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ü bnüll dieielben Formen, dieselben Phpsiognomicen aufzuwciskn. Und diese Einförmigkeit wird gewiß bald auch zu den höheren Klaffen der Gesell schaft in der Türkei hinüberdnngen, wo man schon jetzl unsere Hille und Röcke zu Ehren ausgenommen und in fünfzig Zähre» mil aller Wahrscheinlichkeil auch die Emancipation der Frauen prvklamiren wird. Bei diesen Vornehmen und Großen findest Du überall, sowohl zu Wien und Berlin, al» zu London und Rom, denselben eng ansitzenden schwar ze» Rock, dieselben mehr oder weniger geschickl gcmachlcn Komplimente und Bcrdcnanngcn und denselben herkömmlichen Unlrrhaltnngslon, der seilen ein Mal überschritten wird. Allein wir sprechen hier besonders von der zweiten Klasse der Gesellschaft, die fast überall und in allen Beziehungen die bezeichnendere ist, und die allein durch da« mannigfache Gepräge der verschiedenen Nationalitäten so sehr von einander abweichl. Hier ist c«, wo man die Frauen und ihre verschiedene» Lille» und Gewvhnheilen zu wür dige» Hal, hier ist die Sphäre, in der sich ihr wahrer Werth und ihr wirksamer Einfluß auf die Gesellschaft zu erkennen giebt. Wer die Well nur bei der vornehmkn, große» Toilette gesehen, der hat noch Nieman den wahrhaft kennen gelernt. Willst Du erfahren und begreifen, welches t-e eigenthümlichen Sillen der Frauen sind, so mußt Du sie in ihrem Hause, in der Küche, im Speisesaal und im Gesellschaftszimmer sehe». Lassen wir nun aber ei» Mal die privilegirlcn, immer geputzten und den strengen Gesetzen der Etikette unterworfenen Klassen bei Seile, so können wir kurzweg behaupten, daß unter allen Frauen in Europa die Deutschen die naivsten imd natürlichsten sind. Hierdurch unler- fcheide» sie sich mehr oder weniger von den Französischen und Eng lischen Frauen. Denn in diesen beiden Ländern ist die ganze Er. ziehung, die die Frauen erhalte», eine negative. Es wird ihnen un- aiifhörllch jngcruscn: „Thut das und das nicht!" Weiter werden keine Gründe und keine Bemerkungen hinzugcfügl. Fragt nun aber ein Mal das junge Mädchen, das weniger schüchtern ist, warum ihr dies und ;cn« verboten wird, so heißt es: Es ist nicht schicklich, es ist nicht so, wie cs fcvn muß, cs ist lächerlich u. s. w. Aber ist denn die rcrbolcne Handlung «was Schlechtes? Und warum ist sie schlecht? Dergleichen Frage» werden nie bcaiitwortel. „Meine Theure", heißt es dann, „man muß nicht raisonniren; junge Mädchen dürfe» nicht rai- fonnircn. Gehe »nd lerne lieber Deine Ztaliänischc Leclion." — „Aber, liebe Mutter, ich dachte...."—„Denken! das ist gar sehr unnütz; »Hue nur hübsch das, was man Dich heißt." — Und so glaubt man, daß ter Wille einer Erzieherin, das Gesetz der Mode und die.Gewalt des Herkommens alle Leidenschaften, Gefühle und Ideen, jene geheimen energischen Kräfte ersticken und unterdrücken werde, die die Hand de« Schöpfers selbst in unser Leben cingewebt! Welch' eine Bcrkebrthcit! Sieht man denn nicht, daß diese Gefühle, daß diese Gedanken gerade die eigentlichen Glieder der Kette sind, die uns mit dem Göttlichen verbindet, und daß man, will man irgend auf sie cinwirkcii, will man ihren Flug leiten und ermäßigen, »olhwcndig sie zuerst ganz besonders in Betracht ziehen müsse? Diese negative Erziehungswcise ha« ihre verschiedenen Wirkungen in Frankreich und in England. Bei den Engländern bilde» die alte» FrcchcttS-Zdcen, die überall in dem gesellschaftlichen Leben gäng und gebe find, ein mächtiges Gegengewicht gegen die Ziirückgezogenbcit und Schüchternheit, die nian den Frauen aufbürden will. Denn da man in England jede Individualität besonders respektirt, so kann cs nicht schien, daß man bas andere Geschlecht an der allgemeinen Regel Theil nehme» läßt und daß es sich auch feiner Rechte bedient. Und in dcr Thal sind auch die Englischen Frauen, zwar dem Scheine nach, kalt und zurückhal tend. aber in der Wirtlichkeit dreist und kühn. Hingegen in Frankreich Hai man die Frauen