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Cameron's Reise quer durch Afrika (1873 bis 1876). 323 tungen, die mit seiner Marschroute gut stimmten; die Längen wichen zwar von denen Speke's ab, aber die Breiten fielen genau zusammen. Nachdem die in Ketten Gelegten Verzeihung erhalten und besseres Betragen gelobt hatten, wurde am 9. Juli auf gebrochen und über gut bewaldetes grasrciches Tafelland in zwei Tagen nach Useche marschirt, von wo die bisher ziem lich genau westwärts gehende Straße eine nordwestliche Rich tung annahm. Große Granitblöcke waren zwischen den Bäumen zerstreut und zuletzt führte eine Art Thor durch eine Kette höchst phantastisch gestalteter Granithügel und -Pfeiler, neben deren einem das Lager aufgeschlagen wurde. Unweit davon lag auch ein Platz, wo das Volk Beschwörungen macht, um Regen hcrbeizulocken; ein verkohlter Pfosten und Aschenhausen bezeichneten den Fleck, wo ein unglücklicher Hexenmeister seinen erfolglosen Regenzauber mit dem Leben gebüßt hatte. Zauberei ist ein Fluch für das ganze Land; jede Krankheit wird bösen Geistern oder Verhexung zuge- schriebcn und soll durch den Zauberer geheilt werden, dem es oft lauge Zeit gelingt- Zutrauen zu- erwerben und zu erhalten und in Freuden zu leben, bis der Tag der Rache naht. Dann beschuldigt ihn vielleicht ein Neben buhler, eine große Persönlichkeit bezaubert zu haben; und gelingt cs ihm nicht, zu fliehen oder die Wuth des Volkes gegen seine Ankläger zu len ken, so wird er an je nen Pfahl gebunden und langsam geröstet, bis er bekennt, worauf sofort das Feuer auf ihn ge worfen und sein Todes kampf rasch beendet wird. Oft erfaßt den schmorenden Zauberer auch die Manie, daß er seinen Ruf am Pfahle aufrecht erhält und sich allerlei Unthaten rühmt: „Ich habe den und den getödtet!" — „Ich habe keinen Regen fallen lassen!" — „Ich habe gemacht, daß die Warumba N. N.'s Vieh fort getrieben haben" u. s. w. — Harmlos nnd auch von Wei bern ausgeübt ist Wahrsagekunst, Beschwören von Fiebern, Beulen und dergleichen; jene Zauberer sind aber fast stets Männer und vererben ihre Kunst auf ihren Sohn, wenn nicht derselbe nebst der ganzen Familie wegen eines Staats verbrechens des Vaters von der Erde vertilgt wird. Useche war einst der reichste District von Ugogo; aber nachdem einige Araberkarawancn dort, ohne „mllon§o" zu zahlen, durchpassiren wollten und zum Theil umkamcn und dann zwei Jahre lang kein Regen siel, glaubten die Wagogo an einen Fluch und wanderten in Masse aus. Erst damals, als Cameron dort war, begann ein Rückströmen der Be völkerung. In der nächsten Station, Cho ko, erfuhr Cameron Nä heres Uber die Bestattnngsweise der Häuptlinge. Zuerst wird der Leichnam — merkwürdiger Weise — gewaschen und dann aufrecht in einen hohlen Baum gestellt; täglich kommt das Volk, welches während dessen eine Art Todten- wache hält, und schüttet pomlls und Asche auf den Leichnam, bis die völlige Zersetzung cingetreten ist. Dann wird der selbe auf einer Stellage der Wirkung von Sonne, Regen und Thau ausgesetzt, bis nur noch das Skelet übrig bleibt. Dieses wird dann begraben. In früherer Zeit wurden bei solcher Gelegenheit auch zahlreiche Sklaven geopfert. Die Leichen gemeiner Leute werden einfach in das nächste Gebüsch geworfen und dort von Raubthiereu verzehrt. Große Mengen von Wahumbas, welche ihre noma dische Lebensweise aufgegeben haben, sind unweit Choko an gesiedelt und dienen bei den ackerbauenden Wagogo als Hir ten. Sie gehören zu dem großen Masai-Volke und wohnen genau nördlich von Ugogo, wo sie als viehzüchtende Noma den umherziehen. Sie genießen nur mit Blut vermischte Milch und fast rohes Fleisch. Ihre Nachthcrbergc besteht aus ein paar Zweigen, die sie mit Häuten bedecken. Von Waffen tragen sie schwere Speere, kurze, doppelschncidige Schwerter und große Schilder. Von großem Muthc und überall gefürchtet, erklären sie, daß kein anderer Stamm als sie und die übrigen Masai ein Recht auf Vieh habe, und stehlen dasselbe, wo sie können. In Mdaburu wurde die letzte Station in Ugogo er reicht. Cameron war froh, dieses theure Land verlassen zu können: während Burton noch 64 Rationen für 1 Doti er hielt, bekam er selten mehr als 10 und nie über 20. Eier waren ein unerschwinglicher Luxus, Milch und Honig ent setzlich theuer, theuerer als in England, wenn man die Doti nur mit ihrem Zanzibarer Werthe in Anschlag brachte! Dadurch wurde er zu der äußersten Sparsam keit gezwungen und freute sich, wenn er, wie in Useche, Tauben und Kaninchen erlegte, aus mehr als einem Grunde. In Ugogo allein hatte er als Tribut 77 far bige Tücher, über 200 Doti, eine Rolle Draht und 3 Pfund Perlen bezahlt, d. h. nach Zan zibarer Preisen 500 Dollars, nach Ugogo- Preisen aber deren 1000! Am 18. Juli brach unsere Karawane nach der Mgunda Mkali, dem „heißen Felde", auf. Als Burton und Speke 1857 dasselbe betraten, hatte man eben erst mit seiner Urbar machung angcfangcn; von Wasserplätzcn waren nur wenige bekannt und auf dem ganzen über 20 deutsche Meilen lan gen Marsche zwischen Mdaburu und Unyanyembe konnte man nur an einer einzigen Stelle Lebensmittel erhalten, so daß Reisende dies Gebiet in formten Märschen'und mit nam haftem Verluste an Trägern durcheilen mußten. Das hat sich jetzt sehr zum Bessern gewendet: der Wanyamwesi- Stamm der Wakimbu, welcher durch Krieg aus seinen früheren Sitzen vertrieben worden, hatte das Dickicht ge lichtet und weite Strecken frühem Urwaldes in Cultur ge nommen. Der Weg führte stark bergauf; das erste Nacht quartier lag schon in 3938 Fuß Meercshöhc. Das folgende Dorf, Pururu mit Namen, wurde, nachdem ein Mißvcr- ständniß mit den übrigens gastfreien Eingeborenen gütlich beigelcgt war, von den Reisenden genauer besichtigt. Es war von zwci Pallisaden umgeben, nur mit zwei Thoren versehen und innen reinlich und nett; die Hütten in der Form ge streckter Vierecke, die Dächer flach. Ueber jedem Thore er hob sich ein Lugaus, wo Steine zur Vertheidigung bereit lagen. Auch weiterhin war Cameron über den Anbau des Landes und die Bewässernngsversuche erstaunt, und er weist diesem Volke keine niedrige Civilisationsstufe an. — Am Befestigtes Dorf in Unyanyembe.