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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumerations- Preis 22 z Tgr. tß Td'r-t vierteljährlich, !i Tble. sur das gan;e Jahr, ohne Cr- Höhung, in allen Theilen Ler Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumeriri aus dieses Beiblatt der Allg. Pr. Staats- Zeitung in Berlin in den t-xpcdinon (Mohren - Straße No. 34>; in der Provinz so, wie im Auslande bei derr Wohllöbl. Post-Acmtern. Literatur des Auslandes. 9. Berlin, Mittwoch den 21. Januar 183S. Portugal." Die Bewohner der Azoren. Der Charakter der Bewohner dieser Inseln hat, bei allen seinen Fehlern, doch manches Gute, und könnte unter der Leitung einer freien und sorgsamen Regierung moralisch und praktisch ausgebildet werde». Ungeachtet der eisernen Herrschaft, der das Land so lange Zeil hindurch unterworfen war, sind sie doch weit unabhängiger, als ihre Briidcr im Portugiesischen Mutterlande. Sic sind von sanftem Charakter und be sitzen namentlich ein schnelles Auffassungs-Vermögen; aber es herrscht unter allen Ständen eine beklagenswcnhe Unwissenheit und ein solcher Zustand geistiger Erniedrigung, "daß sie in mancher Hinsicht sich kaum über das unvernünftige Thier erheben. Sie sprechen Portugiesisch, mit einigen Dialekt-Verschiedenheiten auf den einzelnen Inseln; allein sie sprechen in einem cigenthümlichen singenden Tone, der dem Ohre äußerst unangcnehm ist. In physischer Hinsicht stehen sie höher, als die Einwohner von Portugal; die Frauen sind weit schöner, oder eigentlich weniger gelb, mit schwarzen Augen und Haaren, aber mit großen Füßen und mit keinem besonderen Anspruch auf Schönheit. Sie sind jedoch berühmt wegen ihrer Fruchtbarkeit, und es ist nichts Ungewöhnliches, daß eine Frau zwölf, vierzehn bis fünfzehn "Kinder hat. Einige Portugiesische Reisende schildern sie als außerordentlich reizend und im Allgemeinen von würdevollem Benehmen. Ich bedaure, daß ich in dieses Lob nicht mit Anstimmen kann; cs müßten denn ein höchst steifes Einherschreiten, wobei der Kopf in eine Kapuze gehüllt ist, verbunden mit einem geister- ähnlichen Ansehen und einem Gange wie bei einem Lcichenzuge, die Erfordernisse zur Würde und Grazie bilden. Die Männer sind im Allgemeinen gut proporiionirt, stark, von angenehmen Gesichtszügen, worin sie einige Aehnlichkeit mit ihren Maurischen Vorältern haben. Die niederen Klaffen und das Landvolk stehe» weit hoher, als die ent sprechenden Klaffen in Portugal; sie sind geschickt, arglos, sanft und höflich, und wenn man ihnen Beschäftigung giebt, äußerst arbeitsam. Sie sind nicht treulos und rachsüchtig, wie ihre Brüder auf dem Kon tinente; doch machen auch sic, gleich diesen, wenn man sie zur Ver zweiflung treibt, von dem Dolche Gebrauch. Sie sind zu kleine» Dieb stählen zehr geneigt, zu denen sie sich gleichsam für privilegirl halten, und sie rivalistren darin, so wie in der Schnelligkeit ihrer Bewegun gen, mit den Lazaroni in Neapel. Als natürliche Folge ihrer maßlosen Unwissenheit erscheint es, daß sie im höchsten Grade bigott und abergläubisch und den Priestern knechtisch unterworfen sind. Sie lieben die Musik leidenschaftlich, ha ben aber selbst weder Geschick noch Lust zur Instrumental oder Vokal- Musik. Die Violine ist ihr gewöhnliches Instrument, das sie mit rohen Improvisationen begleiten. Der Tanz, dem sie sehr ergeben sind, heißt Landun, und