Volltext Seite (XML)
60 Schluß von Dr. Finsch's Forschungsreise nach Westsibirien. 6. Ich bin ein Ncgierungsmann. Ich bin ihr Funda ment ; ja ich bin die Regierung selbst. Spreche nicht mit mir. Einige Häuptlinge haben sich beeilt, den Engländern friedliche Versicherungen zu geben. So sandte z. B. Secocoeni durch Vermittelung eines Händlers ein Schreiben an die geängstigten Engländer auf den Goldfeldern, worin er ver sichert, daß er nur mit den Holländern Krieg führe, die Engländer und ihr Eigenthum schonen werde und sie eiulade, mit ihm in Haudclsverbiuduug zu treten. Er hat sich auch dahin geäußert, im Falle eines unglücklichen Ausganges des Krieges sein Gebiet eher den Engländern abtreten zu wollen, als den verhaßten Holländern auch nur einen Zoll breit Lan des zu gewähren. — Umlonhlo, dem man gleichfalls auf rührerische Vorsätze zuschrieb, hat einen Missionär mit der Verbreitung der Versicherung beauftragt, daß er bedauerte, daß die Farmer auf der Grenze geflohen seien, indem er fest zu den Engländern halte, trotzdem es nicht recht gewesen sei, daß man etwas von seinem Land genommen und cs den Boers gegeben habe. Es sind aber auch verschiedene Ursachen vorhanden, welche die Invasion der Kastern unwahrscheinlich machen; vor Allem dürste hier zu erwähnen sein, daß die schlauen Kastern recht gut wissen, daß sic in jedem der fünf geführten Kriege trotz anfänglicher Erfolge, welche sie ihrer Raschheit und Orga nisation zu verdanken hatten, geschlagen wurden und jedes mal mehr Land und Macht cinbüßten. Ferner würden ihnen auch schon die seit dem letzten Kriege entstandenen Grenzstädte einen bedeutenden Widerstand leisten können. Auch sind die Interessen der Kastern mit den Grenzcolonien bereits so innig verwachsen, daß sie, ohne von vornherein große Opfer zu bringen, einen Krieg überhaupt gar nicht anfangen könnten; es hängen mehrere Kaffernstämme auf diese Weise von den Engländern vollständig ab. Mr. A. Brownlee, der Secretär für die Angelegenheiten der Eingeborenen, wurde in Anbetracht der beunruhigenden Nachrichten an Ort und Stelle gesandt, um sich mit den Behörden und Häuptlingen zu benehmen. Die Resultate seiner Reise faßte er in einem Memorandum zusammen, welches in den Zeitungen der Colonie veröffentlicht wurde. Er behandelt eine Allianz zwischen Kreli und Gangelizwe als ein unmögliches Ding, ebenso als höchst unwahrschein lich, daß die Tembus und Gcalekas rcvoltircn werden, da ihnen durch 40,000 Fingos, welche die Engländer im Trans kei auf Krcli's früherm Landbesitz angcsiedclt haben, ein Paroli gebogen sei, und sagt, daß die Aufrichtigkeit der Fingos über allen Zweifel erhaben sei. Sie würden also jedenfalls das Bollwerk abgeben, welches, durch britische Hülfe verstärkt, Gangelizwe und Genossen stets zurückhalten werde. Er con- statirt ferner, daß ebenso wie unter den Europäern auch unter den Eingeborenen eine Panik herrschte und Kreli bereits seine Residenz verlassen habe, weil er gehört hatte, daß Tausende von englischen Soldaten gelandet seien, um ihn anzugreifen. Die Mission Brownlee's hat jedoch keine sehr günstige Auf nahme unter den Weißen gefunden und seine Friedensver- sichcrungen tragen nichts dazu bei, die Ruhe wieder herzu stellen; man glaubt seinen Ausführungen nicht, so tief hat sich das Mißtrauen gegen die Lage bereits eingewurzelt. — Wir halten die Gefahr für keine so große, wenn nicht neue Complicationen eintreten; doch ist stets Vorsicht geboten, um so mehr als die uähere Erörterung der Frage der Kaffern- bewaffnung, die schon einmal im „Globus" (XXIX, Nro. 17, S. 72) besprochen wurde, bedenkliche Dinge ans Licht gebracht hat. Die englischen Magistratsbeamten müssen be kanntlich für jedes einzelne Gewehr, das ein Kaffer kaufen will, einen Erlaubnißschein ausstellen, dessen Gewährung von dem Charakter der Au'suchenden, der einen Bürgen stellen muß, abhängt. Mit diesen Erlaubnißscheinen ist nun ein so arger Unfug getrieben worden, daß der Schluß nahe liegt, die Beamten seien bestochen worden, denn in Queenstown z. B. waren im letzten Jahre gegen 2000 Gewehre an Ein geborene verkauft worden, trotzdem die amtlichen Tabellen bloß 200 aufwiesen. Derselbe Beamte gestattete, daß 500 Gewehre auf einmal zu den Kaffern geliefert wurden, d. h. er gab die Erlaubniß dazu, nachdem sie von der Polizei mit Beschlag belegt worden waren. Ja ein Kaufmann konnte mit Kaffern einen Contract abschließen, wonach er sich ver pflichtete, um 1000 Pf. St. Gewehre auf einmal zu liefern. Die Klagen, die nun von allen Seiten einlaufen, kommen leidcr zu spät; das Unheil ist bereits geschehen. Die letzten Nachrichten aus den von England mißtrauisch betrachteten Districten lauten günstig, und wir glauben, daß eine entschiedene, ja kühne, aber gerechte Behandlung der Kaffern die Engländer vor dem Angriffe sichern wird; man darf ersteren gegenüber nur keine Schwäche zeigen und als solche wird auch jede Nachgiebigkeit ausgelegt. Schluß von Dr. Finsch's Forschungsreise nach Westsibirien. i.*) (Ob-Fahrt von Tomsk bis Obdorsk.) Obdorsk, 14. Juli 1876. Ter Nädcrdampfer „Beljetschenko" verließ früh 3 Uhr am 2. Juli Tomsk und landete uns nach 65stllndiger Fahrt Abends gegen 7 Uhr in Samur ow, dem Haupt platze nahe der Einmündung des Irtysch in den Ob, etwa 25 Werst von letzterm Strome entfernt. Wir hatten auf dieser 1300 Werst langen Strecke genügend Gelegenheit, den Ob als einen kolossalen, aber unbelebten Strom kennen zu lernen, und diese Ueberzeugung hat die weitere, über tau- U Bergt. Vd. XXX, Nr. 18. send Werst lange Fahrt bis Obdorsk nur befestigt. Zwischen Tomsk und Samärow giebt es nur sechs Haltestellen, weni ger zur Aufnahme von Passagieren und Gütern als zur Ergänzung des Holzmaterials zum Heizen der Kessel. Mit Ausnahme von Narym, einer kleinen nett gelegenen Stadt, sind diese Stationen, soweit wir dieselben zu Gesicht bekamen, bedeutungslos. In Narym, welches wir am 3. Juli früh 8 Uhr erreich ten, merkten wir die ersten Zeichen, daß wir uns im Ost- jakenlandc befanden, indem verschiedene Arbeiten dieses Vol kes zum Verkauf an Bord augeboten wurden; aber erst in