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102 Eine Reise in Griechenland. und konnte dann leicht vom Meere abgeschnitten werden. Dank dieser Lage hat das Schloß mehr als eine Belagerung durch Genuesen und Türken glücklich ausgehalten, und die Griechen, welche sich während des Freiheitskampfes dorthin geflüchtet hatten, wurden gar nie beunruhigt. Seine Archi tektur bietet nichts Interessantes. Weiter fuhr der „Ajaccio" durch den Canal, welcher die langgestreckte, felsige und säst unbewohnte Insel Cheli- dromia von Skopelos trennt, und vorüber bei zahlreichen Felsinselchen und Klippen, die nur von Fischern zum Muschelfange besucht werden, nachSkhros, wo eine spätere Sage Achilles seine Jugend verleben läßt. Es ist die größte unter den nördlichen Sporaden, aber weniger bevölkert als. Skopelos (es zählt wenig Uber 3000 Einwohner), da der Boden felsig ist und namentlich im Süden schlecht für Acker bau sich eignet, obwohl das Eiland reich an Wasser und selbst kleinen Bächen ist. Dasselbe besteht aus zwei Berg- massiven, welche durch einen nur eine halbe Stunde breiten Isthmus Zusammenhängen. Von Westen tritt dort die Ka- lamitza-Bay in das Land, von Osten die Bucht Achili, welche wahrscheinlich den Namen eines antiken Heiligthumes (Achil- leion) des Helden, den die Tradition von dort aus gen Ilion fahren läßt, bis auf den heutigen Tag bewahrt hat. Die Stadt Skyros liegt von der Achili-Bay etwa eine Stunde nördlich; sie ist arm und unansehnlich, und die ehemalige Burg, welche ihre Mitte krönt und das einst hochbcrühmte Kloster des heiligen Georgios einschließt, elend und verfallen. Einst wirkte des Heiligen uraltes Bild aus ciselirtem Sil ber Wunder und verschaffte den Mönchen reiche Einnah men, die aber schon vor Jahrzehnten bedeutend nachließe». In der Nordhälfte der Insel steigt der Berg des hei ligen Elias zu 384 Meter empor, bedeckt mit niedrigem Lentiscus, Myrthen und immergrünen Eichen, welche die überall weidenden Ziegenherdcn nicht aufkommen lassen. Aber das war zu keiner Zeit anders auf der Insel, deren Hauptruhm neben dem Marmor in alten Zeiten die Zucht besonders milchreicher Ziegen ausmachte. Höher ist die süd liche Hälfte, welche fast ganz von rauhen und kahlen, nur in den obersten Theilen mit Eichen, Buchen und Kiefern bestandenen Bergen erfüllt ist. Der Kokkila erreicht dort Die Stadt Skyros mit der Burg. 782 Meter Meercshöhc. Auf ihm fanden der Tradition zufolge die Athener das Grab des TheseuS, der einst dorthin geflüchtet und durch Lykomedes, den Herrscher von Skyros, von einer Klippe herabgcstürzt worden war. Ein unschein bares Mal umschloß die Reste des attischen Helden, bis nach siebenhundert Jahren Kimon auf Befehl des Orakels seine Gebeine aufsuchte, nach Athen überführte und die Insel den Athenern unterwarf, welche wohl die Erfinder jener Sage waren, da sie ihnen erwünschte Ansprüche auf die von see räuberischen Dolopern bewohnte Insel verlieh. 130 Jahre später verloren die Athener sic an Philipp von Makedonien; im Jahre 196 erhielten sie dieselbe durch die Römer zu rück. Später folgten sich, wie überall im Archipel, Byzan tiner, Venetianer und Türken in ihrem Besitze. Ani folgenden Morgen umfuhr das Schiff die Südspitze der Insel und richtete seine Fahrt nach dem über 20 See meilen entfernten Euböa, gerade auf den schluchtenreichen, tannenbedeckten Delphi los. In einer weiten Bay geht cs vor Anker, wo die Marina von Kumi, einige Kaffeehäuser und Magazine, steht, während der Ort selbst, das alte, in der Geschichte fast nicht erwähnte Kyme, die Mutterstadt Cumä's in Campanien und des kleinasiatischen Kyme, mit seinen Gärten und Feldern oben auf einem Plateau liegt. Der wcitgebaute Ort mit seinen 3200 Einwohnern zeigt ein Leben und eine Geschäftigkeit, welche mit der Stille und Starrheit der eben besuchten Inseln stark contrastirt. Als einziger Hafen auf der Ostküste der Insel vermittelt er natürlicher Weise die Ausfuhr der Ackerbauproducte, welche in den wohlbewässerten und dörferreichen Thälern des Dclphi- Gcbirgcs und an der Küste wachsen. Infolge dieser Frucht barkeit und dichter» Bevölkerung sind die Ruinen mittel alterlicher Wachtthürme nirgends zahlreicher als in der Umgegend von Kumi. So weit das Auge reicht, dehnen sich Weinberge aus, deren Erzciigniß, so schlecht es zubereitet wird und schmeckt, Gegenstand eines bedeutenden Handels und eine Quelle des Wohlstandes für die Bewohner ist. Mehr Sorgfalt in der Cultur und der Auswahl der Trau ben, mehr Achtsamkeit bei dem Gährcn und einige Ver besserungen in den Gcräthen würden den Absatz ungemein steigern und vielleicht zur Folge haben, daß dieses euböische