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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration« Preis 22j Sgr. (j Thlr.i vierteliihrlich, 3 Thaler für da- ganze Jahr, ahne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man prönumerirt auf diese« Beiblatt der Allg. Pr. Staar« Zeitung in Berlin in der Expedition (Mohren - Straße Nr. 34); in der Propin» so wie im Auslände bei de« Wohilöbl. Post - Aemtecn. Literatur des Auslandes. 133 Berlin, Mittwoch den 6. November 1833 England. Bilder aus der Englischen Provinz. Der große Mann im Privatleben. Der gewichlvollste Mann m dieser Gegend — ich gebrauche da« Werl in dem Sinne von Omuis I« Aron und nicht f,num 1« ßrunil — der gewichlvollste Mann nm wenigstens einen daide» Ecnl- uer ist unser würdiger Nachbar Slepban Lane, der Viehmästcr, wei land Schlachter zu B. Seil dem Kerkermeister Lambert und dem Lässen von Durham hat man nichts so Dickes gesehen. Wenn er aus der Straße geht, so nimmt er das ganze Pflaster ein, und es ist schwerer, vor ihm vorbcizulommeu, als vor einer Steche wohlgeputzler mit weilen Aernieln versehener DemoiscUcs oder einer Kelle Dau- Lie s in ihren Schollischen Mänteln. Ein witziger Advokat, der ein mal eine Pflaster-Ordnung surrt en allen Ort B. entwarf, nahm darin einen Artikel aus, welcher unserem Lane befahl, aus der Milte Ler Straße zu bleiben, gleich den Frachlwagen, .karren, Landkulschen und anderen schweren Artikeln. Stühle krachen unter chiu — So- phaS wanken, — Polster ächzen und die Dielen zittern. Ec bneb einst auf einer etwas schmalen Treppe stecken, und wurde i» einem Thorweg eiugellemnn, und cnlging dem Schicksal, aus einem Omni bus geworfen zu werden, nur dadurch, daß es ihm moralisch und phv- sisch unmöglich war, hineinzukoiumen. Wenn er vor einem Fenster vorbeigehl, so hat das vsl die Wirkung einer Sonncnfinsterniß, oder als wenn man die dunkle Seile einer Blendlaterne auswärts kehrt. Er verdunkelt das Licht, gleich keui Othello. — Ein Witzling unserer Stadt, seines Gewerbes ein Inspektor, der sich mit Skalhseimacheu abgicbt und keine unbedeutende Figur unter den Jeilu-.gs-Dichter lingen der Grasschasl spielt, machte einst ein Rälhscl auf seine Per son, welches, da cs ein so bcdruicndcs und wohlbekanntes Individuum betraf, (denn fast jeder Leser des lliiinznrlii,-,-Iloriilck war irgend ei» mal rin Kunde unseres Schlächters) die Ehre halte, mehr Leute am Sonntag Morgen beim Frühstück den Kopf anzustreugcn und allgemeinere Aufmerksamkeit zu erregen, als diesem Journal je zu Theil wurde. Eine schreckliche Mordgeschichtc, zwei Schiffbruche, eine Entführung und eine Hinrichtung, Alles wurde überschlagen, als unbedeutende Sachen gegen das Interesse, welches diese literarische harte Nuß erregte. Dieses kleine Späßchen machte, daß Hr. Star», Controlleur und zugleich Lichter, bet seinem Kaffee so lange rauchte, bi« er kalt war, daß Miß Anna Maria Watkins, die Klczdcrmache- rin, sich so lange den Kops mir Rathen zerbrach, bis die Glocke zur Kirche läutete und sie kaum Zeit batte, ihre Haarwickel anszuma- chen und ihre Locken zu ordnen. Es war allerdings nur ein nnbe deutender Scherz, indeß da die feinsten und gebildetsten Leser des lluinjiLliiro-lloralil darüber brüteten, so dürste cs vielleicht nicht we