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302 Nachträglicher Bericht über die Novara-Expedition. Colonien in den Besitz von Einwanderern über und werden auch ausschließlich von solchen bewohnt. Aus obigen Zahlen geht hervor, daß die Einwanderer im Allgemeinen 5'2 Proc. der Gesammtbevölkerung des Plocker Gouvernements bilden. Hierin sind auch diejenigen mit inbegriffen, welche sich im Lande naturalisirt haben und somit strcnggenommen den Eingeborenen zugezählt werden müssen. Eigentlich Fremder, welche sich auf Grund ihres Passes im Gouvernement aufhalten, verbleiben somit nur 2'0 Proc. Dieses Berhältniß, sagt der „Korespoudent Plocki", ist nicht bedeutend und bedroht durchaus nicht die eingeborenen Bewohner, und dieses um so mehr, als hierin außer den preußischen (deutschen) Einwanderern auch noch andere in begriffen sind, welche für die Eingeborenen nicht gefährlich sind, da sie keinen entnationalisirenden Einfluß ausüben. Seitdem die Bauern mit Eigenthum ausgestattet worden sind, hat sich der Arbeitslohn gesteigert, und dieses hat theil weise eine größere Einwanderung fremdländischer Elemente zur Folge gehabt; anderntheils aber haben die Ankömmlinge, welche mit der Absicht sich anzukaufen nach Polen kamen, in den heimischen Bauern Concurrenten gefunden, welche ihnen die Ausführung ihrer Absichten erschweren. Vom Jahre 1864 bis zum Jahre 1873 haben im ganzen Königreiche Polen eingeborene Bauern 214,920 Morgen (CulmerMaß, — circa 429,840 Magdeb. Morg.) im Werthe von 7,164,000 Rubel gekauft. Dieses ist mit ein Umstand, welcher die sich verringernde Einwanderung von Ausländern ins Plocker Gouvernement, besonders aber derer bedingt, welche sich ankaufen wollen. „Wir sehen ferner, daß die Einwanderer 5 Proc. der Gesammtbodenfläche des Gouvernements besitzen. Wenn wir jedoch," sagt der „Korespoudent Plocki", „berücksichtigen, daß von 100 Dörfern und Ansiedelungen, welche von Deut schen gegründet und ursprünglich auch ausschließlich von ihnen bewohnt worden sind, heute 10 sich gänzlich in den Händen der Eingeborenen befinden, 56 eine aus Ankömmlingen und Eingeborenen bestehende Bevölkerung besitzen und nur 29 in ausschließlich fremden Händen verblieben sind, so erscheint das Verhältniß des in ihrem Besitze befindlichen Bodens zur Gesammtbodenfläche des Gouvernements nicht beängsti gend. Die erfreuliche und bedeutsame Erscheinung, daß die Eingeborenen die Einwanderer aus dem Besitze verdrängen, steht übrigens nicht vereinzelt da. Im Warschauer Gou vernement haben die Ankömmlinge 214 Dörfer und Co lonien gegründet und haben aus 29 die eingeborenen Besitzer verdrängt; umgekehrt aber wurden sie aus 5 Dörfern von den Eingeborenen gänzlich verdrängt und in 155 müssen sie schon den Besitz mit den letzteren theilen, so daß nur noch 49 Dörfer und Colonien ausschließlich von ihnen bewohnt sind." „Es dürfte nicht uninteressant sein," sagt der „Korespon- dent" am Schlüsse des Artikels, „noch einige von Dr. Druzy- lowski gesammelte statistische Daten kennen zu lernen. Aus seiner Arbeit ersehen wir, daß während einer zehnjährigen Periode, von 1861 bis (inclusive) 1871, in der Stadt Plock auf 31 Evangelische (soll. Deutsche) 1 Geburt gekommen ist, während daselbst schon auf 29 Katholiken und Juden 1 Geburt kommt. In derselben Periode starben von je 1000 Einwohnern gegen 30. Die Vertheilung der Ver storbenen nach Confessionen ergiebt kein günstiges Resultat für die