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66 Eine Reise in Griechenland. artigkeit hat es nichts eingebüßt. 1874 war gerade ein günstiges Jahr für einen Ausflug in die nördlichen Provin zen, an welchem Belle schon zweimal durch das Auftreten von Räubern verhindert worden war. Drei Jahre lang hatte die Regierung alle möglichen Anstrengungen gemacht, um die Schande jenes im Frühjahr 1870 an Engländern begangenen Marathoner Blutbades auszuwetzen, und ihren energischen Maßregeln sowie der Mitwirkung des türkischen Paschas von Thessalien war es endlich gelungen, Nord griechenland wenigstens vorläufig von seiner Landplage zu befreien. Belle benutzte diese Ruhe, um ohne Gefahr für seine Ohren und sein Vermögen Theben, Euböa, Phthio- tis u. s. w. zu besuchen und theilte alsbald diese Absicht dem Minister des Innern und dem Polizcipräfecten mit, eine Formalität, welche den Bortheil hat, daß die Gensdarmerie- osfiziere und Localbehörden überall von der Ankunft des Rei senden benachrichtigt werden und daß dieser stets Unterkunft und Verpflegung findet in einem Lande, wo man oft Gefahr läuft, unter freiem Himmel zu nächtigen und Hungers zu sterben. Es ist noch nicht lauge her, daß man wie im ganzen Oriente stets zu Pferde von Athen abreiste; heute kann man den bequemem Wagen wählen, ohne denselben freilich lange benutzen zu können. Denn die paar Straßen, welche diesen Namen wirklich verdienen, führen nicht weit ^), und schon in Theben, zehn Stunden von Athen, muß der Reisende seine Zuflucht wieder zu Reitthieren nehmen. Um 4 Uhr Morgens, als die Sonne kaum mit ihren Westseite des Klosters Daphne. (Nach einer Photographie.) ersten Strahlen den Himmel über dem Berge Hymettus zu röthen begann, brach Belle in Begleitung eines Führers, den der Nationalstolz seines Vaters mit dem Namen Perikles geschmückt hatte, von Athen zu Wagen nach Eleusis auf. Schon waren einige Kaffeeschänken offen und der Duft des Getränkes vermischt mit dem von türkischem Taback zeigte an, daß das Leben in der Stadt der Athene von Neuem begann. In den Straßen aber schwebte noch die Hitze vom vorigen Tage und die Mauern der Häuser strahlten noch Wärme aus. Zum Glück ist die Stadt nicht ausgedehnt, und eine kleine Viertelstunde genügt, um vom königlichen Palaste im Osten der Stadt an das westliche Ende der civi- lisirten Welt zu gelangen. Dort im Nordwesten des Ortes zweigt links die heutige Straße nach dem Piräus ab und etwas weiter hin stand in alten Zeiten das Thriasische Thor oder Diphlon, wo einst der meiste Verkehr herrschte. Auch das heilige Thor wurde es genannt, weil unter ihm die hei- i) S. Zustände in Hellas, „Allgemeine Zeitung", 30. Decem- ber 1876, Nr. 365. Dort, wo von dem thatsächlichcn Aufschwünge des Landes die Rede ist, heißt es im Gegensätze zu dem aus S. 4? und 50 der vorigen Nummer Gesagten: „Zu bemerken ist freilich, daß diese Hebung des Wohlstandes sich fast ausschließlich auf die Küstenstriche beschränkt, wo in der That große Strecken früher brach- gelegenen Landes in fruchtbare Weinberge und Felder verwandelt worden und Städte wie Piräus, Patras und andere rasch zur Bedeutung gelangt sind. Im Innern de« Lande« dagegen konnte der Fortschritt bis jetzt nur ein dürftiger sein, da die Regierung noch nicht zu der Einsicht gelangt ist, daß die natürlichen Hülfsqucllcn eines Landes unmöglich ohne genügende Verkehrsadern erschlossen werden können; in dieser Richtung ist bis jetzt in Griechenland so viel wie nichts geschehen; fahrbare Straßen fehlen, Lie nächste Umgebung der Haupt stadt ausgenommen, noch fast überall, und selbst auf kurze Entfer-