niger seine unter unseren Lesern geben, die sich ebenfalls daran ver suchen möchten; wir wollen e« daher zu ihrer Erbauung mit der Antwort bierber setzen, welche in dem Hiunznchire - Iloe-sill nicht eher erschien, bis er das Publikum 8 Tage lang in gespannter Erwartung gelassen Halle: Frage: ,,Worin gleicht Herr Lane dem Reuibrandl? — Antwort: Darin, daß er ebenfalls wegen der Brcuc seines Schar ren« berühmt ist." Die Länge seine« Schatten«, obgleich kcineswege« in Verbäsi- niß zur Breite, — denn sonst hätte er an die Tage erinnert, al« die Riesen noch aus Erden wandelten, — war dennoch von hübscher Dimension. Er reichte 6 Fuß 2 Zoll Über seine Schube hinan«, und Lane baue für einen hoben Mann gelten können, wenn seine Dicke nicht jede Idee von Länge verschlungen hätte. Da« herrliche ftonu istoal eines menschliche» Berges, da« fette Weib von Brent ford, für welche Sir John Fallstaff, »ich, allein unemdeckt, sondern unverdächtig passtrte, stellte sich mir nie ander« dar, al« wie rin weiblicher Mr. Stephan Lane. Die Schneider, obgleich er gut und pünktlich zahlte, sürchtclcn seine Kundschaft. Sic konmcn c«, so viel sie auch forderten, nicht dahin bringen, an« seiner ,,ungebkuren Runde" einigen Nutzen zu ziehen. Es war nicht bloß die Menge de« Stoffe«, die er brauchte — und doch war da« allgemein so ge nannte breite Tuch für jhn nicht breit genug — e« war nicht das Zeug, sondern die Arbeit, da« Nähen, Steppen, Knopflöcher machen ohne Ende, wa« sie abschrcckie. Die Scheer« selbst ermüdete unter der Arbeit. Ma» batte unter der Zeil und von dem Stoff, der zu einem Kleide dc« Herrn Stephan Lane erfordert wurde,, zwei Mode- Anfügt verfertigen können. Zwei, sag ich — wohl drei oder vier, wobei auch noch Lappen abgesallen wären, wa« bei seinen Röcken oder Wcsten nie der Fall war, nicht so viel, um eine Fcderspule zu überziehen. Die Zuschneider mochten sein Kleid noch so weit schnei den, e» sand sich immer zu eng, alle ihre Maße reichten nicht um ihn herum, nur ein Schneider, der seine Verhältnisse nach dem Au genmaß hätte beurlheiten wollen, hätte e« eben so leicht unternehmen können, die Limensioncn eines Schiffes von 74 Kanonen zu berech nen oder die eines Dreidecker« genau zu treffen. Handschuhe und Strümpfe wurden für ihn besonders gemacht; doppelt und zwiefach doppelt war mchis für ihn. Was machte ter Kaufmann für Augen, al« er zum ersten Male seine ungeheure Faust sah, eine Faust, die einen Ochsen sallcn konnte, und die selbst an Derbheit unk Farbe einige Acbnlichkcit mit dem Fleische todicr Ochsen, welche« man Rindfleisch nennt, hatte. > Die Wahrheit zu sagen, halte sein Gesicht so ziemlich die näm siche Farbe, und doch war es kein unangenehutes Gesicht, im Gegen- thcil, cs war rin kühne«, derbes, massive« Englisches Gesicht, wie es Holbein gern malte, in welchem große Manubaftigkeit und Entschlaf scnhrit nnt vieler Gulmülhigkeit und etwa« Humor sich mischte, so daß, selbst wenn die Züge in scheinbarer Ruhe waren, Jeder sich lcichi denken konnte, wie dies Gesicht ausschc» würde, wenn ein brei te« Lächeln, ein schlauer Blick, rin schelinischcr Wink und ein angc- nomtUkuer Ernst auf der breiten Stirn dem plunipen aber lustigen Handel«uiann sein gewohnte« drollige« Ansehen gäbe, auf den man das Ebinesische