einsicht leuchtet aus jedem Blatte der Times hervor, er ist cs, dcr die auswärtigcn Korrcspondcnten und die Bericht - Ersiatter über die Parlaments - Verhandlungen auswählt, welch! Letztere eben so zahlreich als nützlich sind, und in dem verant wortlichen Herausgeber ihrerseits einen liberalen und verständigen Ebes finden. Uebrigens aber will er bedient scv», wie er bezahlt; er fordert die unbedingteste Unterwerfung, und, Herrn Sterling ausgenommen, fügt sich Jedermann seinen Befehlen. In dcr Politik neigt er sich zu Frei heits-Prinzipien hin; cr bcgrcift dic Würde seines Postens, verschmäht jede Lockung, die ibn von seinem Ziel ablenken möchte, har kein Gelüst, von seiner Gewalt Mißbrauch zu machen, und zeigt sich in jeder Bezie hung und überall als ein sreimülhiger und ehrcnwcrther Mann. Man möchte ibm nur rathen, eine von Printing-House-Square etwas cntlege ncre Wohnung zu beziehen, damit ec genötbigt wäre, sich mehr körper liche Bewegung zu machen, denn seine zunehmende Wohlbeleibtheit und seine übermäßigen geistige» Anstrengungen könnten ihm sonst ein frühes Ende zuziehen. Der sogenannte City-Artikel der Times (dcr Börsen-Berichl), wird *> Unter Vaurhall ist hier der Wohnsitz des Lord Brougham verstanden« der bekanntlich auch Baron von Vaux ist.