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Wöchentlich erscheint» drei Nummern. Pränumeration«- Prci« 224 Sgr. Thlr.j vierteljährlich, 3 Thaler sür da« ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumerirt auf diese» Beiblatt der Allg.Pr. Staats- Zeitung in Berlin in der Expedition (Mohren - Straße Nr. 34); in der Provinz so -wie im Auslande bei den Wohllöbl. Post - Aemteru. Literatur des Auslandes. 136. Berlin, Mittwoch den 13. November 1833. Italien. Ueber die diesjährige Kunstausstellung in Mailand. Zudem wir uns anschicken, eine Charakteristik der vornehmsten Knnsiwerke zu geben, weiche die diesjährige Ausstellung in den zu diesem Zwecke bestimmten Sälen des Palazzo di Brera in Mailand imposant machten, glauben wir auch die Deutschen Leser damit zu ersreuen, da es wohl immer interessant bleibt, über den Zustand der Kunst in dem eigentlichen Vaterlande derselben einige nahrcre De tails zu besitzen. Ohne weitere allgemeine Bemerkungen und Hin weisungen, da sich diese voll selbst aus der Darstellung des Einzel nen ergeben, schreiten wir sogleich an« Werk und erlauben un« zu nächst, von zwei Monumenten zu sprechen, von denen da« eine al« Modell auf einem Absatz der großen Treppe jenes Palastes, das an dere unter de» oberen Portiken sicht, durchs welche man zu den Sä len der Ausstellung gelangt. Monumente. Das erste, dem Andenken des Marchese Cä sar Beccaria geweiht, der jenes berühmte Werk ,,Ueber Vergehen und Strasen" (l^oi flolittr « clollo z>»-no) schrieb, besteht aus einer kolossalen Slaiuc aus einem ihrer Große angemessenen Picdestal: die verdiente Socielät <><-->! orionisti, die es über sich nahm, ihr Vaterland von cmcr so heiligen Schuld zu befreien, übertrug die Ausführung der Idee dem kunstreicben Meißel de« Ssmers Pom peo Marchesi, Proseffors der Bildhauerkunst an der Akademie, der diese wichtige Ausgabe ganz befriedigend löste. Wirklich scheint sich der Künstler durch seine großartige Ausführung mit dem großen Manne, den er bilden sollte, aus gleiche Stufe gestellt zu haben. Die Stellung kann nicht angemessener und ekler gedacht werden. Da der bcxühmic Rcchtsgelcbrle unicr Len Anspielen der Kaiserin Ma ria Theresia in demselben Palaste, wo ihm das Monument errichtet worden, seine Vorlesungen hielt, so stellte ihn der Künstler dar, wie er, aus einem Katheder sitzend, die rechte Hand erhebt, als ob er seine Lehrsätze diktirie, und die Linke ans sein unsterbliches Werk stützt. Der Ausdruck von Gitte in diesem Antlitz, mit Ler Humani- läl seiner Lehrsätze und den Lineamentc» de« Bildnisse« im Einklang, erhobt das Imposante der ganzen Figur um Vieles. Auch von den minder hervortrctenden Tbrilen derselben könnte man sagen, baß sie die Absicht des Künstlers durchschimlnern lassen. In vollkommener Uebercinstimmung mit allem klebrigen läßt er uns, der Würde des Ganzen unbeschadet, eine ansehnliche Körperfülle wabrnehmeu. Die unbekleideten Theile sind mit größter Meisterschaft modcllirt, die ge waltigen Locken einer Perücke, wie man sic damals trug, durch einen natürlichen Kopfputz geschickt ersetzt; die lange Robe, in welche die Figur gehüllt ist, könnte nicht besser anqepaßl scv», um die Formen des Körvers ganz hervortreten zu lassen und dabei den darunter befindlichen