Kompliment sebr passend anwendcn konnte: „Glück seligkeit ist ans Dein Gesicht gemalt." Stephan Lane war jedoch nicht immer in so gedeihlichen Um ständen oder so berühmt wegen der Brenc scines Schalten« gewesen Ursprünglich ein Findling in den Strafen von B., verdantlc er sei nen Namen dein Umstande, daii er, dem Anscheine nach, acht Tage alt, in einen, schmalen Nebcngaßchc» nahe am St. Stephan« Kirch hof gesunden und sogleich aus Befehl des Kirchen Vorstandes ge tauft wurde. Man schickte ibn in da« Armenhaus des Kirchspiel«, und hier, vermöge seiner wirllichcn otcr eingebildeten Aebnsichkrit mit dem Kinde der Hausmeisterin, welches sic eben verloren Halle, gewgnn er ihre Neigung und wurde durch ihre Sorge nicht allein den pbvsische», sondern auch de» luoralifchru Gefahren cnizogen, die seiner Kindbeit an einem solchen Orte gedroht Härle». Liebevoll, doch roh erzogen, war Slephan Lane schon al« Knabe ausgczcichnel dnrcb Slärkc, Kühnheit imd unverwüstliche Guimüibig- keil. Zu zehn Jahren nahm er es mit jedem Burschen unler 15 auf und trug den Sieg davon, und er wäre in hundcrl Schlägereien verwickel! worden, hällc ibn nicht erstens die Gönnerschaft seiner Palronin, der Frau des Obcr-Ausseher« unk Herrn der Anstalt, deren Liebling er fortwährend war, zweitens sei» eigene« kübues und ent- schlossenes, aber freundliche« »ne guimülhiges Tciuperamenl geschützt. Nie baue ein Knabe von zehn Jahren mehr Freunde al« der arme Findling im Sl. Stephans Armenbau«. E« gab kaum ein Mitglied Lieser bunt gemischten Gesellschaft, da« nicht zu irgend einer Zen von dem guimllibigcn, allezeit dicnstferiigen, munteren, an Hülssiuit- lcln reichen Knaben Nutze» gezogen bäiie. Meister Hunt'« Krücken au«znbessern, Frau Green'« Kinder zu wiegen, da« Wasser zur gro ßen Wäsche bcrbeizutragen, eine Arbeit, die einen, HcrknlcS zu schas sen gcmachl batte, oder den bald blinden und halb verrückren David Hood täglich spazieren zu sichren, ein Werk, welches Hiob's Geduld besiegt baue, nichi« von dem Allen war ihm ungetegrii, er Ibat Alle« mii derselben mumercn Giuwilligkcit, und die herzliche Dankbarkeit, mit welcher er eine erzcigtc Güte empfing, war noch anziehender, al« seine Bereitwilligkeit, Anderen guie Dienste zu erweisen. Ich frage, gab es je glücklichere Kindcrjahre, als die dc« verlassenen Wai senknaben? Außer einer gewissen Kampflust, die er nul anderen herzhaften und mutbigen Tbieren gemein Halle, und welche seine Gönnerin, die in ihrer Jugend einige feuer — leider »ich« mehr cristucntcn — Romane gelesen baue, in welchen die Findelkindcr sich am Eiide imniec als Lords oder Herzoge auSwcisen, al« einen Beweis ihrer Lieblings-Theorie geltend machte, daß er nämlich adlig und von hohen, Geblüt geboren sc», und außer einigen Feinde», die er sich in seinen Faustkämpsen an seinen besiegten Gegurr» zuzog, hatte Stephan keinen Feind in der Weit. Als er jedoch zehn Jahr all war, fing die Liebe zur Unabhän gigkeit und der Wunsch, sei» Giück in ter Well zu versuchen, au, den muiueren Burschen zu stacheln, und seine gütige Freundin und Vertraute, ckie Frau de« Hau«>:>eistcrS, versprach ihm bcreiiwillig ihren Beistand, um ihn in den Stand zu setzen, aus Abenteuer aus zugehen, wicwvbl fit kein geringes Aergcruiß Lacan nahm, z» finden,