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342 Cameron's Reise quer durch Afrika (1873 bis 1876). nung und durch radienförmig verlaufende Pallisaden in ver schiedene Quartiere getheilt. Zu beiden Seiten der Thür, welche in die Wohnung des Häuptlings führt, lagen Holz blöcke zum Niedersetzen für solche, die auf Audienz warteten, und darüber hingen etwa vierzig menschliche Schädel und ein halbes Dutzend von wilden Thieren. Der Häuptling schlug jedoch dem Fremden eine Zusammenkunft ab, weil er ihn für einen großen Zauberer hielt und von ihm behext zu werden fürchtete. Ein Haufen Menschen schaute zwei scheuß lich häßlichen alten Weibern zu, welche zum Klange großer Trommeln tanzten oder mit Leib und Gliedern zitterten und zuckten, während ihre schlaffen, runzeligen Brüste wie zwei leere Lederbeutel umherflogen. Dazu heulten sie einen Ge sang, in den zeitweise die umstehenden Weiber einfielen. Ein sehr dürf tiges Stück Rindenzeug, Haarbüschel vom Zebra schwanz an Knie und Ellbogen und Schellen an den Knöcheln bildeten ihre ganze Bekleidung. Bei der Weitcrfahrt passirte die „Betsy" eine Bucht unterhalb Karyan Gwina, wo eine wachsen des Sees oben S. 280 Anmerkung.) Obwohl ringsum viele Fischreusen lagen, so war es doch unmöglich, irgendwo etwas Eßbares zu erhalten; denn die wenigen an getroffenen Fischer erzählten, daß alles Volk wegen des be ständigen Anwachsens des Sees die Ufer desselben verlassen habe und daß sie nur zurückgekehrt seien, nm einiges bei dem Abzug vergessene Fischgeräth zu holen. Am folgenden Tage wurde 2^ deutsche Meilen südlich von dem gleichnamigen Flusse das von dem Teufel Musam- wira bewohnte Vorgebirge passirt; die Führer brachten ihr gewöhnliches Opfer, in dem sie noch obendrein Salz auf ihr Haupt streuten und in das Wasser warfen. Als sie sich dann am 5. April Massi Kambi nä herten, um einige Le bensmittel zu kaufen, fanden sie alle Zugänge des Dorfes verschlossen und die Wachtthürmchen besetzt, so daß sie auf einer kleinen Sandbank lagerten; erst später zwang Wind und Wet ter, nach dem Festlande Uberzusiedeln. An Eß barem war nur sehr wenig aufzutreiben. Dann wurde Ras Die „Brüder" am Tanganyika-See. Menge Leute badeten, ihre Wasserkrüge füllten, ihr Fisch- ! Mpimbwe umschifft, ein Vorgebirge aus kolossalen, wild geräth nachsahen und die vorbeifahrendcn Boote anstarrten. ! übereinander gcthürmten Granitmassen, jenseits dessen zahl- Weiterhin erhoben sich niedrige Klippen von Granit, Porphyr und Sandstein, in welchen die Brandung Höhlun gen ausgewaschen hatte; dann trat Marmor auf und an einer Stelle anscheinend auch Kohle, welche ihm Leute von der Ostküste als „Ma- koa Mariksbu", d. h. Schiffskohle, bezeichne ¬ reiche, halb vom Wasser verdeckte Felsen die Schifffahrt gefährdeten. Am frühen Morgen dieses Tages war Ca meron Zeuge einer sehr merkwürdigen optischen Täuschung: die Berg gipfel auf dem Westufer des Sees erschienen wie mit Schnee bedeckt; als er aber erstaunt sie durch sein Fernrohr betrach ¬ ten, und deren Mäch tigkeit zwischen 15 und 18 Fuß betrug. Leider gelang es ihm nicht, Proben davon zu erhal ten. Bezeichnend für die dortigen Zustände war cs, daß überall, wo sie zu landen ver ¬ suchten, die Einwohner der wenigen Dörfer mit ihren Hab seligkeiten davonliefen, um nicht den vermeintlichen Sklaven händlern in die Hände zu fallen; so war cs an der Mündung des Flusses Kifisia, und am Musamwira (6° 50' südl. Br.)., bis wohin schon Mirambo's gefürchteter Name gedrungen war. Cameron landete an der Mündung des letzter» Flus ses zwischen einer Gruppe sandiger, mit Gras bewachsener Inseln, welche noch wenige Jahre vorher einen Theil einer großen, angebauten und. bewohnten Ebene gebildet hatten. Ein Beweis dafür war, daß sie über Baumstümpfe und ehe malige Dorflagen hinwegruderten. (Vergl. über dieses An- tete, verschwand das leuchtende Weiß und die Täuschung offenbarte sich. Die fast hori zontalen Strahlen der ausgehenden Sonne wa ren nämlich von der Tanganyika-See. untern Seite der Wol ¬ ken auf die Bergspitzen reflectirt worden, welche letzteren im Coutrast zu den un teren , noch in tiefem Schatten befindlichen Partien der Berge hell weiß erschienen. Es ist leicht möglich, daß so manche Angabe über Schueekuppen durch die gleiche Ursache hervorgerufen wird. Unter mancherlei kleinen Unfällen ging die Fahrt längs des Ufers langsam nach Süden; alle paar Tage wurde der Sitz eines Teufels passirt, die Pflanzeninseln schwammen, wie gewöhnlich, herum, die noch während Livingstone's Reise (October 1872) belebten Ufer waren durch die Sklavenjagden verödet, die wenigen Eingeborenen stets auf der Flucht, Fische aus dem