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168 Paul Ibis: Auf Formosa. kannt war. Auch sagt man, daß seine Mutter eine Formo- sanerin gewesen sei. Nachdem er sich im Geheimen des Beistandes der auf Formosa ansässigen Chinesen versichert, landete er mit 25,000 Mann bei Tai-wan-fu, blockirte den Hasen und belagerte die Stadt. Nach einer neunmonatlichen Belagerung, während welcher die Holländer alle möglichen Entbehrungen zu erdulden hatten, ergab sich die Stadt, und Coxinga erklärte sich zum König von Formosa (1662). Nach seinem Tode, der bald darauf erfolgte, behauptete die Insel noch einigeZeit ihre Unabhängigkeit, und erst im Jahre 1683 trat sie freiwillig unter die Botmäßigkeit Chinas. Seitdem ist Formosa oder richtiger West- und Nordfor mosa dem chinesischen Reiche einverleibt. Die Malayen sind mit geringer Ausnahme aus der Ebene verschwunden — theils mögen sie ausgestorben sein, theils sich in die Berge zurück gezogen haben, wo die chinesische Autorität nicht weit geht. Die Ebene ernährt setzt eine Bevölkerung, so dicht wie die der reichsten Provinzen Chinas, und hat eine Bodencultur wie sie nicht sorgfältiger gedacht werden kann; denn jeder Fleck ist bebaut. Städte, die über 10,000 Einwohner haben, sind zahlreich, und blühende Dörfer mit mehr als 1000 See len liegen hart an einander. Nimmt man sür die chine sische Bevölkerung Formosas die Zahl von 3 Millionen an, so ist das meiner Ansicht nach nicht hoch gegriffen; chine sische Angaben taxiren sie auf mehr als 10 Millionen, was jedoch stark übertrieben ist. Die chinesischen Besitzungen auf Formosa siud in fünf Präfecturen eingetheilt. Es sind: im Norden Ta ms ui mit der Hauptstadt Töck-tscham (mit etwa 30,000 Einw.), eine reiche Gegend, wo in letzter Zeit besonders der Theebau großen Aufschwung nimmt. Zu ihr zählt auch das unlängst von Chinesen colonisirte Thal Kamolan-ting H an der Ost küste, das sich nach Süden bis zur Sau-o-Bay ausdehnt. Dann folgen in der Ebene Tschang-Hwa-Hisn mit der Stadt Tschang-Hwa (gegen 15,000 Einw.), Kagi- hisn mit Kagi (10,000 bis 15,000 Einw.) und Tai- wan-hisn mit Tai-wan-fu, der Hauptstadt der Insel (75,000 Einw.). Die letzte begreift in sich auch das Berg land Mittelformosas, das Gebiet der Pepo-Hwan, eines civi- lisirten Malayenstammes. In allen dreien ist der Zucker bau in Blüthe. Die südlichste Präfectur ist Fung-shan-hian mit der Hauptstadt Pitau (15,000 Einw.), der fruchtbarste und, wie es scheint, am stärksten bevölkerte Theil der Insel; auch hier wird neben Areca und Reis viel Zucker gebaut. Zn Fung--shan-hisn zählt jetzt auchLong-kiau an der Süd spitze, eine unruhige Gegend, welche vor der japanischen Ex pedition zwar von Chinesen bewohnt, nicht aber von der Negierung als ihre Besitzung anerkannt wurde. Der mit den Japanesen geschlossene Vertrag verpflichtete sie indeß, den Ort zu befestigen, um die umwohnenden Stämme der Eingeborenen in Ruhe zu halten. Mit der Besitznahme von Long-kiau (am 24. December 1874) wurden zugleich einige Fischerdörfer nördlicher am Strande befestigt, welche früher ebenfalls nicht unter Controle der Regierung standen; da durch sollte eine sichere Landverbindung zwischen der Süd spitze und der Ebene durch das Territorium der Eingeborenen hergestellt werden. Ferner werden Tang-kang, Takao und Tai-wan-fu befestigt, um auch gegen Feinde von außen, wie es im Jahre 1874 die Japanesen waren, geschützt zu sein; nördlich von Tai-wan-fu ist das überflüssig, da die ganze Küste zu seicht ist, um mit Schiffen auf Schußweite heran zukommen. 