Volltext Seite (XML)
10 N. Majew: Die Erforschung Hissars durch die russische Expedition von 1875. Weg von Termez am Amu durch das Eiserne Thor nach Kisch und Samarkand. Dann hat es bis zum Jahre 1875 gedauert, ehe wieder ein Europäer jene Gebiete betreten hat, und aus der Zwischenzeit haben wir nur persisch oder tür kisch abgefaßte Reisebeschreibnngen oder Erkundigungen, welche Europäer in den Nachbarländern einzogen. Erst jetzt haben alle diese zum größten Theile nur Orientalisten zugänglichen Quellen ihre feste Grundlage durch die Arbeiten der russischen Expedition erhalte», deren Aussendung ein Verdienst des Generalgouverneurs von Turkestan, von Kaufmann, ist. Die gewaltige, Nach Südwesten streichende Masse des Thian-schan '), welche in ihrem Mittlern Theile beim Gebirgs knoten Chan-Tengri östlich vom Jssyk-köl ihre größte Höhe (etwa 24,000 engl. Fuß) erreicht, senkt sich gegen Westen bedeutend herab. Dort schieben sich die breiten Thäler von Ferghana (das frühere Chanat von Chokand), von Samar kand (Zaresschan-Thal) und von Schehrisebz (d. i. die grüne Stadt, jetzt von den Russen oft kurzweg mit dem persischen Schaar, d. i. Stadt, genannt) zwischen das Gebirgsmassiv hinein. Südlich von letzten» Thale, dem des Kaschka-darja, erhebt sich ein Gebirge, welches in letzter Zeit den Namen des Hisfarfchen erhalten hat, bei den Eingeborenen aber un ter verschiedenen Namen bekannt ist. Das fast unbekannte Gebiet zwischen diesem Gebirge und dem Amu-darja zu er forschen, war die Aufgabe jener Expedition, welche im Früh jahr 1875 von General von Kaufmann entsendet wurde und aus folgenden Mitgliedern bestand: Redacteur der Turkestanischcn Zeitung N. A. Majew als Chef, Unter- lieutenantD.M.Wischnewski, Astronom F.F.Schwarz und Dolmetscher I. Kasbekow. Eine der ersten Autoritäten über Centralasien, der ver storbene A. P. Fcdtschenko, nahm südlich vom Gebirge von Hissar die Existenz ausgedehnter Ebenen mit Steppen charakter an nnd begründete seine Ansicht damit, daß der zum Chanat Buchara gehörige Hissarsche Kreis im Som mer von heißen Winden (Garmsir oder, Tebbad), welche die gefährliche Krankheit „tel>d" (persisch, d. i. Fieber) verbreiten, sowie von kalten Fiebern, welche Hissar, Kulab, Knnduz und daö ganze Ufcrland am Amu berüchtigt gemacht haben, hcimgcsucht wird. Diese Annahme erwies sich jedoch als falsch. Denn der Thian-schan reicht südwestlich bis an den Amu bei Kelif und erfüllt mit seinen schon sehr niedrigen Ausläufer» den ganzen Raum zwischen Kelif und Kerki (ani Amu auf dem Wege von Andchui in Afghanistan nach Buchara), ohne bis an letzter» Ort herauzureichen. Und die Erscheinung der tief in das nordwestliche Ende des Thian-schan einge- schnittcnen Thäler wiederholt sich auch in seinem südwest lichen Theile, von der Einmündung des Wachsch in den Pandsch bis nach Kelif hin. Auf dieser Strecke haben wir vier breitere, in das Gebirgsmassiv cingesenkte Thäler, näm lich das von Schir-abad, die breite fruchtbare Ebene des Surchan, die von Kurgan-tübe am Unterlaufe des Wachsch oder Surchab und die Ebene von Knlab, welche sich nach oben zur Schlucht Chawaling verengt. — Nach Westen zu wird das Gebirge bedeutend niedriger: der Paß Tachta- Karatscha auf dem geraden Wege von Samarkand nach Kitab hat z. B. nur noch 5180 Fuß (engl. oder russ.) Höhe. Noch niedriger wird der Thian-schan, wo er sich Chuzar und dem Anin nähert: der Paß Ak-rabat, der 0 Obwohl jetzt nur der kleinste Theil (Las Ostende) dieses sich durch mehr als 30 Längengrade erstreckenden Gebirges noch im Be sitze der Ehincsen sich befindet, so dürste cs sich doch empfehlen, diesen Namen (statt der llebersetzung „Himmels-Gebirge") beizubehalten, zumal es wenig über zwei Jahrzehnte