modernen Anzug durch majestätische Falten zu verhüllen; kurz, Alle« verkündigt eine großartige Aussassung des Gegenstandes, die kunstvoll ins Leben getreten ist. Wir glauben jedoch, daß Eine Bemerkung nicht am nnrcchlen Orte scv» dürste, obschon sie keinen Gegenstand von besonderer Wichtigkeit betrifft. Betrachtet man die Statue von unten nach vben, wozu man, da sie aus einer Treppe steht, natürlichen Anlaß hat, so scheint es, als ob die Hände, beson der« die rcchle Hand, in Vergleichung mit dem Kopse etwa« schwer wären; von oben betrachtet sanden wir den Kops in Vcrhältniß zur Masse de« ganzen Körver« leicht, dagegen die Hände in Harmonie mit dem Kopse. Vielleicht wird der Künstler bei der Ausführung in Marmor diesen Fehler verbessern. Das zweite Denkmal, welches vollendet in den oberen Portiken flehst iü dem ausgezeichneten Dichter Vincenzo Monti errichtet, auf dessen Werke die neuere Ztaliänische Literatur so lange stolz sev» wird, als erhabene Concepiivn, Adel de« Stils und Reinheit der Sprache etwas gellen werden. Die trefflichsten Künstler haben da« Ihrige bcigeiragen, um ein Monument zu Tage zu fördern, das sol chem Rnbm entspräche. Der große Maler Pclagio Palagi zeichnete die Umrisse; von dem akademischen Bildhauer Abbondio Eangiorgio wurde e« plastisch ausgesübrl und von einem anderen akademischen Bildhauer, Luigi Manfredini, in Bronze gegossen. Das Monument, dessen Basts zwei Sockel an« polirtem Granit bilden, ist cln bronze ne« Picdestal mit einem die trauernde Poesie darstellenden Basrelief; darüber erhebt sich ein anderer Sockel, aus dem inmitlen zweier sce- nischen Masken die mehr als lebensgroße Büste des Dichter« steht. Die ganze Arbeit athmel wahrhaft Griechische Eleganz. Historische Malerei. Da« größte und zugleich großartigste Gemälde dieser Art lieferte der Ritter Carl Bruloff. Von Herrn A. v. Lenudoff zu Ausführung eine« Gemäldes ausgcfordcrt, dessen Süjet seiner Wahl überlassen blieb, wählte er eine jener Katastrophen, die nach der allgemeinen Sündfluth in der Geschichte äußerst selten sind. Aus einer ungefähr vierzehn Ellen langen Lcmwand stell, er un« den letzten Tag von*Pompeji dar. Aus zweien Briefen de« Casus Plinius Läcilius, eines Augenzeugen der tragischen Katastrophe, an den Geschichtsschreiber Tacitu« entlieh er die besonderen Umstände, und alles dasjenige, was, da es aus Einem Punkt sich darstellt, jede andere Phantasie zur Verzweiflung gebracht hätte, scheint vielmehr Ler scinigen al« Gährungsstoff, als reiche Nahrung gedient zu haben. Er begab sich an den Ort, wo Pompeji einst gestanden, und skizzirte die eben so furchtbare als rührende Scene nach den Trümmern, die in der alten Straße der Vorstadt Augustus Felix, welche eine kurze Strecke mir der Herkulanischen Straße parallel lief, au« ihrer ErabeShöhlc emporstiegcn. Wenn man von diesem Orte au« nach dem Thor von Pompeji geht, so erblickt man zur Rechten den Vesuv, welchen der Maler sehr zweckmäßig zun, Hintergrund seine« Gemäldes benutzte. Wir glauben dem Leser einige Stellen aus der Erzählung des Plinius miltheiien zu müssen, damit er von der Idee des Künstlers und von der Disposition der Gruppen, mit denen die Scene belebt ist, einen angemessenen Begriff erhalte. „Fünfzehn Tage lang hatte man ein Erdbeben