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Tie englische Nordpolexpedition, der Smith-Sund und die Nordpolarfrage. 139 sie den von Tr. Bessels als Niederlage verschiedener Gegen stände bezeichneten Ort, und es war klar, daß derselbe seit jenen Unglückstagen nicht wieder von Menschen besucht war-, denn wenn auch der Inhalt einiger Kisten über den Boden zerstreut war, zeigten sich doch andere, welche Lederkleidcr, Handwerkszeug, Nadeln u. s. w., lauter für Eskimos sehr werthvolle Artikel, enthielten, vollkommen unversehrt. Port Foulke ist der beste bis jetzt bekannte Punkt für Winterquartiere iu den arktischen Regionen und wurde schon von Hayes während seiner UcberwiMerung daselbst 1860 bis 1861 als günstig erkannt. Eine warme occanische Strömung, die an der grönländischen Küste hinaufgeht, be wirkt in Verbindung mit den vorherrschenden Nordwinde», daß das Eis an dem Eingänge des Smith-Sundes auch während des Winters stets aufbricht und forttreibt. Hier durch ist nicht nur im Winter eine Gelegenheit zu reichlicher Robben- und Walroßjagd gesichert, sondern die Wärme und Feuchtigkeit, die das offene Wasser der Umgebung miltheilt, verursacht auch ein milderes Klima, einen früher» Frühling, reichlichere Vegetation und als unmittelbare Folge mehr thie- risches Leben als an irgend einem andern Punkte nördlich von Upernivik. Da man ferner auch in jedem Sommer ohne mehr als die gewöhnlichen Wagnisse arktischer Schiff fahrt dorthin gelangen kann, so würde Port Foulke ein aus gezeichneter Ort für eine dauernde wissenschaftliche Beobach tungsstation sein, wie solche von der schon erwähnten deutschen Commission in Vorschlag gebracht sind. Von Littleton Island war von einer Höhe von 700 Fuß aus bei klarem Wetter keine Spur von Eis zu sehen; die Erfahrung des nächsten Tages zeigte jedoch, wie wenig ein solcher Ausblick berechtigt, daraus auf größere Entfernungen hin ein freies Fahrwasser zu prophezeien. 24 Stunden später, nachdem die Schiffe inzwischen den Smith-Canal ge kreuzt hatten, waren sie an der Küste von Ellesmere Land, Meile südlich von Cap Sabine, vom Eise ein geschlossen. Zwar war auch dieses Eis sehr weich und ver wittert, aber da es nicht unter 6, theilweise bis 12 Fuß dick war, konnte man damit nicht wie mit dem Treibeis der Basfins-Bay umspringen, sondern mußte in eine»! Hafen Schutz suchen, der sich auch als schützend erwies und nach dem kühnen österreichischen Forscher den Namen Payer- Hafen erhielt. Drei Tage hindurch waren die Schiffe nicht im Stande, Cap Sabine zu umschiffen; am vierten endlich trieb ein Südwestwind das Eis so weit von der Küste ab, daß sie an der Südküste des Hayes-Sundes 5 Meilen weit nach Westen bis zu einer geschützten Bucht Vordringen konnten, in deren Nachbarschaft sich viele Spuren von Moschusochsen und anderm Wilde zeigten. Man hatte gehofft, hinter den am Eingänge des Hayes- Sundes auf den bisherigen Karten verzeichneten Inseln eine Straße offen zu finden; da jedoch von einem 1500 Fuß hohen Hügel keine solche nach Norden zu erblicken war, steuerte nian wieder auf Cap Alb ert zurück, zumal ein stark einsetzender Westwind hoffen ließ, daß das Eis dort Von der Küste fortgetrieben werden würde. Wenn das auch nicht ganz der Fall war, bot sich doch die Möglichkeit gegen das etwas loser gewordene Packeis anzukämpfen; freilich mit nicht geringer Gefahr, weil die nur wenig eingcbogcne Küste zwischen Cap Albert und Cap Victoria nicht den ge ringsten Schutz bot. Als nun gar noch der Wind nachließ, wurde die Lage der Schiffe im höchsten Grade bedenklich. Es würde uns zu weit führen, wollten wir den muthigen Reisenden auf jedem Schritte dieses gefährlichen Weges fol gen; auf einen Umstand müssen wir jedoch aufmerksam ma chen, dem auch Nares die größte Bedeutung