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64 Aus allen Erdtheilen. Aus allen Aus dem Westen Chinas. Die von uns auf S. 288, Bd. XXX, erwähnte Reise Potanin's nachher westlichen Mongolei hat schon in Tulta (am Südwestabhange des Ektag-Altai, keine 30 deutsche Mei len von der russischen Grenze) eine unangenehme Unterbrechung erfahren. Als die Russen dem dortigen Beamten einen Be such abstatten wollten, wurden sie zuerst abgcwiesen, und am folgenden Tage, als sie ihn wiederum in einem Kloster außerhalb der Stadt zu treffen suchten, dort von einer auf geregten Volksmenge mit Steinwürfcn empfangen, welche zwei der Russen ernstlich verletzten. Die Behörden schritten ein, aber nicht gegen die Schuldigen, sondern gegen die Rus sen, welche festgenommen und erst am nächsten Tage mit dem Bedeuten entlassen wurden, daß man bei Fortsetzung ihrer Reise nicht für ihre Sicherheit cinstehen könnte. — Was die Chinesen zu diesem Vorgehen, das mit der Be handlung, deren sich Sosnowski (s. „Globus" XXX, S. 155) zu erfreuen hatte, so seltsam contrastirt, bewogen haben mag, ist zunächst unerfindlich, da sie sich bei ihrem Vorgehen ge gen die Mohammedaner, speciell gegen den von England unterstützten Uakub Beg von Kaschgar, der Sympathie, wenn nicht der thätigen Hülfe Rußlands zu erfreuen hatten. So kam cs wohl, daß ihren anfänglichen Niederlagen in jüngster Zeit eine Reihe von Siegen gefolgt sind. Der Herrscher von Ostturkestan hatte sein Reich nördlich über den Thian- schan ausgedehnt und dort namentlich Urumtsi und Manas besetzt. Schon im September 1876 aber nahmen die chinesi schen Truppen eine Anzahl von Orten jener Gegend wieder ein (Kumudi, Katubi, Taschicho rc.); Urumtsi und Manas selbst fielen wieder in ihre Hände, ebenso ein Sohn Uakub Beg's, und am 9. November eroberten sie den letzten Platz im Norden des Thian-schan, der sich noch im Besitze der Mohammedaner befand, und feierten diesen Erfolg nach ihrer Gewohnheit durch ein gräßliches Gemetzel, wobei Tausende von Dunganen ohne Unterschied des Alters und Geschlechts ihren Tod fanden. Uakub Beg steht inzwischen in Toksun, unweit westlich von Turfan am Südabhange des Thian-schan, und erwartet dort seine Todfeinde, die ihm durch die Sand wüste entgegenziehen. — Es ist hierbei zu bemerken, daß beide Parteien sich der Hülse von Europäern erfreuen. Die Chinesen, meldet eine Depesche aus Taschkend, waren bei der letzten Affaire mit Hinterladern bewaffnet, die sie anfangs nicht zu handhaben verstanden, in deren Gebrauch sie jedoch zwei „Fremde" unterwiesen. Andererseits haben die Engländer dem Uakub Beg eine ansehnliche Zahl von Percussionsgeweh- ren geschenkt und ihm in Kaschgar eine Fabrik eingerichtet, wo er dieselben (täglich etwa 16 Stück) in schnellfeuernde Hinterlader umwandeln läßt. Ebenso befinden sich in Kasch gar einige Pulvermühlen, welche ein sehr gutes polirtes Schießpulver anfertigen, sowie eine Kanonen- und Kugel- gicßerei, welche ein englischer Techniker, deren es viele in Kaschgar geben soll, angelegt hat. So berichtete Hr. Rhein- thal, ein russischer Offizier, welcher im Frühjahr 1875 Ge schenke der russischen Regierung nach Kaschgar zu überbrin gen hatte (s. Russ. Revue 1876, S. 353). Als Jnstructeure beim Militär sind Türken angestellt, welche die gewöhnliche türkische Militäruniform tragen. Um seine gegen 18,000 Erd 1 heilen. Mann starke Armee in Tuch zu kleiden, hat Jakub Beg schon 800 Stück Tuch angekauft. Die eingeborenen Kaschgaren