1) Nach E. G. Ravenstein (6eoZn. UaZurine, Oktober 1874) ein eigener District. Ned. Die genannten Städte sind alle Fu, d. h. befestigt (mit einer Mauer von enormer Dicke umgeben). Außer Tai-wan-fu, der Hauptstadt der Insel, verdient keine von ihnen näher be schrieben zu werden: es sind gewöhnliche chinesische Städte mit kleinen, leichten, dem Klima angepaßtcn Häusern, mit engen, nicht gerade reinlichen Straßen, deren eine ans ein Haar der andern gleicht, und mit dem so oft beschriebenen bunten, betäubenden Leben in ihnen, das nur einen Fremd ling interessiren kann, einen in China bewanderten aber mächtig hinaus ins Freie oder in sein armseliges Logis treibt. Die Gasthäuser in diesen Städten sind zugleich Opiumhäuser — ekelerregende Höhlen. In Tai-wan-fu kann man sich schon einen Tag aufhal ten, ohne von Langweile belästigt zu werden, aber auch nicht länger. Unter ihren wenigen Sehenswürdigkeiten steht in erster Linie die Ruine des mächtigen Forts Zelandia ^), die zwei Meilen außerhalb der Stadt in der Nachbarschaft des Hafenplatzes An-ping liegt. Es ist ein Stück solider, auf Jahrhunderte berechneter Arbeit, wie all die holländischen Bauten auf Formosa (denn auch in Takao, Tamsui undKe- long haben sich einige holländische Gebäude in einem mehr oder minder guten Zustande erhalten, wie z. B. das jetzige englische Consulat in Tamsui). Leider ließ die chinesische Regierung im vorigen Jahre einen bedeutenden Theil von Zelandia niederreißen, um aus dem äußerst festen Material zwei neue Forts zu erbauen, was dem Gesammteindruck der Ruine großen Einbruch thut. Mitten in der Stadt stehen ferner die Ueberreste einer kleinen holländischen Burg, welche zu entfernen viel zu schwer und theuer ist, um je unternom men zu werden; die praktischen Chinesen haben daher einige Gewölbe in ihr in Wohnungen, andere in Schweineställe verwandelt. Die Tempel in Tai-wan-fu sind kaum der Be sichtigung werth; sie zeichnen sich weder durch Reichthum noch in architektonischer Hinsicht besonders aus und sind recht unreinlich. Die meisten Tempel sind dem Confucius ge weiht, dessen Lehre die herrschende auf Formosa ist. Die Stadt selbst nimmt einen bedeutenden Flächenraum ein; die Mauer, welche sie umgiebt, mißt 4 Meilen im Um fange und hat acht Thore, deren jedes einen hohen Wart thurm trägt. Die Straßen sind nur 8 bis 10 Fuß breit, geradlinig, mit Ziegeln gepflastert und, was das Seltenste in einer chinesischen Stadt, sie werden rein gehalten. Größere Handelsstraßen sind oben mit Bretterschirmen zugedeckt; in diese Schirme sind stellenweise Perlmutterscheiben eingesetzt, so daß die Straßen am Tage hinreichend erleuchtet sind. Die, Beleuchtung bei Nacht läßt nichts zu wünsche» übrig: unzählige Papierlaterncn, die in und vor den Buden dicht neben einander brennen, verbreiten ein sanftes dem Auge wohlthnendes Licht uud geben der Straße mit der in ihr wogenden Menschenmasse ein recht phantastisches Aussehen. Um 8 Uhr Abends ist Thorschluß, und etwas später werden auch die einzelnen Straßen — größere sogar auf mehreren Stellen — durch Bambuspforten gesperrt, eine praktische Maßregel der Polizei, die in allen größeren Städten Chinas existirt. An die West- und Südwestseite der Stadtmauer lehnt sich eine große Vorstadt mit breiteren Straßen und besseren Häusern als innerhalb der Mauer. Es ist das von den reicheren Kaufleuten bewohnte Viertel, während in der Stadt selbst wesentlich Kleinhändler und Handwerker leben. Unter letzteren sind besonders viel Silberarbeiter, die sich durch ihre solide und billige Arbeit einen guten Ruf iu ganz China erwor ben haben; doch können sic sich nicht mit den Silberarbeitern i) Sicht die Abbildung desselben „Globus" XXIX, N. 21, S. 322.