Evangelischen, davon je 1000 — 40 verstorben sind. Am günstigsten ist das Verhältniß für die Juden, da von 1000 nur 27 und von 1000 Katholiken 31 gestorben sind. „Wenn wir," sagt Dr. Druzylowski, „die Confession mit der Nationalität identificiren, so sehen wir, daß sich die deutsche Bevölkerung in unserer Stadt nur durch Einwan derung vermehren kann und allmälig ausstirbt, also unter den hiesigen Verhältnissen keine innere Kraft zur Entwickelung besitzt. „Aus dem bisher Gesagten kommen wir zu der Ueber- zeugung, daß die Deutschen in unserm Gouvernement für uns nicht drohend sind, daß von einer Verdrängung der Ein geborenen durch sie nicht die Rede sein kann und daß alles Geschrei gegen die deutsche Colonisation leere Phrase ist. Die Deutschen kommen zu uns, weil in ihrer Heimath 3917 Seelen auf der Quadratmeile leben, während in unserer Hei math auf der gleichen Fläche nur 2408 Menschen wohnen. Uebervölkerung, Theuerung des Bodens, größere Abgaben und Lasten in Deutschland, und umgekehrt billiger Boden, geringe Abgaben bei uns sind die Ursachen, welche die deutsche Colonisation Hervorrufen, die also unter diesen Bedingungen eine ganz natürliche Erscheinung ist. Nicht wenig wird sie auch durch den Mangel an Bildung, durch die geringe Ent wickelung der Industrie, des Ackerbaues u. s. w. befördert. Alle gegen die Deutschen gerichteten Declamationen werden der deutschen Colonisation keinen Damm entgegensetzen, son dern können nur die polnische Bevölkerung gegen die An kömmlinge aufbringen, welche es bis jetzt nicht vermocht haben, sich mit der örtlichen Bevölkerung zu assimilircn." Da der Artikel des „Korespoudent Plocki" auf Acten basirt, aus denen seine Angaben geschöpft sind, hat er einen hohen Werth für jeden, der sich für die Völkerbewegung interessirt; jedenfalls beweist er, daß für jetzt die Verhält nisse im Plocker Gouvernement den deutschen Einwanderern nicht sehr günstig sind. Anders scheinen die Sachen im Lubliner Gouvernement zu liegen, denn die „Gazeta Lubelska" sagt, daß während der letzten drei Jahre, d. h. von 1874 bis 1876, in den Lubartower Kreis allein 1092 deutsche Colonisten einge wandert sind, infolge dessen sie sich um den vierten Theil vermehrt haben; denn nun beträgt ihre Zahl 4800 Köpfe. Im Verhältnisse zur Gesammtbcwohnerzahl des Kreises kommt 1 Deutscher auf 13 V2 Eingeborene. Die Zunahme der Deutschen im Lubartower Kreise ist, nach der „Gazeta Lubelska", der in den letzten drei Jahren daselbst ausgeführ ten Parcellirung größerer Ansiedelungen zuzuschreiben, und sie bemerkt, daß die Thatsache allein, daß ein und dasselbe Element sich in einer Gegend immer mehr verdichtet, ohne sich mit den Eingeborenen zu verbinden, dafür zeugt, daß sich dieses Element auf Polnischem Gebiete immer mehr absondert und eine selbständige Stellung einnimmt. Von den 4800 Deutschen, welche im Lubartower Kreise wohnen, gehören 631 Personen der Secte der Anabaptisten an. Nachträglicher Bericht über die Novara-Expedition. Die „Uebersichtliche Darstellung der unter dem Titel „Reise der österreichischen Fregatte Novara rc." erschienenen Publicationen" (Wien 1877) und der Bericht, den nach völligem Abschluß der wissenschaftlichen Publicationen über diese Reise Vice-Admiral von Wüllersdorf-Urbair im Namen der Novara-Commission der k. k. Akademie der Wissenschaf ten an den Kaiser unteren 18.December 1876 erstattete, sind in mehr als einem Sinne beachtenswerth. Nicht bloß in