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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration»- Preis 22j Sgr. (j Lbtr., vierteljährlich, 3 Thaler für das ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. für die Man rränumerirt auf diese« Beiblatt der Allg.Pr. Staats- Zeitung in Berlin in der Expedition lMohren - Straße Rr. 34); tn der Provinz so wie im Auslande bei dm Wohllöbl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. 1S6. 1833. Berlin, Montag den 30. Dezember Morgenländisches. Victor Zacquemont im Himalaja-Gebirge. Bon jciieui kühnen Französischen Reisenden, dessen vorzeitiger Tod im vorigen Zähre allgemein bedauert wurde, sind Briese hinter blieben, die nächstens bei Fournier in Paris im Druck erscheine» werden. Diese Briese sind zum größten Theil an seinen Barer und seine Freunde gerichtet und enthalten höchst interessante Details über Hindostan, und zwar in einer Weise mitgetheilt, wie es Englische Reisende, die dabei immer die Englische Suprematie über Indien im Sinne haben, in der Regel nicht thun. Nachstehender Auszug ist einem Briese an seinen Baier entlehnt, den Zacquemont, der mit einem sehr ausgedehnten Ferman des Königs Rundschet-Sing ver sehen war, am 22. Avril 183t in Bcrali, einer kleinen Ebene mit ten in den Bergen aus dem Wege nach Kaschmir, geschrieben, welche Reise er in Begleitung einer ihm untergebenen Karawane machte. Nachdem er die Mühseligkeiten und Entbehrungen geschildert, die er bereits mehrere Tage lang, seitdem er sich in den Bergen befindet, Hai erdulden müssen, fährt er folgendermaßen fort: „Heule endlich — denn beule ist der große Tag — fehlte beim Appell Niemand von meiner Karawane. Wir setzten uns, in Erwar tung -eines guten Frühstücks, in Bewegung; denn wir wußten, daß wir hier in Berali, dem ersten Dorse nach Mirpore, antommen wär den. Ich ging zu Fuß hinter meinem lahmen Pferde her und mei nen Gitankcu uachhäugend, als ich aus einem steilen Berge Ko: uns ein Fort bemerkte. Man sagte mir, daß cs bei» Könige Rund- schii-Sing gehöre und von 3 bis 400 Soldaten nnler den Befehlen eines Gouverneurs, Namens Neal-Sing, bewacht werde. Ich sah in der Thal bald daraus einige verdächtig ausschcndc Leute, mit Ge wehren und Säbeln bewaffnet, den einzigen Weg, der über den Berg führte, herabsteigcn. Sie machten mir ihren Salam und sagten, daß ihr Herr sie schicke, um mir den Weg zu zeigen und für die Sicherheit meines Gepäcks zu sorgen. Ihr Herr, fügten sie hinzu, erwarte mich oben aus dem Berge, um mir seine Begrüßungen und «in Nuznr (Geschenk, welches ein Untergebener einem Höheren macht) anzubicicn. Ich sand nichts Unwahrscheinliches in dieser Be stellung, und nach einer Stunde mühsamen Steigens gelaugten wir auf die Spitze des Berges. Oben fanden wir eine hübsche Rasen- stäche, in deren Mu,c sich die kleine Festung erhob, welche sehr dazu beitrug, der Landschaft einen ungemein malerischen Anstrich zu geben. Zahlreiche Gruppen Soldaten in ihrer Orientatischen Tracht fehlten auch nicht und gaben der Gegend eine ganz lokale Farbe. Ich fand meine Karawane, da ich diesesmal der Letzte im Zuge geblieben war, unter einem ungeheuer großen Feigenbaum ruhend. Als ich befahl, den Marsch forlzusetzcn, kamen meine Bedienten und meldeten mir, daß dies nicht gestaltet würde, und daß die Soldaten aus der Festung sic daran hinderten. Eine große Anzahl derselben hatte sich mir genähert und drängte sich um mein Pferd, das ich wieder bestiegen hatte. Aber die Neu gierde schien mir ihr einziger Beweggrund, den» aus meinen Befehl wurde mir sogleich Platz gemacht. Indessen war die Menge so an gewachsen, daß meine Leute darin wie verloren waren. Ungeduldig über die Zögerung, besah! ich, daß man sogleich den Gouverneur herbtirusen sollt. Er erschien auch bald mit einem neuen Haufen Soldaten, deren Aussehen noch verdächtiger war, und selbst so elend gekleidet, daß ich ,„einen Lieutenant Mirza fragen mußte, welcher von diesen Liimpenkerltn der Anführer seh. Aus Achtung für den König, dessen Osflsier er war, stieg ich vom Pferde, um seine Bc grüßungen zu empfangen, da er selbst zu Fuße erschien. Er bot mir eine Ziege an, welche mein Hausbosmeistcr entgegen nahm. Ich mußte mir Gewalt anlhun, seine Rede bis zu Ende anzuhören, um nicht früher meinen Unwillen über die meinem Zuge in den Weg ge legten Hindernisse ausbrechen zu lassen. Ich fuhr ihn heftig an und fragte, ob es wahr scp, daß er cs gewagt habe, das Anhalten der Ka- rawanc zu befehlen. Neal-Sing schien durch meine Heftigkeit etwas außer Fassung gebracht, und ohne auf meine Frage zu antworten, bot er mir so viel Soldaten an, als ich haben wollte, um mein Ge päck zu bewachen. Ich bemerkte ihm, daß er und ich die einzigen Bewohner dieser Wüste waren, und daß ich deshalb seiner Soldaicn nicht bedürfte; das Einzige, was ich verlangte, wäre, das; er dieselben