gleicht in Melodie und Bewegung dem Bolero der Spanier. Er ist seit kurzem auch in die höheren Zirkel übergcgangen, und beschließt die Tänze des Abends. Die niederen Klaffen sind unerträglich schmutzig, voll von Ungezie fer, und daher Hautkrankheiten, namentlich der Krätze, sehr ausgesetzt. Ihre Kleidung ist roh und auf jeder Insel abweichend. Sie lieben das Spiel und alle Vergnügungen, so wie kirchliche und militairische Auf züge, namentlich die ersteren mit ihrem Gepränge und ihren Darstel lungen. Folgender Gebrauch ist dielen Inseln wohl ganz eigenthümlich. An dem "Feste des heiligen Geistes wählen sie durch das Loos in jedem Kirchspiel ein Oberhaupt, dem sie den Namen Kaiser geben und das von den, Priester eine silberne Krone und ein Scepter erhält, die beide zuvor feierlich geweiht wurden. Nach beendigter Ceremonie zieht sich der Kaiser zurück, umgeben von einer Schaar seiner Brüder, die seinen Weg mit Blumen bestreuen, und dafür einen Segen empfangen, indem er sein Scepter bewegt. Er begiebt sich dann nach einem klei nen, offenen, steinernen Gebäude, das zu diesem Zwecke in jedem Kirch spiel errichtet wird und den Namen 0 teatr» ü» Imperuünr (Theater des Kasters) führt. Dort sitzt er in Galla, umgebe» von seinen Freun den, an einem Tische, worauf er die Geschenke der Frommen empfängt, die in Brod, Wein, Geflügel und Fleisch bestehen und die am Abend unter die Armen vcrtbeilt werden. Der Kaiser verfügt sich darauf mit seinen Freunden in leine eigene, zuvor gereinigte und mit Blumenkrän zen geschmückte Wohnung, wo sie unter Schmausen, Spiele», Gesang und Tanz bis spät i» die Nacht versammelt bleiben. Diese Ceremonie wiederholt sich sicbcn Wochen lang an jedem Sonntage, und nichts kann den Eifer, welchen die daran theilnehmendcn niederen Klaffen bei dieser Gelegenheit zeige», übertreffen. Sie verpfänden oder verkaufen nicht selten ihr ganzes kleines Eigcnthum, um ihre Gastfreundschaft während der Dauer ihrer Herrschaft, wenn sie für ihre Freunde offene Tafel halten, recht zeigen zu können. Sind die sieben Wochen vor- übcr, so werten Krone und Scepter, bis zur Wiederkehr des Festes, auf eine» silbernen Teller in der Kirche nicdcrgclegt. Die Frauen der arbeitenden Klaffe müssen alle beschwerliche Arbeit verrichten, und es ist erstaunlich, welche große Lasten sie mit anschei nender Leichtigkeit tragen; aber sic verlieren auch bald alle weiblichen Reize, werden runzlich, furchtbar häßlich und frühzeitig kraftlos. Die niedere» Klassen sind äußerst mäßig, und um sie nach seinem Wein- Hause zu locket,, bereitet der Weinschenk (dies ist ein allgemeiner Ge brauch) schmackhafte gesalzene Fische mit einer Sauce, LinguiyiaS ge-- uannt, welche sehr beliebt ist. Die mittleren Klassen, d. h. diejenigen, welche sich mit dem Han-- dcl beschäftigen, stehen dieser Klaffe in anderen Ländern weil nach. Siv sind träge, haben in ihrem Geschäfte nicht die geringste Achtung vor Redlichkeit und Ehre und sind vorzüglich dem Spiel ergeben. Sie sind äußerst »»unterrichtet und, als Folge einer schlechten Regierung, verderbt und lasterhaft in ihren Gewohnheiten, Genüssen und Beschäftigungen- Die höheren Klaffe», namentlich die MvrgadoS und der Adel der Insel» sind prachtlicbend und tyrannisch und behandeln ihre Untergebenen fast: mit demselben Despotismus, wie die Regierung alle zusammen. Sie sind dessenungeachtet mitleidig