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chen erweitert. Sieben Marmorbrücken, die „Brücken der Goldenen Woge", führen über diesen Theil des Grabens, und zwar entsprechen fünf davon ebensoviel Eingängen eines kolossalen Thores, welches ein großer zweistöckiger Pavillon überragt. Dieses Thor (Tien-ngan-mcn oder Thor der himmlischen Ruhe) führt in einen zweiten Hof, den nördlich ein gleiches Thor, das „des Ursprungs", abschließt, während sich zur Rechten und Linken (d. h. östlich und westlich) je ein großer Tempel inmitten von Gartenanlagen erhebt. Der östliche ist den Vorfahren der jetzigen Dynastie geweiht und mißt nicht weniger als 972 Meter im Umfang; es ist ein wahrer Palast mit mehreren großen, reich bemalten und vergoldeten Sälen, deren einer die nach Süden gerichteten Tafeln birgt, auf denen in Goldschrist die Namen und die nach dem Tode verliehenen Titel der verstorbenen Kaiser und Kaiserinnen bis hinauf zu dem Urgroßvater des Herr schers prangen. Die Tafeln der weiter zurückreichendcn Grade sind bei Seite gestellt. Der Tempel hat zwei Seiten flügel ; im östlichen wird den Prinzen geopfert, im westlichen den um den Staat verdienten Leuten. Zu diesen bei Tages anbruch stattfindenden Opfern werden die Prinzen und hohen Würdenträger cingcladcn. Ist das Opfer vollendet, so müs sen die Anwesenden vom Opfermahle, das aus gekochtem Specke besteht, essen, so unangenehm auch diese Speise so früh am Morgen ist. Wehe demjenigen, welcher da nicht ordentlich zulangt; denn daraus würde der Kaiser schließen, daß der Betreffende kein gutes Gewissen hat, während er die starken Esser lobt und belohnt. — Findet bei Hofe ein er- Moschee der rothmützigen Mohammedaner beim Pekinger Palaste. Mach einer Photographie.) freuliches Ereiguiß, wie eine Geburt oder eine Hochzeit, statt, so beauftragt der Kaiser einen hohen Beamten, dasselbe in diesem Tempel Himmel und Erde anzuzeigen; und zwar ge schieht dies von dem Pavillon des Thores der himmlischen Ruhe herab. Von herzuströmendem Volke ist dabei keine Rede; man stellt nur der Form halber eine Deputation aller Stände zusammen, welche auf dem Vorplatze niederkniet. In einem Fenster jenes Pavillons steht ein goldener Phönix mit ausgebreiteten Flügeln; von seinem Schnabel hängt au Fä den von fünf Verschiedenen Farben eine silberne Wolke herab, welche den Papierstreifen mit der kaiserlichen Kundmachung trägt. Ein hoher Beamter wirft sich auf die Knie, empfängt die himmlische Botschaft und liest sie der Versammlung un ten vor, welche auf Cvmmando sich verbeugt und niederwirft. Darauf wandert die Kundmachung in das Ministerium für deu Ritus und weiter in das Archiv. Dem oben beschriebenen Tempel steht westlich ein noch größerer von 2680 Fuß Umfang gegenüber, welcher den Erd- und Himmelsgeistcrn Sehe und Tsi geweiht ist. Er umschließt einen Altar, der aus zwei Uber einander liegenden Marmorquadern von je 5 Fuß Höhe gebildet wird. Der Fußboden ringsherum besteht aus gestampfter Erde von fünf verschiedenen Farben, wodurch symbolisch die verschiedenen Himmelsrichtungen augedeutet werden. Ebenso ist die innere Umfassungsmauer mit Ziegeln von fünf verschiedenen Far ben bekleidet: Grün zeigt den Westen an, Weiß den Osten, Schwarz den Norden, Roth den Süden und Gelb den Mittel punkt der Welt. Alles bisher Beschriebene nimmt kaum den