Volltext Seite (XML)
Frauen, den Kindern, dem Häuptling und zwei, drei alten Männern zur Arbeit auf das Feld. Wessen Acker nahe beim Dorfe liegt, der geht Mittags nach Hause und ißt dort sein gewöhnliches „uAuU" (Mehlsuppe); die Anderen halten ihr Mahl auf den Feldern. Fleisch wird selten genossen und nur, wenn die Jagd ergiebig war. Kurz vor Sonnen untergang kehrt Alles heim und dann wird getanzt, geraucht und gesungen und, wenn genug Getreide zum Pombs-Brauen vorhanden ist, auch getrunken. Trommeln werden mit der Hand geschlagen, und dazu gehen die Männer stundenlang heulend und schreiend im Kreise herum. Nie tanzen Männer und Wei ber zusammen, sondern stets abgesondert, wobei aber die letz teren noch unzüchtigere Geberden zum Besten geben als die Männer. — Ihre Hütten bestehen aus starken Pfosten, deren Zwischenräume mit Lehm ausgefüllt sind; das Dach ist flach und besteht aus Baumrinde, Reisig oder Gras mit einer dicken Schicht Erde darüber. Oben auf dem Dache werden süße Kartoffeln und Kürbisse für den Wintervorrath getrocknet. Innen sind zwei, seltener drei Abtheilungen; die erste enthält mit Häuten bedeckte Scklafstellen und den auf S. 308 abgebildeten Herd, der in Afrika weit und breit in Gebrauch ist, die zweite Lämmer und Ziegen, die dritte dient als Scheuer, wo in „linäo", d. h. sorgfältig mit Lehm verkitteten, ost sehr großen Behältern aus Baumrinde, das Getreide aufbewahrt wird. Nur durch die Thür dringt Licht ein und entweicht der Rauch, so daß dicker Nuß das Innere bedeckt. Hinter den Dachsparren stecken Bogen, Pfeile, Knüttel und Speere, um durch den Rauch conservirt zu werden. Reichere kaufen sich Zeug zur Kleidung, Aer- mere richten sich die innere Rinde einer Feigenbaumart dazu her. Das unterscheidende Stammcszeichen der Wanyamwesi ist eine tättowirte Linie in der Mitte der Stirn und an den Schläfen, außerdem eine dreieckige ausgefeilte Lücke zwischen den beiden oberen Borderzähnen und ein kleines dreieckiges Stück von Hippopotamuszahn oder von Muschelschale am Halse. Perlen und Metalldraht sind die hauptsächlichsten Schmuck gegenstände. Häuptlinge tragen riesige cylindrische Arm bänder von Elfenbein, welche vom Handgelenk bis zum Ell bogen reichen und beim Zusammenschlagen ein solches Getöse verursachen, daß man es weithin hört; darum werden sie von ihren Besitzern zum Signalgeben bei Kriegsgefahr be nutzt. Die Männer rasiren meist den Scheitel und flechten das übrige Haar in zahllose Zöpfchen, die durch eingeschlun- gcne Nindenfasern bis auf das Kreuz herab verlängert wer den. Besonders elegante Stutzer rasiren sich den ganzen Kopf, um Perrücken von Niemen zu tragen. Die Weiber haben meist keine besondere Haartracht; manche belassen es in seiner natürlichen Krausheit und stecken nur ein Messer, eine Pfeife oder sonst etwas hinein. Andere legen es in eine Menge kleiner Falten oder Wülste, die wie die Furchen eines Ackers aussehen, oder ordnen es in große, mit Rinden faser ausgestopfte Wülste, zwei Frisuren, welche zwei bis drei Tage Zeit zur Herstellung erfordern, dafür aber sechs Monate und länger halten. Am 28. December endlich kam die Nachricht, daß jener Streit beigelegt und die Straße durch Ugara nuu frei sei, und zwei Tage später marschirte Cameron bei strömendem Regen nach einem andern Kwikuruh, einem großen, volk reichen Orte, wo die Mutter des Mrima Ngombs herrschte und sich dem Reisenden gegenüber sehr liberal benahm. Auch die folgenden Tage, Neujahr und 2. Januar 1874, regnete eS und der Schmutz unterwegs war oft knietief. Als Bur ton hier durchkam, galt eine Flinte noch als werthvolles Erbstück in der Familie eines Häuptlings; jetzt, 1874, war mindestens die Hälfte der Männer