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47 ten, dafür, daß sie ihre Flotte an Frankreich geliehen. Denn es ist der Schande wcrtb, wenn man sich's denkt, daß der Kardinal nur einen einzigen Brander zur Englischen Flotte hat schicken können; ja, ja, Ka tharine, einen Brander, das ist Alics, was man in den Hafen des At lantische» Meeres hat auflreidcn können... Die Galeeren der Levante verstehen freilich nichts von der Schifffahrt außerhalb des Mittelländi schen Meeres, aber — doch genug, Frau, von dieser Belagerung", drach Cornille ab: die Schmerzen wurden wieder heftiger. „Hättest Du doch immer so gesprochen, mein Freund, und wärest nicht ausgelaufen, das Snglhche Rennschiff") wcgzunchmcn! Du lägest dann nicht verwundet hier." „Ach, was redest Du für Zeug, Frau) Das ist das Loos des Krieges, das launische, immer wechselnde. — Aber sage mir doch, mein lieber Jean", fuhr er fort und zog Len Knaben zwischen seine Kniee, mit seinen langen Locken spielend, „sage mir doch, woran Du denkst; Du stehst ja so finster und trübselig da, wie ein Schulknabc, der die Ruthe haben soll." „Ach! ich denke eben an den großen John Brish", lieber Vater", antwortete das Kind mit dem Tone unterdrückten Zorns. „Und wer ist denn der große John Brish, mein Jungchen k" „Mit Erlaubniß, Meister", siel Säuret, schüchtern näher tretend, ein; „John Brish ist der Sohn unseres Nachbars, des alten Englischen Hochbootsmanns. Seitdem Ihr verwundet seyd, Meister, fällt unser kleiner Herr Jean über diesen John Brish, so ost er ihn sieht, her und prügelt ihn durch, wenn gerade ein Stock zur Hand ist, oder auch mit der bloßen Faust, und das gehörig!" „Gott im Himmel! immer und ewig Zänkereien!" sagte die arme Mutter erschreckt. „Wozu das, Jean, warum prügelst Du immer die sen Engländers" „Ich prügle diesen Engländer, Mutter, weil die Engländer meinen Vater verwundet haben!" sagte dec Kleine mit entschlossenem Tone, und Eornillc Bart konnte sich des Lächelns nicht enthalten. „Ja, ja, darum tbut er's", setzte Säuret hinzu und nickte trinm- phircnd mit dem Kopfe — „darum kriegt er seine Tracht! Auch schreien sich alle Nachbarn zu, sobald sich unser braver junger Herr und der große überseeische Lümmel zusammen auf der Straße sehen lassen: j,„Aha, da kommt Meister Cvnülle's Kleiner; nun wird der Engländer gleich seine Ladung kriegen!"" Und doch, Meister, ist des Bootsmanns Junge viel größer und wohl um drei Jahr älter, als unser junger Herr. Unser junger Herr macht Euch Ehre in Dünkirchen, Meister! Ja, mein Seel! Man spricht noch immer davon, wie er vor einem Jahre mit zwei Holländischen Schiffsjungen sich in'S hohe Meer gewagt auf dem kleinen Kähnlciu, das sic wcgstibitzi, im schändlichsten Wetter und bei widrigem Wind auf der Rückkehr, daß unser junger Herr, der sich zum Eapckain dieser Nußschaale gemacht, sein Leben hätte cinbüßen können bei diesem Wagstück, und wie er die beiden Jungen immer mit deni Ruder zusammdnhieb, weil er ihre Sprache nicht verstand und ihnen aus keine andere Weise verständlich zu machen wußte, daß sic keine Furcht haben sollten. Darum halte ich so viel darauf — bei solche»! Wcltcr, denn je mehr Hindernisse, desto mcbr —" „Haltet Euren Mund, Saurct, Ihr scvd nicht klug", unterbrach ihn Mademoiselle Barl; „bringet lieber Licht, anstatt "das arme Kind zu ähnlichen Tborhcitc» zu ermuntern, und Du, mein Freund, kannst Du cs ohne Schelte hingcbe» lassen, daß der Junge sich immer so in Gesabr bcgiebt, immer im Hafen liegt und aus den Mafien henunklcl- tcrt, statt' in die Schule zu gehen und von den würdige» PattcS was zu lernen? Du hast wohl Saurct besohlen, er soll ihn lescn lehren; aber Jean kennt kaum die Buchstähen, und unsere anderen Kinder lesen schot? fast geläufig." „Du hast Recht, Frau; aber mein Hänschen liest Dir alle Masten, Segel und Manöver eines Schiffss her, daß es nur so eine Art hat. Ein Gelehrter soll er auch nicht werden." „Aber der Junge wird sich den Tod holen, wenn Du ihn immer zu