Volltext Seite (XML)
112 Aus allen braucht man sich nicht weit von der Hauptstadt zu entfernen, um die landesübliche Bastonnade auf die Fußsohlen officiell anordnen und vollziehen zu sehen oder wenigstens zu hören; denn bei Annäherung eines anständig gekleideten Europäers pflegt man aus einem Rest von Schamgefühl mit der Miß handlung inne zu halten. In entfernteren Provinzen legt man sich indeß auch hierin keinen Zwang auf. Genau ebenso steht es mit den Maßregeln zur Verhinderung des Sklaven handels , in dem nicht nur der Mohammedaner kein Unrecht erblicken kann, sondern der auch bei den Negern selbst eine seit undenklichen Zeiten bestehende Institution darstellt. Allerdings steht der Ncgerhaudel nirgends in höherer Blüthe, als da, wo die vordringende Handels- oder kriegerische Be wegung (beide pflegen dort Hand in Hand zu gehen) den Muselman in Berührung mit noch unerschlossenen Gebieten schwarzer Bevölkerung bringt. In Chartum wundert man sich, daß jetzt gar kein Kupfer und keine Glasperlen mehr, wie ehedem, zum Eintausch des Elfenbeins den Fluß hinauf gehen, und daß trotzdem letzterer Artikel in so großen Quan titäten herabkommt. Das Räthsel löst sich, wenn wir erfahren, daß das Elfenbein mit geraubten Rindern und mehr noch Sklaven bezahlt wird. Letztere werden von allen Häuptlin gen, oft aus zweiter und dritter Hand eingetauscht, auf La ger gehalten und oft auch an die arabischen Händler von der Ostküste abgesetzt, welche letzteren sich auch ohne Annahme von Elfenbein für ihre Waare bezahlt machen können. So hat die Erschließung der Handelswege nach Osten und Norden die traurige Folge gehabt, daß alle eingeborenen Stämme Sklaven begehren und an Zahlungstatt annehmen. Wir constatircn ausdrücklich, daß dieser schändliche Verkehr unter den Augen der ägyptischen Behörden stattfindet, und berufen uns dafür auf das Zeugniß des leider so früh ver storbenen L. Lucas, dem man wohl auch als unwillkommenen Zeugen der von ihm verabscheuten „atrooitiss" nach Kräften Hindernisse in den Weg gelegt haben mag. 4- * * — Die Marmorbrüche auf der Insel Paros waren bisher von dem modernen Griechenland weniger ausgebeutet worden, als von dem alten, welches viele seiner bedeutendsten Sculpturen aus demselben fertigte. Seit den vierziger Jah ren war zwar in den Brüchen am Eliasberge wieder gear beitet worden; doch war dies nur mit geringen Mitteln und in geringer Ausdehnung geschehen. Wie jetzt aus Athen be richtet wird, hat sich eine Gesellschaft von Griechen und Eng ländern gebildet, welche den Betrieb der großen Marmor brüche übernehmen und in rationeller Weise führen wird. Die Brüche sollen durch einen Schienenweg mit dem Hafen verbunden werden, wobei eine ans dem Alterthume stam mende Straße großentheils neue Benutzung finden wird. — In der Geographischen Gesellschaft zu St. Peters burg hielt am 20. December der Ingenieur Muschketow einen Vortrag über den Thian-schan, welches Gebirge der Redner durch zweijährigen Aufenthalt daselbst genau kennen gelernt hatte. Die interessante Frage, ob der Thianschan, wie die Chinesen und nach ihnen Humboldt und andere For scher aunahmen, ausgebreitete Herde vulcanischer Thätigkeit enthalte, glaubte der Redner entschieden verneinen zu können. Nach seinen Beobachtungen lassen sich die vermeintlichen vul- canischen Erscheinungen des Gebirges auf brennende Kohlen lager zurückführcn, die in jenem Berggebiete vielfach auftre ten. Nur über die vulcanischen Eigenschaften des Peschan am Südabhange des Thianschan bleibt noch nähere Aufklä- Erdtheilen. rung abzuwarten Z. Die Frage, ob eine frühere Eiszeit ähnlicher Art wie in Nordeuropa durch ausreichende Spuren im Thian-schan nachzuweisen sei, kann nach Herrn Muschketow's Ausführungen noch nicht mit Sicherheit beantwortet werden. Auch der Vicepräsident der Geographischen Gesellschaft, Herr Semjonow, sprach die Ansicht