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330 Dr. F. Stolze's Reisen im südlichen Persien. zarten Regungen, die der Europäer auf einem weiblichen Gesicht zu lesen gewohnt ist, finden hier keine Stätte, und zum Ueberflusse erscheint der Schmutz, den in den Gesichtern der Männer der Bart verbirgt, und der mit der sonnen gebräunten Farbe der Haut verschmilzt, bei ihnen in seiner wahren Natur. Am zweiten Tage, ziemlich in der Mitte des circa 11 deutsche Meilen langen Weges zwischen Fasa und Darab, hörten die Reisenden von alten Ruinen auf einer nicht weit abseits gelegenen, steilen Bergkuppe. Die selben wurden als ganz wunderbar und einzig in ihrer Art geschildert und mit dem Namen „Gefängniß des Jsfendiar" belegt. Obwohl durch die bisherigen Erfahrungen miß trauisch gemacht, beschlossen sie doch, einen Versuch zu wagen, und sie wurden belohnt. Zwei und eine halbe Stunde, zuerst zu Pferde, die letzte halbe Stunde mit Händen und Füßen am senkrechten Abhang mit Hülfe der Führer aufwärts klim mend, erreichten sie ein 500 Meter langes und 150 Meter breites Felsplateau, dessen Oberfläche ganz und gar mit Resten rohen Mauerwerkes aus unbehauenen Steinen bedeckt ist. Ein etwa 10 Meter hoher Kuppelbau und elf Wasser bassins, zum Theil von bedeutender Ausdehnung und sauber mit einem sehr festen Mörtel ausgeklcidet, sind noch wohl erhalten. Offenbar war dies einst, zur Sassanidcnzeit oder- früher, ein fester Platz, der damals unmöglich anders als durch Hunger genommen werden konnte. Von einem Ge- fängniß des Jsfendiar ist freilich nicht die Rede. Am letzten Tage gewann in der weiten Thalebene von Darab, nachdem die Reisenden am Morgen ihre Fußgänger entlassen hatten, die Situation wieder einen etwas bedenk lichen Anstrich. Dreimal wurden sie von starken, berittenen Abtheilungen der Baharlus umringt, die mit wildem Geschrei ihre Gewehre schwangen und sie stürmisch um den Zweck ihrer Reise befragten. Doch gelang es den Frengis, sie zu be ruhigen und Frieden mit ihnen zu schließen; sie sahen aber, daß sie keinen Augenblick zu früh gekommen waren; der ganze Stamm der Baharlus war schon in Bewegung, einer dieser Trupps beabsichtigte einen Angriff auf einige nahe gelegene, dem Khawam gehörige Dörfer; mit einem Worte, der Bürgerkrieg war eben im Stadium des Ausbruches. Nachdem sie den in sieben Arme getheilten Strom von Darab, den wasserreichsten, den Dr. Stolze bisher in Per sien gesehen, überschritten hatten, erreichten sie nach sieben einhalbstündigem scharfen Marsche Darab, begierig auf seine alten Denkmäler, von denen sie in Schiraz und Firuzabad so viel gehört hatten, und die Flandin mit so hoher Bewun derung rühmt. Am folgenden Morgen ritten sie, begleitet von den beiden Söhnen des stellvertretenden Gouverneurs und einer Reitertruppe nach den unweit südlich gelegenen „Ruinen" der alten Stadt Darab, die an der entgegengesetz ten Thalseite liegen. Wie enttäuscht waren sie aber, als sie fanden, daß diese gepriesenen Ruinen sich auf einen genau kreisförmigen Erdwall von etwa 700 Meter Durchmesser, in dessen Mitte sich ein natürlicher, felsiger Hügel befindet, und Spuren einer alten Wasserleitung beschränken! Kein Bau werk, kein Rest eines einzigen Hauses innerhalb der Umwal lung, kein Ziegel, wie sonst an allen Stätten alter persischer Cultur! Nun hofften sie wenigstens, daß die Nakschi Ru stam, die „zahlreichen Reliefs" Flandin's sie entschädigen würden und machten sich auf den Weg dahin. Abermalige Enttäuschung! Ein einziges mittelgroßes, nicht besonders gut erhaltenes Relief aus der Sassanidcnzeit, ohne jede In schrift, das war Alles, und damit waren die Sehenswürdig keiten von Darab erschöpft, so daß Dr. Odling und Dr. Stolze an die Rückkehr nach Schiraz denken konnten, während Con- sul Nivadeneyra noch die