dergleichen Wagnissen ermunterst. — Großer Gott!" crwicdcrte Ka tharine mit Thräncn in den Augen. „Nun, ja, ja, Du hast Recht", beschwichtigte er sic und nahm scheinbar eine strenge Miene an; „Du hast Recht und Jean hat Un recht. Du gehst nicht mehr auf s Meer hinaus, prügelst keinen Eng länder nicht? hörst Du wohl, Jcan?" „Und ich, Mnilcr, sagc Dir. daß ich dcn John immcr prügcln werde wie einen Hund, so ost er sich nur vor mir sehen läßt; dcn» als dcr Valcr verwund« nach Hause gebracht wurde, hat cr frohlockend ge sagt: „„Hussali! der Franzose hat sein Fett gekriegt."" Er soll nun auch sein Fett kriegen von mir, Fett und Schmiere vollaus, damit cr weiß, wic's schmeckt, und Saurct hat übrigens auch gesagt, daß für jeden Schmiß, den dcr John von mir kriegt, mein Valcr rwcn Schmerz weniger hat." „Da hörst Du es, mein Freund — so hetzt der Saurct den armen ' Junge» auf." , O nein, Mutter, kcinesweges; denn wenn ich John Brish durch- geprügelt habe, so bin ich's gewesen, dcr mich dazu äusgchctzt hat, und "erde cs auch ftrncr scvn, darauf verlasse Dich!" ."Den Mund gehalten, Jean", sagte dcr Vater sehr ernst, „nicht Tone mit dcr Mutter gesprochen, oder Du lösest etwas und ich erui.üe Dir keine Geschichten mehr vo» dem alte» Jacobsen, dem wie wir ihn ehemals nannten, als cr Eapitain mcincs Vaters .Imon Bart war, Deines Großvaters, Hänschen." — „Ach. erzähle, erzähle, Vater!" rief Jean voller Freuden und kauerte sich fu DI eist er Evrnille's Füßen nieder. „Du wirst Dich wieder aiigreise», lieber Mann", sprach Katharine; „denke doch daran, daß cs Dir'dcr PHMus ganz bcsondcre cingcschärft hat, wcnig zu reden." An großes Kriegsschiff, von der Bedeutung einer jetzigen Fregatte. „Gul, gut! besorge nichts; ich will ganz leise sprechen ... aber mein Sohn muß doch wenigstens wissen, daß sein Großvater nicht rühm los gestorben ist, doch wissen, wie cr tapfer unter dcn Kanone» dcr Engländer gefallen ist." „Also die Engländer haben meinen Großvater erschossen?" schrie Jean Bart auf, und fühlte, wie d^r Zorn gegen John Brish von neuem in ihm kochte. „Ja, mein kleiner Held, im Kampfe gegen die Engländer ist Dein Großvater gcsallcn." „Na, für dies Mal kann sich der Galgenstrick, dcr John Brish, bedanrcn, wenn er die Maulschelle, die ich ihm eben applizirt, glücklich übersteht!" rief Saurct, dcr eben hercintral mit einer kupfernen Lampe. Aber ein ernsthafter Blick von Mademoiselle Bart brachte ihn zum Schweigen. Er setzte seine Lampe ans die eine Kommode und blieb stumm und verlege». „Vcrgicb ihm, Katharine", sagte Eornillc, „er ist ein alter treuer Diener, dcr unscr Hänschen auf seine Weise lieb hat" — und auf ein Zeichen von Katharinen, fügte cr hinzu: „Meine Frau verzeiht Dir. Geh', hole Dein Werkzeug und Deine Galeere und setz' Dich dann dort hin; Du magst auch zuhöreu, Du hörst ja diese Geschichte» so gern wie mein Häuschen." Saurct ging voller Freuden hinaus und kam bald wieder mit sei ner Galeere und seinem Handwerkszeug zurück; er setzte sich damit aus die Erde zu Meister Cornillc's Füßen. In dicscm Moment ließ sich dcr Kanoncndomicr, dcr bis dahin gcschwiegcn, wieder vcrnchmcn. „Das sind die Kauvncn", schrie Jcan, lind wippte aus seinem Schcmcl umher. — „Ja, das Fcucr beginnt wieder", sagte Eornillc. — Katharine bekreuzte sich und nahm ihren Spümrockcii vor. — „Mcin Seel, Hänschen, das Fcucr aus allen diesen Geschützen soll würdig die Erzählung von dcn Waffemhaten Dei nes Großvaters und des Sccsuchsce begleite», denn bei ihrem Don ner haben sie ihren Ruhm erworben", sprach Meister Cornille mit Be geisterung. Und in Wahrheit, die Scene batte etwas Großes und Heroisches; es war ein schöner Anblick, wie der unerschrockene Seemann, der feinen Wunden fast unterlag, mitten in dcn Gefahren einer Belagerung beim dumpfe» hcrabhallendcn Donner dcr Kanonen seinem Sohne das ruhm volle Ende seines Vaters erzählte. „Michel Jacobsen, mein Kind", sprach Meister Cornille Bart, „wurde dcr Sccsuchs genannt, weil cs keiner