i» weit engere Gränzen zurückgewicscn; dort ist man bemüht, ihnen eine weit gekünsteltere Erisbrnz zu verschaffen; man sucht ihnen frühzeitig Maximen cinzuimpsc», die ihre Freiheit fesseln und gefährden. Dazu komm! nun andererseits das viele Lesen von Ro manen, die weit freiere und ungezügeltere Unterhaltung, lauter Dinge, die notbwcndig das zur Folge haben , daß das Französische Frauenzim mer wcit früher reis wird, und vielleicht im Allgemeinen, wie Montaigne sagt, während cs den Verstand sporn« und schärft, dcn naiven natürlichen Mutterwitz zerstört, dcr der erste Schmuck weiblicher Empfindung und weiblichen Denkens ist. Zn Fraknreich siebt die Frau unter den Gesetzen der Konvenienz, i» England unter denen dcr Elikellc. Nicht etwa, daß man in dicsen beiden Länder» auf die Natur gar keine Rücksicht nähme; vielmehr macht man daraus ci» ganz eigenes besonderes Studium. „Meine Tochter", sagt mehr als Eine gute Französische Mutter zu wiederholten Malen zu ihrem Kinde, „sev hübsch natürlich." Allein diese anempfoh- kene Naivetät besieht in weiter nichts, als Alles das zu unterlassen, was Andere auch unterlasse», dagegen, wie es Mode ist, gleichsam Leib und Seele in ein ewige« Mieder einzuschnttren, und was noch seltsamer ist, sich allem Sitten- und Formenzwaug immcr zu unterziehe», um nur nicht etwa gezwungen zu erscheine». Bon diel« erlernten Natürlichkeit und diesem gemachten Modelebm sittde» sich in Deutschland weit weniger Spuren als in England und Frankreich. Die Englische Frau ist im Allgemeinen dazu bestimmt, dcn Thee zu scrvircn, dic Französische Frau lebt, um kokett zu «scheinen, dagegen die Deutsche Frau ist für dic Wirthschast geboren. Was dic Liebe anbelangt, so mischt sic sich glücklichcrwcisc bei Allen in's Spiel aind zwar durch dic besonderc Gnadc de« Himmels, in allen drei Ländern aus eine fast gleiche Wcisc. Ab« in Deutschland nimmt die häus liche Existenz fast alle Zdecn dcr Frau in Beschlag; hier ist man nicht bestrebt, die moralischen Gefühle dem Verstände und »och weil wenig« dem steifen Herkvmmen aufzuopfcm. Hier wird nicht gelehrt, wic man seine Empfindungen und natürlichcn Neigu»- äen unterdrückcn und vcrsicllcn müsse, und in der Thal sind auch rie Deutschen Frauen weit rigcnlhümlich«, und da« natürliche Feuer ihres poetischen Gomes erwärmt lind erheitert oft in ganz ngiver Weise das gemeine alltägliche Lebest. Leibst wenn dic Deutsche affek- tirl erscheint, ist es nichts, als eine llebcrtr«bung dcr natürlichen Zn- dividualität, eine überreizte Natur, die ost auch noch ihr besonders Anziehende» Hal. Eine Englische Frau Hingtgen ist immer aristokratisch, mag auch ihr Bat« oder ihr Galle nur cm runach« Gcwürzkrämer sev». Ein gewisser hergebrachter Egoismus flößt >hr ciiit Geringschätzung für mancherlei Beschäftigungen und Sorge» ci», die sonst gar nicht« Geringzuschätzendc« haben. Du siehst sic oft, wic sic sich in voll« Er gebenheit und geduldig an. ihrem Fenster oder an ihrem Pianoforte langweilt, oder wie sie ein Liebeslied abtrillert, gleich al« ob sie ihr Glaubensbekeniitniß hersagte, wie sie an einem Schnupfluche stickt und am Filet arbeitet; dabei emuiyirt sie sich immer, ab« sie ennuhirt sich doch auf eine anständige Weise. Zu München hingegen, zu Wien und Berlin steigt die junge und schöne Tochter ein« reichen vornehme» Dame lustig und vergnügt dic Treppen auf und ab, indem sie die Schlüssel zum Speisekcller und Gemüsegarten am Gurte hängen hat. Werther s Lotte streicht Butterbeminen, bei deren Anblick ihr Geliebt« in Tbränen zerfließt; das ist nicht etwa ein Scherz, noch wenig« eine Parodie. Vielmehr ist diese gefühlvolle Zärtlichkeit bei Buttcrbcmmen in Deutschland etwas ganz Gewöhnliches, ganz so, wie man i» Eng land nur in seidenen Strümpfe», i» strohgelben Handschuhen und in weißem Atlas zärtlich zu scyn gewohnt ist. Als ich eines Tages wäh rend meines Aufenthalte in Deutschland mit der Frau eines Staats- Ministers eine Gemälde-Galleric besuchen