Handelsverhältnisse von Kirwan und Jezd erforschen wollte. Dar ab, 1110 Meter über dem Meere gelegen, ist ein ausgedehnter Ort, der sich durch Sauberkeit der Straßen und die zahlreichen, im Orte selbst belegenen Gärten mit dichten Orangenbüschen und schlanken Dattelpalmen vortheil- haft vor anderen Städten Persiens auszeichnet. Das ganze Thal macht den Eindruck großer Fruchtbarkeit, und die um gebenden Berge haben höchst malerische Contouren, besonders gegen Süden, wo eine Art von Felsenthor einen Durchblick auf das alte Darab gewährt. Die Rückreise nach Schiraz brachte neues Ungemach: eine Schaar Araber hatte seit einigen Tagen den directen Weg nach Schiraz verlegt, und so mußten sie den zwei Tage reisen länger» Weg über Fasa einschlagen. Schon unter wegs erkrankten Dr. Odling und Dr. Stolze an Durchfall und Erbrechen und, als sie am dritten Tage elend und von Schmerzen gequält in Fasa anlangten und dort ihr Koch geschirr, welches in Persien durchgehends aus Kupfer besteht, untersuchten, fanden sie darin nicht eine Spur von Verzin nung und statt dessen einen reichlichen Ansatz von Grünspan. Es ist ein schlechtes Ding um eine Kupfervergiftung, wenn man täglich sieben bis acht Stunden im Sattel sitzen muß und des Nachts persisches Quartier in einem elenden Dorfe hat. Dr. Odling erholte sich bald; Dr. Stolze aber mußte die letzten drei Tage vollkommen fasten und wurde so elend, daß man schon eine Sänfte von Schiraz kommen lassen wollte, um ihn fortzuschaffcn. Indessen dauerte er aus; zwar hing er, als sie am letzten Tage den Salzsee von Schiraz bei glühender Sonnenhitze passirt hatten, halb besinnungslos auf dem Rücken seines Pferdes, völlig passiv für die Schönheit der Landschaft. Aber auch die letzten qualvollen Stunden gingen vorüber, und gegen Mittag des 15. April konnte er seine ermatteten Glieder in seinem kühlen Schlafzimmer zum ersten Male seit zehn Tagen in völliger Ruhe ausstrecken. Nur sehr langsam und unter häufigen Rückfällen und Ohnmächten konnte er sich von der chronischen Diarrhoe er holen und erst am 10. December 1875 von Schiraz nach Buschir aufbrechen, wo er mit gekräftigter Gesundheit am 23. December anlangte und am 4. Januar 1876 mit sei nem Reisegefährten Dr. Andreas endlich zusammentraf. Auch dieser hatte unterweges viel von Krankheit zu leiden gehabt. Sechszehn Tage schwebte er in Bombay, wo er an der Cholera erkrankte, in Lebensgefahr; als er genesen, folgte er der Einladung eines Fachgenossen, sich in Puna zu erho len, und benutzte die Muße, das Ritual der Parsis zu studi- ren. Denn er durfte sich nicht sofort in die Gluthhitze des Persischen Golfes wagen. In Schahbagh bei Buschir betrug z. B. nach Dr. Stolze's Beobachtungen das mittlere, tägliche Maximum im August 36'1" C., das mittlere tägliche Mini mum 29'8° C-, und dies bei einer Psychrometrischen Tages differenz von durchschnittlich 7'3" C., während sie Nachts bei sehr starkem Thaufall 1'5» betrug. In der Stadt Buschir war es noch heißer und feuchter. — Nach Bombay zurück gekehrt, erkrankte Dr. Andreas abermals heftig am Ring wurm, trat aber noch vor seiner völligen Wiederherstellung die Reise nach Buschir an, indem er unterwegs in Karatschi, Sonmiani und Gwadar seine linguistischen und historisch geographischen Studien betrieb. In Buschir augelangt, be gann er sogleich mit Dr. Stolze die Ausgrabungen des Ruinenhügels beim Dorfe Rischehr, und angestrengt arbeite ten beide Tag für Tag bis Ende April. Die gefundenen Ziegel mit Keilschrift waren häufig gebrochen, zuweilen in nicht weniger als 50 Stücke, und mußten mühsam znsam- mcngekittet werden. Auf diese Weise gewannen sie circa 1000 Ziegel mit ganzen Jnschriftenflächen und doppelt so viel Fragmente. Gleichzeitig sörderten Ausgrabungen in der Ebene eine Reihe der schon bei Ritter erwähnten, seit-