jeden Dorfes damit be waffnet, und die Folge davon war ein Krieg Aller gegen Alle, wobei das eine Dorf für Mirambo, das nächste für die Araber Partei nahm. Ueber schöne, mit prächtigen Baumgruppen bestandene, grasreiche Ebenen, wo Wild in Menge sich zeigte, wurde in raschen Märschen der südliche Ngombö erreicht, ein Zu fluß des in den Tanganyika mündenden Malagarazi, und an feinem Gewässer, das au Nilpferden und Krokodilen reich war, ein Rasttag gemacht. Cameron fand bei seinem Herum streifen in der wildreichen und von Wagara-Jägern besuchten Umgegend in einem Haufen dieUeberrcste eines Löwen, eines Büffels und eines Krokodils und erfuhr darüber folgende Geschichte. Der Büffel war zur Tränke gekommen, als ihn der Löwe ansprang, so daß beide zusamnwn ins Wasser rollten und dort von dem Krokodil gepackt wurden. Letzteres wieder wurde von den kämpfenden Vierfüßlern etwa 60 Fuß weit aufs Land geschleppt, nnd dort verendeten alle drei in einen: unentwirrbaren Durcheinander. Das Lalld Ugara, in welchem sich die Expedition jetzt befand, gilt nicht als Theil von Unyamwesi, wenn auch die Einwohner dieselben Stammeszeichcn und Sitten und nahezu dieselbe Sprache haben. An Taka, den oben erwähnten Häuptling des östlichsten der drei Theile von Ugara, mußte ein schwerer Tribut bezahlt werden, obwohl sein Dorf seit wärts liegen blieb, ebenso an den Häuptling von Utends, dem centralen District von Ugara. Das Land war durch weg eben und zeigte in zahlreichen zerstörten Dörfern überall Spuren des Krieges zwischen den Arabern und Mirambo, welcher in der Nähe einen seiner festesten Plätze besaß. Der Regen goß jetzt unaufhörlich vom Himmel herab, oft mit solcher Gewalt, daß Cameron von dem Getöse erwachte. So schrieb er eine Nacht in sein Tagebuch: „Donner und Blitz; liege wach und horche auf den Regen. Wenn der treffliche alte Tanganyika all' das Wasser kriegt, muß er irgendwo platzen." Als er sich dem Dorfe Liowa's, des Häuptlings von West-Ugara, näherte und die bis dahin flache Gegend coupirter wurde, hatte der Regen die Thäler und Senkungen in Moräste verwandelt, denen nur die Größe abging, um den berüchtigten Makata-Sumpf ganz in den Schatten zu stellen. In Liowa's Dorf strömte die ganze Bevölkerung herbei, weniger um den Engländer als um seinen Hund Leo zu scheu, von welchem die Träger Wundergeschichten erzählten. Das Volk war eine hübsche, kräftige Race, kriegerisch und wohl bewaffnet mit Flinten und Speeren, deren Schneide oft bis 2 Fuß lang und über 4 Zoll breit war. Von nun an traten auch zwei Arten von Schmuck auf, welche Cameron bis dahin selten gesehen hatte: der „Sambo", eine Anzahl kleiner Ringe von Elephantenhaar oder -Hant, die an den Beinen getragen werden. Je angesehener der Mann, desto größer ihre Zahl; Häuptlinge mochten ihrer gegen 300 tra gen, so daß es von Weitem aussah, als hätten sie die Ele phantiasis. Der andere Schmuck besteht aus langen Fran sen von Ziegenhaar, welche unterhalb des Knies um die Beine gebunden werden und fast bis auf die Erde herab reichen; hier wie dort sind oft noch kleine Schellen und Metallstückchen angebracht, deren Klingeln und Klappern die Brust ihres Besitzers mit Stolz erfüllt. Am 17. Januar ging cs weiter; aber der bald einsetzende Regen war überaus hinderlich. Er zog einher wie eine bewegliche Mauer von Wasser und verursachte solches Ge räusch, daß man Zeit hatte, vor seinem Herankommen die Zelte aufzuschlagen und die Vorräthe in Sicherheit zu brin gen. Am folgenden Tage kamen Büffel als Störenfriede dazwischen: ein Theil der Leute warf die Lasten ab und flüchtete sich, der andere machte Jagd auf die Thiere, so daß j der Rest der Karawane, darunter der an einem Skolopender-