beilegt, nämlich das Zusammenwirken der beiden Schiffe. Es kommt nicht leicht vor, daß wenn das eine Schiff im Fahrwasser des an dern bleibt, beide zugleich vom Eise cingeschloffeu würden; eins kann daher dem andern helfen, wie es in der That durch die „Discovery" und „Alert" wechselweise geschehen ist. Fachleute hatten dafür zu wirken gesucht, daß das eine Schiff der Expedition längs der West-, das andere längs der Ostküste Grönlands seinen Weg nehmen sollte, um sich eventuell int Norden die Hand zu reichen. Wenn mir aber jetzt Capitün Nares Uber den großen Nutzen und die hohe Zuversicht der Mannschaft sprechen hören, welche ans der gegenseitigen Hülseleistung beider Schiffe entsprangen, so ist es jedenfalls für den glücklichen Ausgang dieser Expedition von großer Bedeutung gewesen, daß die Schiffe zusammen- blieben, und es bleibt auch für die Zukunft zu bedenken, ob man nicht gut thun wird, auf arktische Entdeckungsreisen we nigstens immer zwei Schiffe vereint zu entsenden. Als am Abend des 8. August die Franklin-Pierce- Bay an der Südküste desGrinnell-Landes erreicht war, hatte man nach viertägigen unausgesetzten Mühen die Ge fahr überwunden. Trotz der schlimmen Fahrt hatte man dabei ausreichende Gelegenheit, festzustellen, daß die auf Hayes' Autorität hin am Eingänge des Sundes verzeichneten Inseln in der That zusammenhängen, daß überhaupt dieser ganze Küstenstrich bereits von Admiral Jnglefield trotz seiner viel geringeren Mittel viel richtiger ausgenommen ist, als von seinen Nachfolgern Kane und Hayes. Ob der Hayes- Sund ein Canal oder nur eine tiefe Bucht sei, ließ sich da gegen nicht ausmachen. Einzelne Zeichen, wie daß die Flnth von Osten einströmt, oder wie der anscheinende Zusammen hang der Hügel im Westen, lassen das letztere vermuthen, während wieder andere, wie namentlich das Vorhandensein vieler Eskimospuren, welche man vorzugsweise in Canälen findet, auch die erstere Hypothese als statthaft erscheinen lassen. Die Franklin-Pierce-Bay zeigte sich als ein guter Hafen; ihre ganze Fläche von 2/4 Meile Breite und 1/2 Meile Tiefe war von einer einzigen ungebrochenen Scholle bedeckt, also vor jedem Eindringen von Treibeis geschützt. Diese gute Eigenschaft hat sie der davorliegenden Insel Normann Lockyer und der ^4 Meile östlich davon befindlichen Wal roß-Untiefe sowie dem Umstande zu danken, daß die kalte nach Süden fließende Strömung direct zwischen Cap Fra zer und Cap Sabine läuft, also die Bay rechts zur Seile läßt. Zum Winterquartier eignet sich der Hafen aber nicht so gut wie Port Foulke, weil es in der Nähe an Vegetation und jagdbaren Thieren fehlt. Von der Franklin-Pierce-Bay verfolgten die Schiffe die Küste desGrinnell-Landes mit wechselndem Glücke und häu figen unfreiwilligen Haltepunkten immer in schwerem Treib eis nordwärts bis Cap Collinson am Eingänge des Kennedy-Canals. Zwar war das Wetter im Ganzen klar und still, wie überhaupt der August in hohen Breiten ei» sprüchwörtlich ruhiger Monat ist; für die Schifffahrt im Eise ist dies aber eher ein Nachtheil, da der Seemann häufig nur von starken Winden im Verein mit den Wirkungen der Gezeiten die Entfernung größerer hindernder Eismassen hoffen kann, wie sie z. B. durch eine gleichmäßige, von Win den unbeeinflußte Strömung an hervorragenden Landpunklen aufgehäufl werden. So hatte die an dieser Küste laufende Strömung, die nach den Beobachtungen der Expedition an den breiteren Stellen des Smith - Sundes das Eis täglich 1^4, Weiter oben, wo er enger wird, 2*/z Meilen nach Sü den führt, an allen Nordscitcn hervorspringendcr Caps Bar rieren von 20 bis 30 Fuß Höhe aufgethürmt und solche Punkte wie Lockyer Island, Washington Irving Island, Cap Frazer, Cap Barrow, Cap Law rence u. s. w. zu den größten Hindernissen eines schnel- 18*