so rasch wie möglich zurückkehren lasse. Er gab mir daraus zu ver stehen, daß man einem solchcn Bcsehl von seiner Seite nicht Folge leisten würde, und forderte mich von neuem auf, eine Wache anzuneh- men. Ich hielt ibn für vorsichlig und nahm das Erbieten an. Meine Lage wurde in jeder Minute mehr die eines Gefangenen. Der Lieutenant Mirza sprach nicht mehr anders als mit gefalteten Händen zu Ncat-Sing, dessen Ton immer anmaßender wurde. Nach einer langen Auseinandersetzung aller der Ungerechtigkeiten, welche der König ihm hatte widerfahren lassen, erklärte mir Neal-Sing, wohl zu merken mit gefalteten Händen und im dcmüihigstcn und unterwürfigsten Tone, daß er, da der Besitz meiner Person ihm das Mittet an die Hand gäbe, den König zu zwingen, sein Unrecht gegen ihn wieder gut zu machen, mich so lange gesangen halten werde, bis man ihm Gerechtigkeit würde haben widerfahren lassen, und daß ich, mein Gepäck und meine Begleitung, ihm als Geißeln und Bürgschaft dienen würden. Dieser Mensch war bei der Erzählung seiner Leiden ganz außer sich gerathen. „Sic wären", sagte er zuletzt, „der Lohn sür seine Treue. Gulab-Sing habe ihn zwingen wollen, diese ibm vom Kö nige anvcNrautt Festung zu übergeben; und weil rr sich dessen fort- wabrend geweigert, habe der Bruder jenes Herrn, Thean-Sing, Mi nister des Königs, es zu hintertreiben gewußt, daß seinen Truppen der Sold ausgezahlt würde. Seit drei Jahren habe er nichts erhal ten und müsse in solchen Lumpen einhcrgehcii. Seine Soldaten lebten von Gras und Blättern." Ich bemerkte mit geheimer Unruhe die Wirkung, welche jene Bercbisamkeit auf die ausgehungerte und bewaffnet« Menge bcrvor- brachte, in deren Gewalt ich mich befand. Ein allgemeines Geschrei übertönte ost die Stimme des Anführers, und der Schluß seiner Rede war eben nicht die Stelle, der man am wenigsten auf jene drohende Weise Beifall schenkte. Jeder untersuchte beim Zuhören die angezündcie Lunte seines Gewehrs und schüttelte die Asche von derselben ab. Mehrere der Soldaten wollten nun ihrerseits das Wort nehmen; aber ich legle diesem Pöbel aus eine gebieterische Weise Slillschwcigcn aus, und ich vernahm nur noch ein so schwa ches Gemurmel, daß der Anführer selbst es zu unterdrücken wagt«. Der Schein der gleichgültigen Ruhe, den ich mir zu geben wußte, und meint stolze Sprache imponittcn den Elenden. Ich behandelt« sie mit der höchsten Berachtung. Sie hallen wahrscheinlich niemals einen ihrer Radschab's vo» sich selbst, wie ich es lbat, in der drillen Person sprechen hören; und während ich nur selbst diese Ehrfurcht bezeigte, sprach ich mit ihnen, wie mil Dienern. ES gelang mir auf diese Weise, sie größtcntbcils von ihrem Anführer zu entfernen, den ich mit derselben Rücksichtslosigkeit behandelte, aber in einem wohl wollenden und herablassenden Ton. Ich führte ihn unter den vorhin erwähnten großen Feigenbaum, um mich weniger öffentlich mit ivm zu unterhalten. Ich hieß ihn, sich auf die Erde setzen, während ich einen meiner Stühle sür mich hcrbcibringen ließ. Er wollte gern die Unterredung gleich beginnen, ich ries aber erst meinen Hausbos- mcister, und befahl ihm, mir ein Glas Znckerwasser zu bringen, waS einige Zeit dauerte. Ich klagte über die große Hitze, und befahl einem anderen meiner Diener, unr den Sonnenschirm über dem Kopf zu halten, und noch einem anderen, mir mit einem Busch Pfauen federn Kühlung juzusächtln. Ich machte cS wir absichtlich aus alle mögliche Weise bequem, und ließ während der Zeil Ncal-Sing demü- lbig aus der Erde sitzen, um ihm Gelegenheit zu geben, über die Größe des von ihm beabsichtigten Verbrechens und den surchlbarcn Umsang der Folgen desselben nachzudenkcn. Dann setzte ich ihm aus einander, unter wessen Schutz ich in dieses Land gekommen sev, und welche Rache der König sür jede Beleidigung nehmen würde, die mir in seinen Staaten widerführe, um die Englische Negierung zu über zeugen, daß er unschuldig daran gewesen scy. Mein Held betbcuerie, daß er durchaus nichts Böses gcgcsi mich im Sinne habe. Er zweisle niclu, daß der König, wenn er mich in seinen Händen wisse, ihm bezahlen würde, was er ibm seit langer Zen schuldig scp, nm mich ;u befreien. Ich stellte ihm vor, daß, wenn er dem Ansehen Rundschet's einen solchen Schimps zugesügt hätte, er sich niemals mit einer aufrichtigen Verzeihung schmeicheln dürfe, und daß er früher oder später aus eine grausame Weise dafür bestraft werden würde. Ich nahm bei diesen Vorstellungen durchaus kein drohendes Wesen an, sondern gab mir den Schein, als ob ick nur in seinem eigenen Interesse spräche; und diese List blieb nicht ebne Erfolg. Ncal-Siüg schlug mir vor, mich frei ziehen zu lassen und nur mein Gepäck zurückzuballcn. Ich verwarf diesen Vorschlag und führte Gründe an, die den Unterschied zwischen mir und ibm noch greller hcrvorlrctcn lassen solllcn. Reisen ohne meine Zelle,