so gut, wie er, ver stand, mit List und Schlauheit seine Bculc zu erhaschen und ebenso seine» Feinden zu entwischen. Jacobsen war dcr Waffenbruder Deines Großvaters; sie hatte» sich ci»a»kcr unverbrüchliche Freundschaft gelobt und bewiesen — eine jener festen Freundschaften aus ter alten Zeil. . nicht mit viel Worten, aber That aus That, wie Du bald sehen wirst. Was Jacobsen anbclangt, dcn Seefnchs, so hast Du ost sein Bild gcschen beim Herr» Schöppen Mullewacrt, wie er gemalt wurde von dem berühmten Maler aus Köln, der hier, cs ist nun schon lange bcr, als Gesandter dkS katholische» Königs bei Seiner überseeischen Majestät") durchkam — und bei mei»cm Heiligen, mein Soh», Du wirst nie ein Königlicheres und prächtigeres Gefolge zu scheu bekom me», als dieser Herr Maler hatte, der Rubeiis hieß, der seine Edel- lcutc und Stallmeister, Vagen und Dienerschaft in rotbcn und braniic» mit Silber gestickten Livreen bei sich hatte. Da koimte man Spanische uud Arabische Hengste sehen, mit dem schönsten Sattelzeug, weißcn Fe dern und scucrfarbenen Bänder», und dann die goldenen Sänfte», eine Herzogin kann sic nicht prachtvoller habe» — und Gott wciß, was Alles Köstliches und Seltenes'! Und dieser Maler, mcin Kind, .dieser vornehme Herr, sah es als eine Gunst ohne Gleichen an, daß er dcn alten Sccsuchs malcu durslc, scincr Lcrwcgenhcil und Uncrschrockcn- bcit zu Ehrcn — und zu diesem Endzwrck ging Rubens alle Tage zu Jacobsen bin, der in einem kleinen ärmlichen Zimmcrchcn wohnte, dicht a» beim alten Risba». — Uud als cr das Bild scrtig hatte, und dcr Herr Bürgermeister ihm zum Lohne eine volle Börse oder weuigstcns eine schöne goldne Kette verehren wollte, aiiiworlcte der Maler mit stolzer Vornehmheit: Mir genügt, daß man nun sagen kann, Rubens hat Jacobsen gemalt! „O! ich crinncre mich des BildcS wohl", ries Jean, „ein Man» mit einem braunen lange» Gesichte, Haar und Bart fchwan ... in einem stählernen Panzer, eine rothe Schärpe darüber; m dcr rechte» Hand hält cr scinen Kommandostab, die andere Hand ruht auf cmem schönen glänzende» Hclm; im Hintergrund des Bildes sind Schiffe abgcbildet, eine Schlacht und das Meer in stürmischen Wogen, gerade so wie an jenem Tage, wo ich mit den beiden Schiffsjungen aus Rotterdam ans dcr hohen See war." Dies Alles sagte dcr Knabe mit einer Begeiste rung, daß Cornille darüber lächeln mußte, obwohl die Mutter seufzte.- ') Dem König von Svanien. Philivp IV, war das freundschaftliche Vcr- haltniß bekannt, das zwifchen Nüvens und dem Herzog von Buckingham, Karl'SI Günstling, bestand, und ec befahl, um die Mißhelligkciw» zwischen den Kronen England und Svanien auszuglcichcn, der Prinzcfstn Iiabe»e„ Rubens zu veranlassen, nach Madrid zu kommen. Dieser begab ua- denn im Jahre t»27 dahin Philivv nahm ihn Mit großer Auszeichnung aus und faßte bald eine auncrvldcntlichc Meinung von ihm. Nachdem er achtzehn Monat am Soanischcn Hose zugebracht, gab ihm dcr König die Instructio nen und Beglaubigungsschreiben an dcn König von England. Rubens ging alsbald nach hondon, über Dünkirchen, und wurde von Karl I. mit großer Huld ausgenommen, bei foqle.ch von ihm genial! scvn wogte. Wahrend dieser Sitzungen senke Rubens die verschiedenen Puniee seiner Sendung auseinander uud nach zweimonatlichem Bctsammcnsenn waren die Grundlagen des Frie densschlusses zur Zusricdeuhcit beider Parteien ststgestellt. Um ihm seine Hoch achtung zu bezeugen, ernannte ihn Karli, m voller Parlaments-Versamm lung zum Ritter und machte ihm den goldenen mit Diamanten besetzten De gen, mit dem er ihn zum Ritter geschlagen, zum Geschenk. Wahrend des Verlaufs dieser Unterhandlungen malle Rubens die neuen Plafonds in White-Hall, ans denen er die Hauvt-Actlonen aus Iakob'S I. Regierung, von seiner Besteigung des Engliichen Lhroncs an, darstellte. Außerdem malte er das köstliche Bild des Königs Karl ,n Gestalt des heiligen Georg z» Pferde. Die Frau, die dcr Heilige aus der Gewalt des Drachen befreit, ist das Bild dcr Königin.