gegen die Armen, freundlich und gütig gegen Fremde und von versöhnlichem Charakter, obgleich äußerst stolz und prahlerisch und affeklire» eine Pracht, einen Glanz und Reich thum, der ihre Mittel weit übersteigt. Sie befinden sich gleichfalls in einem traurigen Zustande geifliger und moralischer Erniedrigung und sind mit dem Dascv», also noch vielmehr mit dem Zustande anderer Nationen fast gänzlich unbekannt., Sie verbringen ihre Tage damit, daß sie sich abwechselnd m dem eine» oder anderen Hause zum Spiel versammeln. Die Frauen besitzen außer der Musik (die ein National-Talent ist, worin sie oft große Fertigkeit zeigen) wenig Fähigkeiten. Sie sind verlegen und linkisch in ihrem Benehmen, können nicht die geringste Unterhaltung in Gesellschaft führen und bringen ihr Leben in Trägheit und Einsamkeit hin. Plan sicht sie, ausgenommen in der Kirche" und zuweilen bei den Abend-Belustigungen, niemals außer dem Haiise. Ihre einzige Beschäftigung besteht im Essen, Trinken, Schlafen und in dem Guckcn aus einer Oeffnung in den vergitterten Fenstern ihrer Verandas, die gerade nur für den Kopf groß genug ist, wo sie mit gekreuzten Beinen oft halbe Tage lang sitzen. Ihre Dienerinnen sind ihre Gesell schafterinnen, die sie aussendcn, um Neuigkeiten einzuholen, die ihren trivialen Beschäftigungen und ihrem eben so trivialen Geschmack ange messen sind. Außer der Musik lieben sie aber auch den Tanz und den Putz lcidenschaslich; allein obgleich sie für letzteren mit allem Nölhigen aus England und Frankreich versehen werden, so zeigen sie doch in der Anordnung desselben einen eigenthümlichen Mangel an Geschmack und Zierlichkeit. Der Anzug, welchen sie außer dem Hause tragen und der bei den Frauen aller Inseln gleich ist, besteht in einem Mantel von blauem Tuch oder schwarzer Seide, einer steifen spitzen Haube, die nur den oberen Theil des Gesichts frei läßt. Die Frauen sind übrigens von so liebenswürdigem und sanftem Charakter, daß sie, bei gehöriger Erziehung, die anmulhigsten Gefährtinnen im gesellschaftlichen und häuslichen Leben sehn würden. Die Religion der Bewohner der Azoren ist die des Mutterlandes und die Kirche der Azoren wurde im Jahre 1534 zu einem Bislhum erhoben, das von der Hauptstadt Angra, wo der Bischof residirt, seinen Namen führt. Die Ausgaben für die Geistlichkeit und die Kirche, welche fast ein Drittheil sämmtlichcr Ausgaben für die ganze Insel gruppe betragen, werden Dom Staat bestritten, obgleich nicht ein Viertel des Zehnten in die Hände der Regierung gezahlt wird, welcher allein den Geistlichen zuflicßl, wie im Mütterlande. Ich darf indeß wohl sa gen, daß bis jetzt der Katholicismus nirgends mit größerer Intolleranz von seinen Dienern gelehrt worden ist, als hier. Diese Diener sind hier größtentheils so unverzeihlich unwissend, so schaamlos lasterhaft, daß jedes Institut, welches mit der Kirche verbunden war, eine Quelle des größten Elends und Lasters wurde. Die Disciplin der Kirche war in der Thal stets so locker und verdorben, daß ihre Jahrbücher mit entsetzlichen Gemälden von Lasterhaftigkeit und Verbrechen ungefüllt sind. Ihre Priester haben, statt den Herzen ihrer Gemeinden die reinen Leh ren der göttlichen Wahrheit einzuprägcn und mit gutem Beispiel vor- Mizugehen, für ihre eigenen niedrigen und verächtlichen Zwecke im ge heimen die besten Grundsätze der Religion und Moral untergraben.