Volltext Seite (XML)
130 Peking und Umgebung. sch an oder Berg der Nephrit-Quelle, und östlich davon der mit reicher Vegetation, namentlich Fichten, bedeckte Wan- schüu-schan, und zwischen beiden entspringt eine reiche klare Quelle, mit deren Wassern schon im zwölften nachchristlichen Jahrhundert die Kaiser der Kin-Dynastie einen großen dort gegrabenen See speisten. Das Wasser fließt dann imBvgen nach Südosten, erreicht die Hauptstadt an der Nvrdwestecke und füllt die Grüben, welche die tatarische und chinesische Hälfte derselben rings umziehen, sowie die Reihensolge von Seen, welche das kaiserliche Quartier beleben. Diese lieb liche Gegend lockte schon frühzeitig die Herrscher Chinas an, und schon die Kin-Kaiser erbauten auf dem W-tsüan-schan ihre Sommerpalüste, deren Reste noch sichtbar sind. Kaiser- Kang-hi gab den dortigen Anlagen um 1700 ihre heutige Gestalt, während die Bauten des benachbarten Wan-schüu- schan von Kaiser Kien-lung aus der zweiten Hälfte des vo rigen Jahrhunderts stammen. Wie bekannt, mußte im Sep tember 1860 dieser Sommerpalast und der von Püan- ming-yüan (östlich vom Wan-schüu-schan in der Ebene) für die Grausamkeiten büßen, welche die Chinesen an eng lischen Gefangenen verübt hatten; schon von Ferne zeigen heute rauchgeschwärzte Ruinen von Tempeln, Palästen und Pagoden die Spuren von der Wirksamkeit der englischen Bomben und des Feuers. Als im Winter 1872 bis 1873 der junge, seitdem (1874) wieder verstorbene Kaiser Tung-tsche mündig wurde und damit zur Regierung gelangte, richtete er sein ganzes Streben auf drei Dinge, die er während der strengen Zucht seiner Minderjährigkeit nicht hatte erreichen können: er aß im Ucbermaß Zuckerwerk und Süßigkeiten, er wollte die THUrme der französischen bischöflichen Kirche, welche Uber die Gartenmauern seines Palastes ragen, durchaus verkürzen und drittens die Sommerresidenz Püan - ming - yüa» (d. i. Gärten der vollkommenen Reinheit) wieder Herstellen, um dort vor seinen: Tyrannen, dem Ministerium des Ritus, wenigstens zeitweilig Ruhe zu finden. War der Unglückliche doch die ersten achtzehn Jahre seines Lebens in dem Pekinger Palaste eingesperrt gewesen und hatte dieses große Gefäng- Der Hügel M-tsüan-schan. Im Vordergründe der Piknik-Pavillon. niß nicht verlassen dürfen! Sein früher Tod hat diese Er neuerungsversuche wahrscheinlich auf lange Zeit, wenn nicht auf immer, vertagt. Bon den drei erwähnten Gartencomplexen, die genau unter 40" nördl. Br. ungefähr in einer geraden Linie von Westen nach Osten sich hinziehen und denen sich westlich und höher im Gebirge noch ein vierter für die kaiserlichen Jagden bestimmter Park, der Hiang-schan ^), anschließt, wird von r) Wir verweisen hier nochmals behufs näherer Oricntirung auf Karte und Tert von Dr. E. Bretschneider's vortrefflicher Arbeit „Die Pekinger Ebene und das benachbarte Gebirgsland" (Ergänzungs- Heft Nr. 4S zu den Petermann'schen Mitthcilungen), wo die kaiser lichen Sommerpaläste auf S. 22 bis 24 behandelt werden. Dort wird besonders auch des Parkes Hiang-schan als eines herrlichen Fleckchens Erde gedacht, dessen Reize schon die Kin-Kaiser im zwölf ten Jahrhunderte anzogcn. Schattiger Wald besonders von chinesi schen Fichten und anderen Nadelhölzern, doch auch von mancherlei Laubbäumen und Gcsträuchcrn, bedeckt das ganze große Terrain. Alte Marmorbrücken führen über die Schluchten; überall sprudeln silbcrklare Quellen, bilden Bassins und rauschen daun der Ebene zu. Die Tempel und anderen Gebäude sind freilich dem Verfalle preiSgcgcbcn; aber die Natur hat nichts von ihrem Zauber verloren. den Fremden zumeist der Wan-schüu-schan (d. i. Berg der zehntausend langen Lebenszeiten) besucht, dessen Besich tigung wie die der anderen Gärten sich unschwer mit Geld erkaufen läßt, während man den in der Ebene liegenden Man-ming-yüan nur verstohlener Weise betreten kann, in dem man die vielfach schadhafte Mauer übersteigt. Niemand kommt eben nach Peking, ohne daß sich irgend einer seiner Bckannten verpflichtet fühlt, ihm Wan-schüu-schan und auf »Tiefe feierliche Ruhe herrscht gewöhnlich in diesem herrlichen Walde und friedlich äsen große Rudel Hirsche (der gefleckte Oervrw Lxis) das saftige Gras. Mau hört nichts als das Plätschern des Wassers und das laute Singen der Cicaden, dazwischen wohl auch das melodische Pfeifen des Pyrols (Oriolus coobinebiueusls). Und welch' bezaubernd schöne Aussicht genießt man, wenn man den Gipfel des wohl 1000 Fuß hohen Berges erreicht. Zu Küßen liegt die stolze Pagode von Vü-tsüan-schan, dahinter der blaue See mit seinen Inseln und schneeweißen Marmorbrücken, der grüne Hügel von Wan-shou-schan mit seinen malerischen Rinnen und die aus gedehnten Gärten von Mian-ming-yüan. Weiter nach Südwestcu sieht man von Ncbcldnft umflossen das gewaltige ummauerte Viereck, welches die Residenz vorstellt und aus dessen laubreicher Mitte sich der zugespitztc Mcishan-Hügel in der Kaiserstadt erhebt."