her ist, daß die Russen zuerst an seinem Nordabhangc Fuß faßten. höchste Punkt auf der Straße 1) zwischen Karschi und Schir- abad, liegt 4590 Fuß (absol.) hoch. Die Uebergänge über die Gebirge, welche die ganze Gegend zwischen den Grenzen von Darwaz einerseits, dem Amu- und dem Hissarschen Gebirge andererseits erfüllen, sind gleichfalls nicht hoch, wie z. B. der Paß von Faizabad, auf dem Wege von dieser Stadt zum Winterdorf (Kischlak) Narak im Thale des Wachsch 3350 Fuß; der Paß Guli-sindan, unweit des vorigen, auf dem Wege vom Wachsch in das Thal von Baldschuan 3580 Fuß; der Paß Uzun-akyr auf dem Wege von Baldschuan nach Kulab 3610 Fuß; der Paß Kal-schadi zwischen Kulab und Kurgan-tübe 2200 Fuß und der Tasch-rabat, wenig westlich vom vorigen, 2590 Fuß. Immerhin aber besitzt der Thian- schan östlich vom Meridian von Kitab noch Höhen, welche die Schneelinie weit überragen. Von Tschim - kurgan, 20 Werst südwestlich von Schehrisebz, sind deutlich Schnee piks des Hissarschen Gebirges, der Kalai-schiraja und der Mas-kara-choja, sichtbar; ebenso an der Südseite des Gebir ges von Karatag (nordwestlich von der Stadt Hissar) aus. Auf diesen Schneebergen und Gletschern entspringen einige große Flüsse, welche dem Amu und dem Kaschka-darja tribu tär sind und ihre Thäler zu fruchtbaren mache»; zum Strom gebiete des erster» gehören der Schir-abad-darja, der Sur chan , der Fluß von Kafirnahan nnd der Wachsch, zu dem des letztem der Kyzyl-su und der Chuzar darja, mit wel chem die Expedition ihre geographischen Forschungen begann. Dieselbe hatte sich von Samarkand auf dem Saum pfade über den Paß Tachta-Karatscha nach Schehrisebz und Karschi begeben, um dort den Emir von Buchara zu begrü ßen. Drei verhältnißmäßig bequeme Wege führen über den westlichen Theil der Hissarschen Kette, nämlich 1. als west lichster die Route (Buchara)-Karschi-Chuzar-Baisun-Schir- abad, 2. östlich vom vorigen Uber ein hohes Plateau die Straße von Schehrisebz nach Jar-tübe, Kalta-minar, Bai- sun und Schir-abad und 3. als westlichste Passage ein Weg von Schehrisebz über Jakabagh (Jakobak, Jaka-bagh — Garten am Rande oa. der Wüste, des Thales, des Berges oder dergleichen), den Paß Sengri-dag und die Schlucht Tasch-Kurgan nach Sary-dschui in Hissar. Zu ihrer Hin reise wählte die Expedition den erste» Weg, um auf der Rückkehr den zweiten kennen zu lernen. Kaum näherte sie sich in Chuzar dem Gebirge, so zeigte sich auch sofort, wie falsch die bisherigen Karten sind. Der Chuzar-darja erscheint auf ihnen als ein unbedeutender, sich im Sande verlierender Bach, während er in der Thal ein bedeutender Gcbirgsfluß ist, der für die Bewässerung und Bebauung des oasenarligen Districts von Chuzar und der Thäler sei ner beiden Quellflüsse, des Katta-uru-darja und der Kitschi- uru-darja(Katta—groß, Kitschi —klein), vou größter Wich tigkeit ist. Der große Uru-darja entspringt im Gebirge Chan-tachta, dem westlichen Ende des Schneemassivs Kalai- Schiraja; der kleine am Baisun-Tau. Beim Gebirgsdorfe Kusch-lnsch, 16 Werst vor Chuzar, vereinigen sich beide; dann fließt der Strom als Chuzar-darja bei der gleichnami gen Stadt vorbei nnd zertheilt sich 18 Werst weiter unter halb (22 Werst von Karschi) beim Dorfe Mngi-kcnt in Bewässerungscanäle. Die Ufer des Katta-uru-darja sind am stärksten bevölkert; es giebt unter diesen özbegischen Bergbewohnern sehr wohlhabende Leute, weiche Herden von 2000 bis 3000 Schafen und 500 bis 1000 Kameelen besitzen. Im Somme'' verlassen dieselben ihre Ansiedlungen im Thale und ziehen mit ihren Herden höher ins Gebirge, st Dor russische Tert sagt sogar, etwas unwahrscheinlich, „der höchste Punkt des Massivs, weiches von der Straße Karschi-Schir- abad durchschnitten wird." ,