lieben Uakub Beg nicht, welcher seinerseits auch zu ihnen kein Zutrauen hat. Nur aus Furcht vor ihrem finstern und grau samen Herrscher revoltiren sie nicht. Todesstrafen finden be ständig im ganzen Lande statt; Diebstähle, Fluchtversuche, eheliche Untreue — Alles wird mit dem Tode bestraft; ja die dort lebenden Chinesen verfallen dieser Strafe sogar auf den Verdacht hin, keine wohlwollenden Gesinnungen für den Regenten zu hegen. Derselbe ist stets besorgt, Arsenale und Magazine anzulcgcn und mit allem möglichen Kricgsmateriale zu füllen. Er liebt die Einsamkeit nicht; täglich schläft er nur drei Stunden, umgeben von sogenannten „Duwanen" oder Bettelmönchen, welche während seines Schlafes Verse aus dem Koran singen müssen. Diese Duwanen, deren An zahl sich auf etwa 2000 beläuft, sind seine besten Freunde. (Nach den letzten Nachrichten hat Uakub Beg infolge der chine sischen Siege einen Gesandten nach Taschkend geschickt und die Russen um ihren Beistand oder ihre Vermittelung er sucht.) -l- — Mr. Jules Trcbean hat unlängst eine Forschungs- rcisenach Französisch-Guayana angetretcn, dessen Inneres bis heutigen Tages eine terra inooAnita ist. In Begleitung von drei Franzosen und zehn Negern gedenkt er den Maroni- Fluß, der die westliche Landesgrenze gegen Niederländisch- Guayana ausmacht, hinaufzugehen und am Oyapok-Flusse, der Ostgrenze gegen die brasilianische Provinz Grao Para, zurückzukehren. — Um die Kaukasus-Armee leichter zu militärischen Ope rationen in Turkestan heranziehen zu können, werden jetzt im ganzen alten Oxusbette, dem Usboi, vom Kaspischen Meere bis Kone Urgendsch und Chiwa Brunnen gegraben. Die so gewonnene Karawanenstraße wird, wie man hofft, wenigstens die Hälfte des Jahres über für Truppen passir- bar sein. — Wie die „Allgemeine Zeitung" aus Constantinopel berichtet, wurde die neueste Auflage der H. Kiepert'schen Karte von der europäischen Türkei durch einen Generalstabsoffizier ins Türkische übersetzt und aus derselben die Karte des Kriegs schauplatzes, d. h. Serbien, Bosnien, Hertzegowina, Monte negro sowie ein Theil der Provinzen Prizren und Bulgarien, veröffentlicht; dieselbe wird für 10 Piaster (etwa 2 Mark) ver kauft. In der betreffenden Anzeige heißt cs: daß diese Karte des „berühmten deutschen Kiepert" die beste und ausführ lichste aller bisher erschienenen Karten von der europäischen Türkei ist. — Australische Zeitungen berichten, daß D'Albertis und seine Begleiter von ihrer neuesten Fahrt nach dem Fly River nach Somerset zurückgekehrt seien. Sie sind den Fluß 350 engl. Miles weiter hinauf gefahren als die Ellengowan- Expedition im December 1875 (s. „Globus" XXIX, Nro. 18, XXX, Nro. 2), vermochten aber mit den zahlreichen feindlich auftretenden Eingeborenen keine Verbindungen anzuknüpfen. Seine zoologischen, botanischen und besonders ethnologischen Sammlungen bezeichnet er selbst als sehr bedeutend. Inhalt: Eine Reise in Griechenland. (Nach dem Französischen des Hrn. Henri Belle.) II. (Mit fünf Abbil dungen.) — Die verschiedenen Canalprojecte zur Verbindung des Stillen und Atlantischen Oceans. Von Dr. H. Polakowsky. II. (Schluß.) — Die Unruhen in Südafrika. — Schluß von Dr. Fi lisch's Forschungsreise in Westsibirien. I. — Aus allen Erdtheilen: Aus dem Westen Chinas. — Verschiedenes. — (Schluß der Redaction 31. December 1876.) Rcdacteur: Dr. N. Kiepert in Berlin, S. W. Lindenstraße 13, III Tr. Druck und Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn in Braunschweig.