aus, daß weitere Untersuchun gen nöthig seien, um die Frage ihrer Lösung entgegenzufüh ren. — Die neueste russische Expedition nach dem Alai-Gebirge bringt reiche naturwissenschaftliche Schätze heim. Die höchsten von der Expedition gemessenen Punkte des Alai sind 15,500 und 14,500 Fuß hoch. Die Aufnahmen des Obersten Lebe dew umfassen 3700 Ouadratwerst. — Herr Poljakow, Conservator am Petersburger Museum, welcher im vorigen Jahre im Auftrage der rus sischen Akademie den Ob und den Irtysch behufs ichthyolo gischer Forschungen bereiste, theilt folgende Einzelheiten mit, welche das bekannte Baer'sche Gesetz über die Ablenkung nordsüdlich oder südnördlich fließender Ströme bestätigen. Der Irtysch, dessen Bett in lockeres Depositum eingeschnitten ist, unterwühlt beständig sein rechtes Ufer, da er, auf der nördlichen Hemisphäre von Süden nach Norden fließend, aus Gebieten von schnellerer Erddrehung in solche von geringerer Drehung gelangt und so der in höheren Breiten herrschenden Erdbewegung voraneilen, d. h. nach Osten oder rechts hin abgelenkt werden muß. In jedem Frühling wird dergestalt ein Uferstreisen von 30 bis 50 Fuß Breite vom Wasser zer stört, und mitunter fällt plötzlich selbst eine Erdmasse von 70 bis 140 Fuß Breite und über 400 Fuß Länge in den Strom. Dadurch wird der Lauf desselben für kurze Zeit ge staut und stromauf und stromab fluthet eine mächtige Woge, welche auf mehrere Meilen hin die an der Arbeit befindlichen Fischerboote zerstört. Hinterdrein finden sich am Strande große Mengen todter Fische, welche in dem schlammigen Wasser erstickten. Da diese Zerstörung des rechten Ufers stetig fortschreitet, so rücken gleichzeitig auch die Ortschaften langsam mit gegen Osten, und Demiansk z. B. ist in den letzten 240 Jahren etwa eine engl. Meile weit fortgewandert. Am linken Ufer dehnt sich flaches, mit Tümpeln und Sümpfen bedecktes Land, das alljährlich überschwemmt wird, aus, wäh rend das rechte Ufer bis zu einer Höhe von 70 bis 150 Fuß steil austeigt. Dieselben Erscheinungen finden sich am Ob, wo die Berge von Bjclogorje, etwas unterhalb der Einmün dung des Irtysch, den Hauptflußlauf jetzt zur Rechten haben, während er früher links von ihnen lag, und jetzt dort nur noch ein Nebenarm fließt. Solche alten Stromarme bilden auf dem linken flachen Ufer des Ob eine Reihe langgestreck ter Teiche und Canäle, welche mit dem Hauptstromlaufe durch ein wirres Netz kleinerer Wasseradern in Verbindung stehen. — Prschewalski verließ bekanntlich (s. Globus XXX, S. 288) am 11. August 1876 Kuldscha, um zunächst in lang samen Märschen, damit er den Charakter des Thian-schan besser studiren und mit den Gebirgen von Kan-su vergleichen könnte, Karaschar in Ostturkestan zu erreichen. Eine zweite Nachricht von ihm vom 25. October lief per Telegramm über Wjernoje an die Russ. Geogr. Gesellschaft ein; sie lautet: „Nachdem ich am 14. October den Thian-schan überschritten, befinde ich mich 15 Werst von Karaschar. Unterwegs keine Bevölkerung getroffen. Absolute Höhe des Juldus-Plateaus etwa 7000'. N. Prschewalski." i) Ucber die unanfechtbare Auffindung eines erloschenen VulcanS am Südabhange des Thian-schan durch den verstorbenen Dr. F. Stoliczka s. „Globus" XXVI, S. 220. Red. Inhalt: Eine Reise in Griechenland. (Nach dem Französischen des Hrn. Henri Belle.) V. (Mit fünf Abbil dungen. Fortsetzung in einer spätern Nummer.) — Petitot über die Eskimos am Mackenzie und Anderson. (Mit einer Abbildung.)— A.Zehme: Aus und über Arabien. II. — Schluß vonDr. Finsch's Forschungsreise nach Westsibirien. IV. — Aus allen Erdtheilen: Aberglaube bei den österreichischen Serben. — Der Sklavenhandel am obern Nilgebiet. — Verschie denes. — (Schluß der Redaction 20. Januar 1877.) Redacteur: Dr. R. Kiepert in Berlin, S. W. Lindenstraße 13, III Tr. Druck und Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn in Braunschweig.