verspürt, das uns um so weniger überraschte, als die Städte und Flecken CampanienS demselben häufig unterworfen find; in jener ganzen Nacht") verstärkte cs sich in soL chem Grade, daß jedes Haus eher umgekehrt als erschüttert wurde. Meine Mutter trat plötzlich in mein Gemach, al« ich eben hinans- cilen wollte, um sie zu wecken. Wir setzten un« in dem Hofe nieder, der nur einen schmalen Raum zwischen dem Gebäude und dem Meere einnimmt.... Schon war es sieben Uhr Morgen«, und noch zeigte sich nltr ein schwaches Dämmerlicht. Jetzt erhielten die Gebäude so furchtbare Stöße, daß man nur an unbedeckten Orten, die jedoch fehr eng waren, verweilen konnte. Wir entschließen un«, die Stadr zu verlassen; da« geängstigte Volk drängt un« hausenweisc nach, und, wie cs bei allgemeinen Schrecken zu geschehen pflegt, ein Jeder hält dasjenige für das Sicherste, wa« er die Andere thun steht. Al« wir aus der Stadl heraus waren, machten wir Hall —- neue grausige Wunder, neue« Entsetzen! . . . Das Meer schien sich umzukchrcn und war wie vom Uscr zurückgcfloßen... An der entgegengesetzten Seile zerbarst eine schwarze, entsetzliche, von Flammen durchzuckte Wolke und ergoß sich in Hlitzähnlichen Feuerströmen, die nur viel leuchtender waren, al« Blitze . . . Die Asche fing an herabzustäubcn; ich drchc mich um und sehe, wie ein dicker Rauch, der sich gleich einem Strom über den Boden ausdchni, un« nachsolgt. Indem wir dahinschaulcn, sprach ich zu meiner Mutter: „Laß un« vom Wege abgehen, damit nicht der nachdrängende Haufe in dieser Finstcruiß uns erstickt." Mil genauer Noth hatten wir uns entfernt, al« da« Dunkel in solchem Grade zunahm, daß wir un« weil eher in einer ganz finsteren Kammer als unter einem sternenlosen Nachthimmel zu befinden glaubten. Man Hörle nicht« mehr als das Geheul der Wei ber, da« Gewimmer der Kindcr, das Schreien der Männer; die Einen riesen ihren Vater, die Anderen ihren Sohn, wieder Andere einen Gatten; man erkannte sich nur an der Stimme; Jener bejammerte fein eigenes Unglück, Dieser das Schicksal seiner Thcurcn; Mancher rief au« Todesangst den Tod an; Viele flehte» zu den Gottern; Viele waren überzeugt, daß es mit ihnen vorbei scv, und daß die Welt in dieser Nacht, die sie sür die letzte ewige Nacht hielten, un tergeben würde." — Die« ist die Schilderung, aus welcher der Ma ler seine Bilder cmnebmen und aus der Leinwand darstellen sollte. Ob es dem Ritter Bruloff gelungen sey, über alle Schwierigkeiten einer so riesigen Aufgabe zu lriumphiren, mag der Leser au« unserer Beschreibung der Gruppen seine« Gemälde« bcurtheilen. Ueber der Scene schwebt die schwarze von schweflicbcn Dünsten schwangere Wolke, wic sie Pliniu« beschreibt, und zur Rechten dc« Zuschauer« ergießen sich Ströme eine« sehr lebhaften weißlichen Lichtc«, dem de« Blitze« in der Finsteruiß ähnlich; da« von den zuckenden Strahlen gefurchte Dunkel der Wolke gebt in dem glübcn- den Daiypsc dc« Vesuv« allmälich unter. Zn der Mitte dc« Gemäl des und an der Stelle, die am meisten beleuchtet ist, liegt eine todte Frau, mit einem zarten Knäblein zur Seile, dessen eine Halid noch bald an da« von dem mütterlichen Busen berabbangcnde Tuch ge knüpft ist, während es die andere auf den Boden, stützt und jammert. ") .De« 23. August 72 n. Chr