sollte, ließ sich dieselbe bei mir damit entschuldigen, daß sic gerade an jenem Tage große Wäsche hätte, klebrigen» wär s eine Frau von gewandtem Geiste und sciiicil Manie«», und ich habe wenig Frauen gekannt, dic mehr Auszeichnung verdienten. Ab« die „große Wäsche" ist bei dcn Deutschen Frauen cin Ereigniß von hoher Bedeutung, und wehe dem, dcr an einem sol chen Tage da» HauS bestürmt, wo Alles von oben nach unten gekehrt wird. Man bemerke wohl, daß ich hier keineswege« auch von der nie deren Klasse der Handwerker und Tagelöhner gesprochen habe. Denn wa« diese anbelangt, so ist dic Deutsche Frau nur eine Sklavin ersten Range«. Sie darf an nichts, als an die Küche und an dic Wäsche denken; sic weiß, wie Shakespeare sagt, von nicht«, als ihre» Kleinen die Brust zu reichen und die Zahl der Fässer zu bemerken, die sie in» Keller liegen hat. Ungefähr zwischen diesen Extremen, dem häuslichen und Wirth- schast« - Leben, Las alle Zntclligenz absorbirt, und der falsche» Ober flächlichkeit, dic dic Naivetät erstickt, zwischen dicsen beiden würde da« Zdcal dcr Frau in der Mitte liegen, dic rinc »rcuc Gefährtin de« Diannes wäre, verständig genug, um ihn zu verstehen und an feint» verschiedenartigen Zdten Theil zu nehmen, und wiederum naiv genug, um rein und wahr zu empfinden, so wie bescheiden genug, um nicht« zu verschmähen, was zum allgemeinen Wohlstände beitragen und förder lich seh» kann. (Schlich folgt.) Bibliographie. 8G«»:t>on!i trnm thc Xnivrican I'ocG. (Ausgcwähltee von Amtrir kanischcn Dicht«».) 7 Sh. 8uc>t8 SVurthic!-. (Lebensbeschreibungen !c. Schottischer Predig«.). 2 Bde. 2ä Sh. Tbc nnnual nhitu.ii-)' null biugrapk)- kor IhiiS. (Zährlichcr Ne krolog von Großbritlmicn, für IGiS IS Sh.) Trick- upon «avcller». (Foppereien, denen Reisende ausgesltzt sind.) i j Sb. <;hac»i uiul lün ernuilon. (Das Ehaos und dic Schöpfung.) Ein episches Gedicht. IS Sb. Tbc l.»v uncl Practice: ut clcctinnü. (Wahl-Gesetze und Gebräuche.) Bou E. F. F. Wordsworth. Zweite Auflage. 2S Sb. ?iiinro<i'» huntinß tour. (Zäger-Anekdoten !c.) IS Sh. Syrien. Dic Christen in Jerusalem. (Schluß.) Zur Notiz sür Fromme, deren Zweck cs ist, die heiligen Oerter zu be suche», bemerken wir, daß dic Latein« seit kurzem cin Svstcm von Toleranz und Mäßigung angenommen haben, welche», wie uns geschienen, seinen Grund in der ungewissen Art ihr« Existcnzmittcl hat, und daß sie auch den Vorzug einer gewissen Enthaltsamkeit sür sich in Anspruch nehmen, gegen welche zu verstoße», ihnen die Snperiorität, die sie über die ändert Gcisilichktil haben und d« Umstand, daß sic schon rur Gcwobnbcit und Sitte geworden, nicht mehr erlaubt. Eben so müssen wir binzufügen, daß dagegen die weil minder aufgeklärten Armenier und besonders dic Grieche» mit einer Unverschämtheit ohne Gleichen dic Latein« zum Ziel ihrer Angriffe machen und daß ihre Politik vor Nicht» zurückschrcckl, wa« ihnen zu einem unbestrittenen Supremat vcrbelsen könnte. Alle Mittel sind ihnen recht gewesen, sie haben sich nicht gescheut, bei der hohen Pforte um einen Ferman einzukommen, sie zu «mächtige», daß sic diejenigen unter ihre» zahlreiche» Pilger», dic sich gewisse Almosen zu be zahl« weigern, mit Stockpriigeln bestrafen dürsten, und da ihnen ein Mal dieses Recht zugestanden worden, haben sic es aus eine himmelschrciendc Wcisc gcmißbraucht. Zhre Patriarchen wvbnen in Konstanlinopcl mtd arbeiten nnausbörUch an ter Vergrößerung ihr« Macht in Palästina, dic sic durch überraschendr List «langt und durch cinc lange Reihe von Schurkereien zu erhallen gewußt haben; denn ehemals dursten sie nicht cin Mal in da« heilige Grab hinein. Anstatt wic sonst, ihre Schätze an Palästina zu verschwend»», kaufen die Europäischen Nationen fast nichts mehr von dcn Amuletten, welche die dortigen Katholiken arbcite». Und an der Spihc dieser Art von Empörung, die dort cinc» ganzen Gottesdienst zn vernichten droht, wenn nicht durch irgend cm große« Wunder sine bedcmenkc Reaction hervor-