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Sitze ewige lose zerbrochene Ziegeln, die in nur allzu großer Menge an dem reizenden Platze herumliegen, und als Teller große Seerosenblätter aus dem nahen See, der außerdem das Wasser zum Thee und eine Art Hechte lieferte. Kaiser liche Gärtner hatten bei ihrem Fange, der mittelst kleiner Siißwasserkrabben aus dem See selbst stattfindet, der Diener schaft geholfen. — Dem Auge bietet sich von dieser Stelle ein lachender Anblick dar: Schaaren von Wasserhühnern und wilden Enten schwärmen über dem See und fallen in die Rohrdickichte und zwischen die rothen Seerosen ein. Im Westen des Sees steigt der Hügel M-tsiian-schan mit seiner Pagode empor und dahinter die 3000 bis 6000 Fuß hohen Berge des nördlichen Tschili, und im Südosten auf dem gegen überliegenden Seeufer zeigt sich die von Peking kommende Steinstraße sowie die große „siebzehubogige Brücke" (Schi- tsi-kung-kiao) aus weißem Marmor, welche das Ostufcr mit einer kleinen künstlichen Insel, wie deren mehrere mit Tem peln und Kiosken geschmückte im See liegen, verbindet. Dieselbe ruht auf einem Marmorfnndament, ist von einem reichen Geländer umgeben und mit Mauerwerk bedeckt, in welchem Grotten und unterirdische Gänge angebracht sind. Sie ist groß genug, um nicht unbedeutende Baulichkeiten, wie ein Absteigequartier für den Kaiser, Wohnungen für die Leibwache und einen Tempel, zu tragen. Eine große bronzene Kuh bewacht den Zugang. Ein wenig rechts von dieser Insel, d. h. mehr nach Süden zu, sieht man die „Buckel- Brücke" Halbwegs zwischen Hai-tien und Wan-schöu-schan, welche so stark gewölbt ist, daß sie nur Fußgänger und auch nur mit Hülfe der angebrachten Stufen passtren können. Rechts von ihr zeigt sich eine ganz runde Insel, welche frü her das Aussehen einer kleinen Festung hatte, weil sie rings von Zinnenmauern umgeben war, Uber welche die Dächer und Pagoden herübcrragten. Aber eines Nachts plünderten Diebe das Innere und legten dann Feuer an, so daß von der früher» Herrlichkeit, wie fast überall hier, wenig geblie ben ist. Und zum Beschlusse des Rundblickes weilt das Auge zuletzt wieder auf der weithin sichtbaren schlanken Pa gode des Hügels und Parkes M-tsUan-schan, welche unter Kaiser Kang-Hi (1662 bis 1723) erbaut wurde und an deren Fuße die schon erwähnte „Nephrit-Quelle" ent springt. Alltäglich holen eine Anzahl kleiner Karren große Mengen ihres geschätzten Wassers zum Gebrauche des Kai sers uud reicher Leute nach der Hauptstadt. Der herrliche, rings von einer Mauer umgebene und vielerlei Baulichkeiten enthaltende Park dient heule als eines der vielen Asyle für alte, ausgediente Verschnittene des kaiserlichen Hofes. Diese Unglücklichen, deren große Anzahl durch den Umstand erklärt wird, daß jede Frau des Kaisers von der ersten Kaiserin herab bis zum Nebenweibe fünften Ranges nicht weniger als hundert solcher Eunuchen um sich hat, bewohnen in der kaiser lichen Stadt einen eigenen Palast, den Lao-kung-tschu, und unterstehen der Hofintendantur. Zwischen dem zehnten und sunszehnten Lebensjahre treten sie ihr Amt an, in welchem sie es oft zu bedeutendem Einflüsse, Macht und Reichthum bringen. Manche verlassen später den Palast, legen sich dann, wie die verschnittenen schwarzen Würdenträger des Su dan, ungenirt eine Gemahlin zu und halten besonders darauf, daß ein möglichst kostbarer Leichenstein ihre Ruhestätte in dem für sie bestimmten Begräbnißplatze, einem der schönsten Parks im Westen der Stadt, ziere, während weniger glück liche oft ans dem Palaste gejagt werden und auf der Straße ihr Ende finden. Es sind die einzigen Männer, welche außer dem Kaiser selbst vor den Frauen des innern Palastes erscheinen dürfen. Ihr Oberster trägt den Krystallkuopf der fünften Beamtcnclasse. Die Einkäufe des Hofes gehen durch ihre Hände, und sie verstehen sich so meisterlich darauf, daß dem Kaiser ein Ei, welches jeder Chinese — sagen wir mit 5 Pfennigen bezahlt, auf deren 80 bis 100 zu stehen kommt. Ja, unter einer frühern Regierung ist einmal die Jahres ansgabe für Schminke allein auf 10 Millionen Sapeken gestiegen (Sapeken. auch Kasch, Tsien, Tschoch genannt, sind jene runden, durchlöcherten, gegossenen Münzen aus einer Lcgirung von Kupfer, Zinn, Zink und Blei im Werthe von 2/g Pfennig). Eunuchen gab es in China schon in sehr alter Zeit und sie recrutirten sich anfangs aus den Ber- brechcru. Allmälig vertraute man ihnen dann die Dienst leistungen an; besonders in Gunst standen sie im zweiten nachchristlichen Jahrhundert bei Kaiser Ling-ti aus der Han- Dynastie. Schließlich wurden sie aber so mächtig, daß sich Verschwörungen unter den Großen des Reiches gegen sie bildeten, denen sie jedoch mit grausamer Gewalt ein Ende machten. Im Jahr 784 brachen überall im Reiche Auf stände gegen sie aus und wurden nur mit Mühe und mit Hülfe der rücksichtslos ungezogenen Steuerschraube unter drückt. Mehrere Kaiser wurden von den Verschnittenen vom Throne gestoßen oder ermordet, und letzterer oft ganz nach ihrem Gutdünken und mit ihnen ergebenen Prinzen besetzt. Hwait-song, der achte Kaiser der Song-Dynastie, begünstigte einige Eunuchen so sehr, daß er ihnen Aemter und Würden verlieh, welche sonst ausschließlich Prinzen von Geblüt Vorbehalten waren. Doch schon sein Nachfolger Hong-wu verfügte, daß kein Verschnittener weder ein bürger liches noch ein militärisches Amt bekleiden dürfte. Die gegenwärtig herrschende Mandschu-Dynastie hält sie viel strenger als alle vorhergehenden von den Staatsange legenheiten fern, ohne sie jedoch ganz zu unterdrücken. Viel mehr hat die Hofintendantur nach wie vor die Aufgabe, ihren Bestand vollzählig zu erhalten, und eine Summe von 8 bis 10 Taül (50 bis 60 Mark) reicht hin, uni arme Leute zur Auslieferung ihrer Söhne zu bringen. Uebrigcns ist es durch besondere Gesetze Privatleuten verboten, Eunuchen zu halten, wie auch die Zahl derer, welche die Prinzen von Geblüt besitzen dürfen, gesetzlich scstgestcllt ist.