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Bilder aus Oberägypten, der Wüste und dem Rothen Meere. 203 Dr. C. B. Klunzinger's aufgezehrt. Da kamen einige in die Hütte des Piast, wo sie gastlich empfangen wurden, und wo nun das Wunder geschah, daß die Speisen nie all wurden, denn so wie sie aufgezehrt waren, ergänzten sie sich stets von Neuem. Nach Anderen soll dies schon früher, noch zur Zeit Popiel's, vorgekommen fein. Da seien einmal zu diesem zwei Wanderer gekommen und hätten um gastliche Aufnahme gebeten. Die habe Po piel ihnen verweigert, und so seien sie zu Piast gegangen, in dessen Hütte man gerade das Fest der Namengebung seines Sohnes gefeiert habe, wobei meist ein Beschneiden der Haare stattzufinden pflegte. Hier habe man sie freundlich ausge nommen, und da habe es sich denn gezeigt, daß es keine ge wöhnlichen Wanderer gewesen, denn die Speisen wären nie ausgegangen, sondern hätten sich immer wieder ergänzt. Diese Version, welche offenbar in den Wanderern heidnische Götter eiuführt, klingt zumal mit dem in ihr hervortretenden Gegensatz zu Popiel's Verhalten, der dann eben von den Göttern verworfen wird, fast noch alterthümlicher als die erstere. Auch die Sitte der Haarabschneidung, die dann bei den Plastischen Fürsten national blieb, wird mit jener Feier im Hause des Piast in Verbindung gebracht. Rationalistisch klingt es dem gegenüber, wenn es dann auch heißt, Piast habe bei einer Hungersnoth die Stadt Gnesen mit Lebens mitteln versorgt, und sei deshalb zum König gewählt worden. In dem oben erwähnten Kruschwitz ist übrigens außer dem Mäusethurm noch die Collegiatkirche höchst merkwürdig und uralt. In den Grundmauern soll sich noch das Stein bild eines Menschen mit vier Köpfen befinden und daneben ein Anagramm, welches Aehnlichkeit mit einem lateinischen 2 hat. Man hält jenes für das Bild des Swantewit, wie man auch sagt, daß die Kirche zuerst dem St. Vitus und erst später der Jungfrau Maria geweiht worden sei. In der Bauart stimmt sic zu dem Unterbau der Georgskirche in Gnesen, welches die erste christliche Kirche in Großpolen ge wesen sein soll, und zu deu berühmten Ruinen von Ledna- gora auf dem Ostrow (Werder) im Leduica-See. Bei allen dreien sind nämlich an der Außenseite behauene oder geradezu gespaltene Steine in Anwendung gebracht, wie sie übrigens auch schon in den heidnischen Gräbern hicrselbst vielfach Vor kommen. Neber die Ruinen von Lednagora hat im Jahre 1847 der Landrath von Grävenitz Acten aufgenommen, welche noch bei der Regierung in Bromberg sich befinden. Nach densel ben sind auf dem erwähnten Ostrow drei römische Münzen, eine Urne und in einer Steinkiste Gebeine von Kindern gefunden worden. Später kamen daun noch andere Funde hinzu, welche noch weiter auf uralte Ansiedlungen hierselbst hindeuten. Die baulichen Ruinen weisen aber, namentlich in ihrer großartigen Anlage, etwa auf das zehnte Jahrhun dert hin, und so soll denn auch hier Boleslaw, der Große, Chobry Kaiser Otto III. bei seiner Wallfahrt nach Gnesen zum Grabe des heiligen Adalbert im Jahre 1000 n. Chr. empfangen haben. Andere freilich meinen, dies habe auf der Burg bei Posen stattgefunden, da sei der Name Ostrow, den die alten Chroniken in dieser Hinsicht angeben, und dort der prächtige Empfang zu suchen, wie ja auch die Stelle zwischen der Srodka-Brücke und der Srodka, wo die Burg Posens gestanden haben soll, noch Ostrowek (Diminutiv von Ostrow, also „kleiner Werder") heiße i). Zu Posen starb übrigens dann Boleslaw im Jahre 1025 und wurde daselbst im Dom beigesetzt; jene Zusammenkunft aber ist deshalb be sonders merkwürdig, weil damals sich Boleslaw von Otto III. hat krönen lasten und dessen Oberlehnsherrschaft anerkannte, die weiter anzucrkennen er den späteren Kaisern Heinrich II. und Konrad II. gegenüber sich weigerte und seinen Nachfol gern so ein selbständiges Polen hinterließ. Posen, November 1876. W. Schwarz. r) Nach Mitthcilungen des Hrn. Dr. Scnbz, Vcrf. der in diesem Jahre erschienenen Schrift über die Authencitäl der Nunm- steine in Mikorzh» (Lutent^crnoso Kamieni NiliorrMMcti etc. kornan 1878). — Ucbcr die prähistorischem Funde zu Lednagora vgl. Schwartz: Materialien zu einer prähistorischen Karte der Pro vinz Posen. Posen 1875. Ueber die Ruinen handelt eingehend die soeben auf Veranlassung des Besitzers, Grafen WesierStp-Kwilecki, veröffentlichte Schrift: Oxia/ Ltaror^taxch Kuiu ka gorivra kecluickiszo. Onesen 1876. Dr. C. B. Klunzinger's Bilder aus Oberägypten, der Wüste und dem Rothen Meere. (Stuttgart, Levy und Müller 1877. Mit 22 Originalzeichnungen.) Ein ganz vortreffliches Buch, angenehm zu lesen, schlicht und einfach in der Sprache und doch einen so reichen Schatz von Beobachtungen und Erfahrungen in sich bergend wie wenig andere, die vom heutigen Aegypten handeln. Der Verfasser lebte neun volle Jahre in Koseir am Rothen Meere als Quarantänearzt und studirte dort, in nächster Berüh rung mit dem Volke, das Landleben und die Bewohner Ober ägyptens. Das von Georg Schweinfurth mit einer beredten Vorrede versehene Buch umfaßt folgende Abschnitte: Vier Tage in einer Landstadt. Wanderung auf dem Lande und auf dem Flusse. Werk-, Feier-, Jubel- und Trauertage. Die Wüste. Am Rothen Meere. Die Naturschätze des Rothen Meeres. Die geheimen Wissenschaften der Mos lemin. - Es geht schwer an, aus der Masse des werthvollen eth nographischen und naturwissenschaftlichen Stoffes eines oder das andere hervorzuheben, so sehr ist Alles mit gleicher Liebe behandelt und auch dem scheinbar Geringfügigsten volle Auf merksamkeit geschenkt. Von außerordentlichem Interesse sind aber die steten Vergleichungen mit dem Leben der alten Acgypter, auf welche Klunzinger selbst in seiner Vorrede be- sondern Werth legt. Es sei uns wenigstens gestattet, von diesen ethnographisch so werthvollen Parallelen eine größere Anzahl hier anzuführen. Sie zeigen, wie wenig im Ver hältnisse die Jahrtausende und die persischen, griechischen, römischen, arabischen, türkischen u. s. w. Eroberungen des Nillandes an dem Charakter und den Gewohnheiten des Landvolkes zu ändern vermochten. Berauschendes Bier tran ken die alten Aegypter wie noch heute die Bewohner des Sudan und Abessiniens in Menge (S. 28), und die Tän zerinnen, schon zur Pharaonenzeit heimisch, treiben sich heu tigen Tages, aus der Hauptstadt verwiesen, in allen Städten 26*